Wer war der Buddha

Einführung

Wer war der Buddha – Vor einigen Monaten stiess ich auf ein interessantes Buch von Walpola Sri Rahula mit dem Titel „What the Buddha taught”. Walpola Sri Rahula war ein Theravada-Mönch, der gut bekannt ist für seine Übersetzungen der Worte des historischen Buddha.

Das Buch ist nicht sehr dick, aber es ist kein Buch, das man schnell liest. Bis Buddhas Worte und Sri Rahulas Kommentare im eigenen Geist Wurzeln schlagen und erblühen, braucht es Zeit. Im Laufe dieses Erblühens fühlt man sich mehr und mehr hingezogen zum Mann Gotama selbst, einem Menschen, der vollkommen menschlich war.

Mein Kennenlernen des historischen Buddha begann vor ungefähr 25 Jahren, als ich in einem Zen-buddhistischen Kloster im Staat New York lebte. Für mich war er immer der Mann hinter den Worten einer Lehrrede oder eines Sutras, einer Statue oder Stupa. Ich nahm auch Teil an zwei Pilgerreisen nach Indien und Nepal, auf denen ich zusammen mit anderen Pilgern den Fussstapfen des Buddha folgte. Ich wanderte durch dieselben Felder, sass im selben Gras, atmete dieselbe Luft wie der Buddha auch.

Auf der ersten Pilgerreise heirateten Agetsu und ich unter dem Bodhibaum in Bodhgaya. Tief in seine Worte und Philosophie versunken, schaute ich aber nie den Menschen selbst an. Bis vor Kurzem war ich nicht daran interessiert, Fragen zu beantworten wie: „Wer war der Buddha?“, „Wer war dieser ‚vollkommene‘ Mensch?“ Doch dann wurde es mir eines Tages wichtig, etwas über diesen Mann selbst zu lernen. Warum? Das weiss ich eigentlich nicht. Wie auch immer, die Antwort auf diese Fragen, wenn es denn Antworten gibt, sind das Leitthema dieser Zeitschrift.

-Robert

Spezie: Mensch; Geschlecht: männlich

Die meisten von uns hier im Westen wurden in einer Gesellschaft, die auf judäo-christlichen Konzepten basiert, erzogen oder waren zumindest davon umgeben. Ein Schlüsselelement dieses Denkrahmens ist die Existenz eines alleinigen Gottes. Dieser Gott hat sich hauptsächlich durch ausgewählte Individuen, Lehrer oder Propheten, kundgetan. Und der Lehrer/Prophet, der von diesem Gott gesandt wurde, war entweder selbst auch göttlich oder von diesem alleinigen Gott inspiriert. Diese Philosophie erlaubt, wie wir alle wissen, keine weibliche Gottheit, keine Göttinnen, Lehrerinnen, Prophetinnen. Es ist ein reiner „Männer-Club“. Dies sollte es eigentlich höchst verdächtig machen, doch wir akzeptieren es, als wäre es das Wort Gottes und führen unser Lemming-gleiches Leben fort. 🙂

Denken Sie darüber nach

Wer sich etwas mit dem buddhistischen Gedankengut befasst, erfährt von allem Anfang an, dass der Buddha nie von sich behauptete, etwas anderes als ein Mensch zu sein. Er nahm nie für sich in Anspruch, von einem himmlischen Wesen oder himmlischen Etwas zu irgend einem Zweck gesandt oder inspiriert worden zu sein. Man kann dies nun einfach zur Kenntnis nehmen und sagen: “Oh, das ist schön“, oder man kann innehalten und über die Auswirkungen dieser scheinbar einfachen Tatsache nachdenken.

Mit anderen Worten, der Buddha hatte keine Botschaft von oben oder unten an die gewöhnlichen Menschen zu übermitteln, keine Gebote zu verkünden, deren Nichtbefolgung Schmerz und Strafen aller Art nach sich zog, keine Schuld, keine Unterwürfigkeit, keine Sünde – weder verzeihbar noch unverzeihbar –, keine Drohung von Exkommunikation, Inquisition oder Jihad, keine ewige Verdammnis im Himmel oder in der Hölle, und, was ganz entscheidend ist, keine Gründe für die Menschen, sich wegen Zustimmung oder Ablehnung einer anderen menschlichen Gottesvorstellung zu bekriegen.

Wenn man innehält und nachdenkt, kann allein schon diese buddhistische Einstellung einen von einer grossen Last befreien, sei diese bewusst oder unbewusst. Die Idee einer „schuldfreien“ Welt würde in einem kompletten anderen Denken resultieren und folglich in eine ganz andere Art und Weise, wie man mit sich selbst und anderen umgeht. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Verwirklichung eines Lebens ohne Schuld ein ziemliches Problem sein könnte für Menschen, die auf ein gewisses Mass an Schuld für ihre tägliche Psycho-Diät angewiesen sind. Doch die Erkenntnis, dass dieses allem zu Grunde liegende Schuldbewusstsein bloss ein angelerntes und angewöhntes Denkverhalten ist, würde dieses Gift schnell aus ihrem psychischen Metabolismus entfernen.

„Glück, Freude, Nirwana“

Durch die Beteuerung, ganz und gar menschlich und nicht von Gott inspiriert zu sein, präsentierte der Buddha der Menschheit die Idee, dass man den Zustand von „Glück, Freude, Nirwana“ aus sich selbst heraus erlangen kann, ohne der Fürbitte oder des Eingriffes oder der Zustimmung von jemand anderem oder etwas anderem zu bedürfen. Man braucht keinen Gott, um ein gutes Leben zu führen, ein durchaus menschliches Leben, ein Leben frei von psychischem Schmerz und Leiden. Alles, was es dazu braucht, wäre der Einsatz der eigenen angeborenen Intelligenz und das Vertrauen auf den eigenen inneren Kompass.

Wir sind hier als Menschen, und die Intention ist es, ein vollkommen menschliches Leben auf dieser Erde zu führen, von Moment zu Moment. Dieses „vollkommen Mensch-Werden“ hat nichts zu tun mit dem Versuch, der gegebenen Welt zu entfiehen, weil uns jemand gesagt hat, das Paradies befände sich irgendwo anders, nicht hier. Vom ersten Tag unseres Lebens wurde uns dieser „andere Welt-Brei“ zusammen mit der Ersatzmuttermilch im Schoppen einverleibt. So beginnt unsere körperliche Existenz mit einem Klaps auf den Rücken oder dem Tunken in einem Becken mit kalten Wasser und endet mit dem körperlichen Tod und der unausgesprochenen Frage: „Worum ging es denn überhaupt“?

Steig vom Karussell herunter!

Die Idee, dass die Welt so ist, wie sie ist und wir es sind, die einen Himmel und eine Hölle daraus machen, impliziert, dass man auch die Möglichkeit hat, Himmel und Hölle zu transzendieren und in Stille zu weilen. Dass man alle Mittel dazu in sich trägt, dass jeder Mensch die Macht hat, dies für sich selbst zu erfüllen und in Stille zu weilen, das ist es, was der Buddha sich selbst bewiesen und uns mitgeteilt hat. Es gibt allerdings wenig, das einen zur Nutzung dieser Mittel befähigt, in einer Gesellschaft, die ihre Existenzgrundlage in einem gegebenen Glaubenssystem sieht. Die „Ursünde“, die uns an die Geburt bindet, ist in Tat und Wahrheit ein solches Glaubenssystem.

Wir wehren uns normalerweise nicht dagegen, weil es uns sehr früh im Leben einfängt, so dass wir es nicht als ein Hindernis erkennen. Es macht uns glauben, dass wir in dieses Leben hineingeboren werden mit einer Hypothek, die es abzuzahlen gilt. Diese Hypothek wurde von einer Organisation ausgedacht und aufrechterhalten, die ihrerseits andere Hypotheken von anderen Menschen übernommen hat. Es ist ein in sich geschlossenes System, ein Karussell und man wird verschaukelt. Der Buddha sagt im Wesentlichen: „Steig vom Karussell herunter!“

Stieg Aus

Siddhattha Gotama stieg aus dem Karussell im Alter von 29 Jahren, so heisst es. In diesem Alter verliess er die materielle Welt, seine Frau und Familie und machte sich auf die Entdeckung seiner selbst. Wir alle haben zu der einen oder anderen Zeit unseres Lebens die Gelegenheit, dasselbe zu tun. Die Gelegenheit mag sich nicht so dramatisch äussern wie beim Buddha – das Verlassen von Haus und Familie – nichtsdestotrotz: Der Ruf ist da. Er ertönt in Übereinstimmung mit den Umständen und erfordert meistens keine grossartigen Lebensumstellungen, sondern bloss das Erkennen der Gelegenheit und einen ernsthaften Einsatz dafür.

Wofür setzt man sich ein? Man setzt sich dafür ein, dass man wach bleibt, gewahr der eigenen Gedanken und der Konsequenzen der eigenen Gedanken. Es mag vielleicht mehr als eine Gelegenheit geben, um vom Karussell zu steigen, mehr als ein Wachruf. Ob man darauf antwortet, ist einem selbst überlassen. Nur du allein weisst, ob du dich von der Reise der Selbstentdeckung verabschiedet hast, weil du zu sehr mit wichtigeren Dingen beschäftigt bist.

Sechs Jahre

Der Buddha verbrachte sechs Jahre in der Gegenwart von verschiedenen Lehrern, bevor er zum Schluss kam, dass ein Lehrer einen nur bis zu einem gewissen Punkt begleiten kann, – zur Vollendung der Reise ist man auf sich allein gestellt. Ein Lehrer ist nur ein Führer – „ein Finger, der zum Mond zeigt“ , das Menü, nicht die Speise. Wir müssen früher oder später zum selben Schluss kommen. Wie J. Krishnamurti sagte: „Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.“ Und in Wahrheit ist der Ausstieg aus dem Karussell nicht so sehr die Frucht eines Entschlusses, sondern vielmehr eine natürliche Entwicklung der Achtsamkeit. Er äussert sich, wenn die Zeit reif ist, im Einklang mit sich selbst – also muss man aufmerksam sein.

Blick nach innen

Jemanden oder etwas zu benutzen, um sich selbst zu entdecken, ist ein Widerspruch in sich selbst. Es setzt voraus, dass derjenige oder dasjenige ausserhalb von einem selbst einen besser kennt als man sich selbst. Die Selbsterkenntnis beginnt durch den „Blick nach innen“ im Gegensatz zum „Blick nach aussen“. Nur so gelangt man zur Entdeckung, dass man alles hat, was es braucht, um den eigenen Weg zu gehen. Der Buddha entdeckte für sich selbst, dass der Mensch vollständig ist.

Wir benötigen kein von aussen kommendes Lob, kein spirituelles Voodoo, um uns selbst aus der Misere heraus in die Lebensfreude hinein zu erheben. Das bedeutet in einem gewissen Sinn, dass es eine Bestimmung für dieses Leben gibt, die weiter reicht als die gewöhnliche Routine “aufstehen-arbeiten-essen-schlafen-und-so-weiter- bis-zum-Tod“, die wir für das „absolute Muss“ des Lebens halten.

Das Leben ist anders als die vorübergehende sinnliche Befriedigung, die wir erfahren, wenn unsere Räumlichkeiten gefüllt sind mit lebenden und leblosen Gegenständen. Ein leidenschaftsloser Blick auf die heutige Welt bestätigt, wie weit wir von unserer Menschlichkeit abgekommen sind. Wie viele von uns heutigen Erdbewohnern sind willig, tief in die Augen eines Selfie zu schauen und die Leere in dieser Existenz zu erblicken?

Dieses Leben ist alles, was du hast.

Dieses Leben ist alles, was du hast. Das sind die dir zugeteilten Karten und es liegt an dir, wie du sie ausspielst. Vergiss Reinkarnation! Vergiss Wiederholung! Angenommen die Idee von Reinkarnation habe einen gewissen Wert, willst du wirklich in derselben psychisch-emotionalen Welt, in der du heute lebst, wiedergeboren werden? Wieso meinst du, dass dein seelischer Zustand mit all seinen Ängsten, seiner Wut, seinem Neid anders sein würde als der Zustand, in dem du heute lebst? In was willst Du dich verwandeln? Du kennst keine andere Art zu leben.

Es nützt nichts, nach einem gelobten Land zu suchen, wenn man nicht zurecht kommt mit dem gelobten Land, in das man jetzt hineingesetzt wurde. Wenn man nicht hier und jetzt, in diesem Leben, sterben kann im Hinblick auf die eigenen Ängste, die eigene Wut usw., wieso sollte man es dann im nächsten tun, wenn es überhaupt ein nächstes gibt? Ist das nicht absurd?

Eine Dilemma

Nun haben wir ein Dilemma, nicht wahr? Wir müssen die Verantwortung für unsere „Erlösung“ sozusagen selbst übernehmen. Wir müssen den Garten pfegen und unser Wunschdenken an den Wurzeln packen und beseitigen. Denn unser Begehren ist die Wurzel aller Angst, Wut, Gier, Eifersucht usw. Aber das ist harte Arbeit. Es bedeutet, achtsam zu sein, und zwar andauernd. Es bedeutet zu hinterfragen, und zwar andauernd. Es bedeutet, sich nicht zum Sklaven der Sinnesempfindungen zu machen, und zwar andauernd. Für viele scheint dies zu viel verlangt, weil sie ein Projekt daraus machen, und sie haben schliesslich schon genug Projekte in ihrem Leben, so wie es ist.

Aber achtsam leben ist kein Projekt, es ist einfach „wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich schlafe, dann schlafe ich.“ Es ist nicht etwas, was man zusätzlich zu all dem macht, was man im Alltag tut. Im Gegenteil, es ist die Art und Weise, wie man tut, was man im Alltag tut.

Wie der Buddha mit seiner Lebensführung demonstriert hat, ist es uns Menschen möglich, unseren Weg durch das Dickicht dieser Welt zu finden. Er war ein Mensch, wenn auch ein ausserordentlicher Mensch, aber irgendwann begann er seine Reise mit der gleichen Unwissenheit, in der wir stecken, nicht mehr und nicht weniger verstehend als du und ich. Ist das nicht Ansporn genug, sich selbst auf die Suche zu machen nach dem, was nicht verloren ist? Worauf wartest du?

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Ochsenbildern #1

„Die Inspiration zum ersten Schritt, den Ochsen zu finden, ist das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Etwas scheint verloren zu sein. Dieses Gefühl von Verlust erzeugt Schmerz. Man sucht nach irgendetwas, das die Situation heilt. Man merkt, dass der Versuch des Ichs, eine ideale Umwelt zu erschaffen, nicht zum Frieden führt.“ – Chögyam Trungpa‘s Kommentar zu den Ochsenbildern Nr. 1

Was hat der Buddha gelehrt?

Die Ideen, die der Buddha seinen Anhängern präsentierte, waren nicht neu und nicht allein seine eigenen. Seine Lehrreden basierten auf den Upanishaden, den Yoga-Sutras von Patanjali und den inspirierten Ideen der Sankhya-Philosophie.(Atma-Shaktam) Wie er im Nagarasutta (Samyutta Nikaya) selber sagt: Wie ein Mensch den uralten Weg zu einer verlorenen Stadt entdeckt, so habe ich den uralten Weg entdeckt, der zum Nirwana führt. Die Entdeckung des alten Weges, „der zum Nirvana führt“, hat ihre Wurzeln in der Verwirklichung von Patanjalis Definition von Yoga als: … das Abschalten des geformten Geistes. „Yoga“ ist ein anderes Wort für „Vereinigung“ bzw. Einheit.

Und Vereinigung in diesem Sinn ist die Überwindung der Gegensätze, die Transzendenz der Dualität. Wenn der Geist nicht in „ja oder nein“, „richtig oder falsch“, „weiss oder schwarz“ gespalten ist, dann befindet er sich im Zustand der Einheit (Yoga). Der Zustand von „ja oder nein“ erzeugt die Illusion von einem Denker, der Gedanken denkt. Er schafft die Fata Morgana von einem separaten Selbst, Ich. Die Ashtavakra Gita gibt angeblich einen Dialog zwischen dem Weisen Ashtavakra und dem König Janaka wieder. In einem der Verse von Ashtavakra heisst es:

Richtig und falsch, angenehm und unangenehm, existieren nur im (denkenden) Geist.
Sie gehen Dich nichts an.
Du handelst nicht und geniesst nicht.
Du bist frei.

Du

Das von Ashtavakra angesprochene „Du“ ist das, was man ist ohne „Ich“. Das „Ich“ ist der Denker, der Gedanken denkt wie „richtig und falsch“, „angenehm und unangenehm“. Man kann in diesem „Ich“-Zustand nicht frei sein, weil dieser Zustand an das Denken gebunden ist. Das Denken beinhaltet immer Vergangenes, das rückwirkend als Erinnerung neu zum Leben erweckt wird im Kontakt mit der Sinneswelt. Es ist unsere Reaktion auf die sich ständig wandelnde Welt, in der wir leben. Was man „macht“, hat man bereits gedacht. Was man geniessen „tut“ ist das Gegenteil von dem, was man nicht geniessen „tut“. Und wo liegt die Ursache von „Tun“ oder „Nicht-tun“? Im Denken?

Du bist frei

Du bist frei“ ist der Zustand von Nirwana. Es muss selbst erfahren werden. Auf diese direkte Erfahrung wies der Buddha hin, als er zu seinen Zuhörern sagte:

Subuthi … ich brauche die Worte nur als Worte.

Diamant-Sutra

Es ist nie die Erfahrung selbst, die in Worte gebracht wird. Worte sind eine retrospektive Beschreibung des Erlebten und sind abhängig vom Erinnerungsvermögen, dem Wortschatz von derjenigen Person, die die Beschreibung macht. Den Worten sol man nicht glauben. Sie sind nur dazu da, einem zu sagen, dass man das Potenzial hat, einen ähnlichen Seinszustand zu erfahren. Das Sein hat nichts zu tun mit Glauben oder Nichtglauben und demzufolge nichts mit Worten, Gedanken oder Denken.

Wie bereits erwähnt, war der Buddha vertraut mit den Ideen, die in den Yoga-Sutras und den Upanishaden behandelt werden, denn diese Lehren existierten schon lange, bevor der Buddha lebte. Seine Lehrer hatten ihm sicher die entsprechenden Texte dargelegt, genauso wie sie es auch für ihre anderen Schüler taten. Das war vermutlich nicht anders als heute. Die Schüler hörten den Darlegungen der Meister zu, nickten zustimmend und führten ihr geschäftiges Leben weiter.

Ab und Zu

Ab und zu kommt jemand, hört die Worte und stoppt das persönliche Karussell. Er oder sie sagt sich: „Das sind bloss Worte und werden blosse Worte bleiben, es sei denn ich erfahre das, was sie beschreiben, selbst.“ Genau dies hat der Buddha getan. Und aus dieser Erfahrung heraus konnte er seiner Gefolgschaft sagen, dass man bei sich selbst Zufucht finden kann. Man ist sein eigener Meister. Er ermahnte seine Anhänger, niemals Zufucht oder Schutz bei jemand anderem zu suchen. Sei dir selbst Zufucht, sei dein eigener Meister, das ist die wesentliche Lehre des Buddha. Halte inne und denke einen Moment lang nach, was sagt uns dieser Mensch hier über Leben und leben?

Meistere deine Sinne,
was du schmeckst und riechst, was du siehst und hörst.
Sei ein Meister in allem, was du tust und sagst und denkst. Sei frei!

Dhammapada: Der Praktizierende
Sein eigener Meister zu sein

Sein eigener Meister zu sein bedeutet, für sich selbst verantwortlich zu sein. Niemand anders ist für einen verantwortlich. Man kann niemanden für den eigenen Zustand haftbar machen, weder Mutter, noch Vater, Ehefrau, Ehemann usw. Es gilt selbst zu erleben, wie befreiend es ist, wenn man aufhört, das eigene Leben so zu manipulieren, dass man alles dem Verhalten oder Fehlverhalten einer anderen Person zuschreibt.

Wenn man aufhört, sich selbst zu belügen, aufhört, Entschuldigungen zu erfinden, aufhört, Fantasien über sich selbst und andere zu kreieren, dann dreht sich die Welt auf eine ganz andere Art. Wie viel Zeit verbringt man jeden Tag damit, die psychischen Selfies zu putzen? Welche Vergeudung an Lebenszeit und Energie! Wie närrisch! Man erlebt die Welt nie so, wie sie ist, weil man immer damit beschäftigt ist, sie nach dem eigenen Bild zu formen.

Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entstammt unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken schaffen wir die Welt.

Dhammapada: Die Paare

Wenn man auf eigenen Füssen steht und Zufucht findet im eigenen Selbst, dann bindet man sich nicht an eine persönliche Weltanschauung. Man lebt weder in einer Sandburg noch in einem Himmelsschloss. Es gibt keine Wände, die dieses Refugium umgrenzen, keine Gebote. Die Eingangstore haben keine Tore. Es gibt keine Ansprüche an andere, ihr Leben meinen Wünschen zu unterwerfen. Man lebt nicht in Angst und hat folglich kein Bedürfnis, jede Lebenslage zu kontrollieren.

Das ist ein Leben ohne Zorn

Das ist ein Leben ohne Zorn. Wenn man nichts verlangt, worüber sollte man sich dann ärgern? Dieser Zufuchtsort ist kein Gefängnis, in dem Gefängniswärter und Gefangener identisch sind mit Denker und Gedanken. Diese Zufucht tritt erst in die Existenz, wenn alle Gedanken über Zufucht verschwunden sind. Wenn man vollkommen unverwundbar geworden ist wegen der eigenen totalen Verwundbarkeit. So wie sich das Gras im ständig wechselnden Wind in die eine und andere Richtung biegt ohne zu brechen. Da gibt es kein Stossen und Ziehen. Das Leben nimmt seinen Gang so wie es ist, und persönlichen Ansichten, wie das Leben sein sollte, gibt es nicht.

Lehne nicht ab, was dir gegeben ist,
Greife nicht nach dem, was anderen gegeben ist, sonst störst du deine Stille.
Sei dankbar für das, was dir gegeben ist,
mag es noch so klein sein.
Sei klar, zögere niemals.
Du hast weder Namen noch Form.
Warum solltest du missen, was du nicht hast?

Dhammapada: Der Praktiziernde

Mach vorwärts!

Mach vorwärts! Die Zeit vergeht so schnell. Du hast alles, was du brauchst, um deine Emanzipation, deine Erlösung selber zu bewerkstelligen. Die Götter der Menschen werde dich nicht retten. Finde das, was niemals verloren gegangen ist. Finde es in Stille. Finde es in der Meditation. Finde es in deinen Beziehungen zu anderen. Finde es in dir selbst.

Aber ja, wenn man nicht bereit ist, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, kann man dieser ganzen Angelegenheit natürlich aus dem Weg gehen in einer Art und Weise, die gesellschaftlich durchaus akzeptabel ist. Man kann die Verantwortung an jemand anderen delegieren, einen kleinen Altar bauen, eine Figur des zuständigen Wesens darauf stellen, etwas Räucherware verbrennen, vielleicht auch zwei Kerzen, und nun das Ritual zu einem Glaubenssystem ausformen.

Nun muss man sich nicht mehr um Selbstverantwortlichkeit kümmern, man hat etwas/jemanden, der einen retten wird. Der Buddha liess seinen Worten Taten folgen. Aber wenn man an Buddhas Worte glaubt, weil man sie für wahr hält, dann gibt man sich mit Worten zufrieden und lässt die Kerzen hell leuchten und „alles wird gut“…

Ausweichmanöver

Das ist das reinste Ausweichmanöver. Wenn man an etwas/jemanden glaubt, übergibt man das Zepter an ein fremdes Denkmuster. Man stellt keine Fragen mehr. Man richtet das eigene Denken und Handeln nach einer fremden Autorität aus. Man tut dies bei so vielen Angelegenheiten des Lebens, dass man es kaum noch merkt. Das ist eine Fallgrube unseres angeborenen dualistischen Denkens. Wenn man es vorzieht, einem bestimmten Gedankengut mehr Glauben zu schenken als einem anderen, dann ist man eher willig, Ideen, die diese Wahl unterstützen, kritiklos zu übernehmen, denn dadurch wird der eigene „Wohlfühl-Quotient“ erhöht. Wir geben den Akt des kritischen Denkens auf und sammeln stattdessen bloss noch Unterstützungsmaterial für das eigene Gut.

Warum handeln wir so? Warum übernehmen wir fremde Ideen fraglos? Warum meinen wir, jemand anders wisse es besser als ich? Könnte es sein, weil ich nicht weiss, wer ich wirklich bin? Könnte es sein, dass ich noch nie die Verantwortung für mich selbst getragen haben?

Beruhige deinen Körper. Beruhige deinen Geist. Kein Wollen. Keine Worte. Das heisst still sein.
Durch eigenes Bemühen erwecke dich selbst, betrachte dich selbst. So lebst du freudvoll.

Dhammapada: Der Praktizierende

Schluss

Der Buddha Siddhattha Gotama lebte ungefähr 80 Jahre lang auf dieser Erde. Sein fürsorglicher Neffe und Schüler Ananda wusste, dass das Ende des Meisters nahte. Er fragte den Buddha, ob er noch irgend eine letzte Instruktion habe für die Sangha. Der Buddha, mitleidvoll wie immer, sprach folgende Worte zu Ananda:

Sei deine eigene Insel; mache dich selbst und niemand anders zu deiner Zuflucht; mache das Dhamma zu deiner Insel, mache das Dharma und nichts anderes zu deiner Zuflucht.

Digha-nikaya, ed. Nanavas Thera (Colombo, 1929)

Dhyana Sommer 2014

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