Skandhas

Entnommen von: „Der Edle Achtfache Pfad“ Befreiung von Samsāra

7.1 Dukkha als bedingte Zustände (Skandhas)

Skandhas – Form, Sinnesempfindung, Wahrnehmung, Willenstendenzen und Bewusstsein bilden die Fünf Skandhas (auch die Fünf Anhäufungen genannt). Die Skandhas sind bedingt. Das heisst, sie manifestieren sich unter bestimmten Bedingungen. Sämtliche Lebensformen sind abhängig von gewissen Ursachen. Nichts existiert aus sich selbst heraus. Nichts hat einen inneren Kern oder eine Substanz. Das Leben ist eine Kette ohne Ende. Alles hat eine Ursache. Alles hat eine Wirkung.

Die Fünf Skandhas sind die Bausteine für das, was wir sind. Der Buddha sagte, die Fünf Skandhas seien leer. Das bedeutet, sie sind bedingt, abhängig, ohne Substanz. Mit anderen Worten, sie existieren nur als mentale Konstruktionen. Formen sind mentale Konstruktionen. Sinnesempfindungen sind mentale Konstruktionen. Wahrnehmungen sind mentale Konstruktionen. Gedanken sind mentale Konstruktionen und auch Bewusstsein ist eine mentale Konstruktion. Dabei hast du immer gemeint, du seist etwas Festes, nicht wahr? Wer hat dir das gesagt? Wer?

Wir Menschen sind ein Prozess von Begehren, der nach sinnlicher Befriedigung und nach Dauerhaftigkeit strebt.

Ein Prozess ist eine systematische Aufeinanderfolge von Aktionen mit einem bestimmten Ziel. Eine Aktion ist eine Tat.
Wir sind eine systematische Serie von Aktionen, die nach sinnlicher Befriedigung streben. Und wir sind eine systematische Serie von Handlungen, die nach Dauerhaftigkeit streben. Dieses zielgerichtete Agieren bildet unsere Existenz. Es ist das Leben, das wir «gewählt» haben unter dem Einfluss unserer karmischen Wolke der Unwissenheit.

Doch das, was wir ursprünglich sind, transzendiert Zeit und Raum; es trägt nur die «Kleider» dieser mentalen Konstruktion, dieses Prozesses, dieses «Selbst», das danach strebt, in der illusorischen Welt zu bestehen. In unserer Unwissenheit halten wir dieses Selbst für unser wahres Selbst und die selbstgeschaffene Wirklichkeit für die absolute Wirklichkeit.

Das, was wir ursprünglich sind, kann nur in der Meditation erkannt werden, wenn alle mentalen Konstrukte weggefallen sind.

«Als der Bodhisattva Avalokiteshvara tief in die Praxis von Prajñāpāramitā versunken war, sah er deutlich, dass die Fünf Skandhas leer sind und überwand alles Leiden und alle Kümmernisse.»

Das Herz-Sutra

Diese Facette von Dukkha, die Fünf Skandhas, ist wohl am schwersten in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen, weil sie uns vor Augen führt, dass wir nichts anderes sind als «der Stoff, aus dem Träume gemacht sind». Halte einen Augenblick inne und bedenke, was diese Sichtweise impliziert. Wir sind nicht das, was wir meinen zu sein. Wer sind wir? Die Antwort des Buddha auf diese Frage lautet: «Hör auf zu denken, und all dies wird vollkommen deutlich.»

Was wird «vollkommen deutlich», fragt man vielleicht.

Der Ch’an Meister Han Śhan (1546-1623) sagte es so, zitiert aus dem Buch Das Shurangama-Sutra von C. Luk:

«Der Mensch wurde wegen seiner fundamentalen Unwissenheit, die seit anfangsloser Zeit verursacht wird, durch den ersten Gedanken, der seinen Wahren Geist verdeckt, Gegenstand von Leben und Tod.»

Wie der Buddha sagte, es ist das Denken, das die «Schuld» trägt. Denken schafft Zweiheit. Denken trennt.

Versuche es für dich selbst, wenn du willst. Setze dich ruhig hin, beobachte deine mentale Wirklichkeit, deine Welt… Jetzt fange an, einen der Gedanken, der durch deine mentale Welt, dein Bewusstsein zieht, zu unterhalten. Fokussiere dich auf den Gedanken und erlaube ihm, sich zu entwickeln. Erlaube ihm, Form anzunehmen. Andere Gedanken werden sich dem ersten Gedanken anheften, wie Fliegen an Fliegenpapier. Nimm zur Kenntnis — ohne dich davon abzuwenden —, wie dieses Gedanken-Thema seinen eigenen Raum gestaltet hat, seine eigene neue Realität innerhalb deiner mentalen Welt.

Merke, wie es andere Gedanken nutzt und assimiliert, um ein selbständiges Objekt zu werden. In deinem Geist ist es wirklich. Es ist diese gedankliche Wirklichkeit, welche die wahre Wirklichkeit verdeckt, obgleich sie nicht davon getrennt ist. Es ist dein Ich-Geist, der den ursprünglichen Geist verbirgt.

Glaubenssystemen

Deine alte mentale Wirklichkeit, die auf alten Glaubenssystemen basierte, wie alten Traditionen, alten Lügen usw., hat sich nun umgestaltet in eine neue Wirklichkeit, die sich auf neue Glaubenssysteme, neue Traditionen und neue Lügen stützt. Die alte Wirklichkeit hatte eine Geburt, ein Leben und einen Tod. Die neue Wirklichkeit hat ebenfalls eine Geburt und ein Leben und wird sterben. Dieser mentale Kreislauf von Geburt-Leben-Tod könnte als ein «Mikro-Samsāra» bezeichnet werden.

Ein winziger Leben-und-Tod-Zyklus. «Aber», könnte jemand einwenden, «das ist doch alles Fantasie. Das geschieht doch nur im eigenen Geist.» Worauf jemand anders erwidern könnte: «Stimmt. Und genau das ist die Definition von Ignoranz. Man erkennt nicht, dass das Spiel des illusorischen Geistes, in Gang gebracht durch den ersten Gedanken, den wahren Geist überlagert.»

Han Śhan sagt, dass in diesem Zeit-Moment, als der erste Gedanken den wahren Geist bedeckte (vor diesem Moment gab es keine Zeit), die ganze Vorspiegelung falscher Tatsachen begann. Das ist Samsāra. Das ist der Urknall, der Adam-und-Eva-Moment, der Moment der Schöpfung der Sahā Welt.

Dieser «erste Gedanke» und die Millionen von Gedanken, die ihm folgten, bilden das Ālaya-Bewusstsein, auch «Speicherbewusstsein» genannt. Ālaya ist das fundamentale Bewusstsein des sichtbaren individuellen Wesens. Wir alle, so wie wir sind, haben unseren Ursprung im Ālaya-Bewusstsein. Nichts, das man denken kann, liegt ausserhalb dieses Bewusstseins.

Alaya = Speicherbewusstsein

Das «Speicherbewusstsein», diese Vereinigung vom relativen Geist und dem ursprünglichen, absoluten Geist hat drei Merkmale:
Das karmische Merkmal ist die fundamentale Unwissenheit als Folge von gedanklichen Zirkelschlüssen. Ein Zirkelschluss ist definiert als «eine Wahrheit, die sich selbst beweist». Die Aussage «Ich denke, also bin ich» ist ein Beispiel für einen solchen Selbstbeweis.
Das transformierende Merkmal ist die Umwandlung der fundamentalen Weisheit in verkehrte Wahrnehmung. Dies ist die Wurzel der ersten sieben Bewusstseinsarten (Augen-, Ohren-, Nase-, Zunge-, Körperbewusstsein, Denken und verzerrte Wahrnehmung).
Das dritte Merkmal ist seine Äusserung in Erscheinung bzw. Form.

Ālaya ist das Du, für das du dich hältst, das du aber nicht bist.
Oder wie es der Buddha im Diamant-Sutra sagt:

«Ich sage euch: Die ganze bedingte Existenz ist wie ein Tautropfen, eine Luftblase in einem Strom; wie ein Blitz, ein flackerndes Licht, eine Illusion, ein Phantom, ein Traum. So sollte alles in der bedingten Welt gesehen werden.»

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