Die grosse Stille

Die grosse Stille – AWH, Meditationswoche August 2023

In den letzen zwei Tagen haben wir damit begonnen, den Boden für eine solide Meditationspraxis zu bereiten. Heute geht es um die grosse Stille. Um diese zu erfahren, ist es nötig, ganz und gar im ruhigen Atems verankert zu sein sowie Geist und Körper zu vereinheitlich. Nicht theoretisch! Wirklich! Aktuell! Heute!

Mit Haut und Haar und Knochen …

Was es heisst, wenn Geist und Körper zusammenwirken, kann man leicht feststellen, wenn man sich unter den Mitmenschen umschaut. Denn die menschliche Körpersprache offenbart direkt, ob dies der Fall ist oder nicht. Und sie lügt nicht.

Zum Beispiel in der Küche: Dort kann man gut beobachten, wie Annette mit Körper und Geist bei ihrer Sache ist. Ihre Bewegungen sind völlig gesammelt und konzentriert und alles scheint ihr leicht von der Hand zu gehen. Andere hingegen scheinen nicht zu wissen, wo sie sind oder wie sie ihre beiden Hände koordinieren sollen.

Bei Tieren kann man keine solche Diskrepanz feststellen. Wenn zum Beispiel Hunde ihren Spazierweg erkunden, dann folgt der ganze Körper mit Haut und Haar der Nase. Und wenn sie essen, essen sie mit Haut und Haar und Knochen; und wenn sie kämpfen, kämpfen sie mit Haut und Haar und Knochen. Da gibt es keine halbe Sache, keine Zerstreutheit oder Doppeldeutigkeit. Auch bei kleinen Kindern nicht.

Sammlung

Sammlung ist eine Sache der Achtsamkeit und umgekehrt. Aber das verflixte Wort Achtsamkeit ist völlig abgegriffen. Viele mögen es gar nicht mehr hören, und ich habe volles Verständnis dafür. Denn wenn man es hört, hat man – wie beim Wort Liebe – Vorstellungen von etwas Kompliziertem, Speziellem, etwas, das man lernen oder üben muss. Man nimmt sogar Kurse dafür.

Kurz: Man strengt sich an: Man VERSUCHT, achtsam zu sein. 

Aber das führt zu nichts. Diese Art von Achtsamkeit ist aufgesetzt, gewollt, und daher ineffizient, nicht wahr?

Achtsamkeit hat nichts zu tun mit Vorstellung oder Wille. Entweder man ist achtsam oder man ist es nicht.

Das erinnert mich an eine Begegnung mit einem Zen-Meister. Ich sagte so etwas, wie: «Ich will (das und das) nicht tun. Denn ich will nicht, dass (das und das) geschieht…»

Der Meister schaute mir direkt ins Gesicht uns sagte mit scharfer Stimme: «Du willst nicht, dass (das und das) geschieht? Dann TUE es NICHT!».

Rede nicht um den Brei herum, tu’ was du tun willst und tu’ nicht, was du nicht tun willst.

Diese Direktheit ist ein Zeichen der höchstmöglichen Präsenz. Und Sammlung ist nichts anderes als höchstmögliche Präsenz. Da gibt es keinen Platz für ablenkende Gedanken; Körper und Geist sind eins und agieren simultan.

Als Meister Sokei-an versuchte, seinen amerikanischen Zuhörern das im Zen zentrale Prinzip der achtsamen Präsenz zu erklären, benutzte er folgendes Bild: Stell dir vor, du musst ein bis zum Rand gefülltes Ölgefäss durch einen belebten Marktplatz tragen. In deinem Rücken folgt ein Mann mit erhobenem Schwert. Wenn du auch nur einen Tropfen Öl verlierst, saust das Schwert auf dich nieder.

Was meint ihr, würdet ihr euch unter solchen Umständen erlauben, an irgendetwas anderes zu denken, als dieses Gefäss sicher an sein Ziel zu bringen?

Lücken

Wenn die Aufmerksamkeit im Zazen ganz im Atem verankert und gesammelt ist, kann man erleben, wie es beim Übergang vom Einatmen zum Ausatmen und vom Ausatmen zum Einatmen eine kleine Lücke gibt. Der Atemfluss erfährt eine kurze Unterbrechung, weil die Atembewegung sozusagen die «Richtung ändert», wenn die Lunge ganz voll oder ganz leer ist. Dieser Übergang ist ein Moment der Stille. Er kann ganz kurz und kaum spürbar sein oder eine ganze Weile dauern.

Dasselbe Prinzip lässt sich bei Meereswellen beobachten. Wenn eine Welle den Strand erreicht, gibt es einen winzigen Moment, in dem sie sozusagen stillsteht, bevor sie bricht, sich auf dem Sand oder Stein ausbreitet und sich dann wieder zurückzieht.

In der Sitzmeditation sind diese Lücken tückisch. Denn sie sind sozusagen das Einfallstor für die Gedanken. Ihr könnt dies sicherlich selber beobachten: Die Extrempositionen der Wellenbewegung des Atems sind recht kritisch für die Kontinuität der Achtsamkeit. Lässt diese auch nur ein wenig nach – was sie besonders in den Momenten der Leere oder Stille einer Lücke tun – dringen sofort Gedanken ein; und eh man sich versieht, begibt man sich auf Wanderschaft mit diesen. Früher oder später «wacht man auf» und wundert sich, wie und warum man wieder vom Gedankenfluss weggetragen wurde. Hier ist also kontinuierliche, unaufgeregte Achtsamkeit von Nöten.

Es gibt Meditations-Experten, die mit diesem Phänomen «spielen». Sie üben sich darin, die Lücke zwischen Aus-und Einatem willentlich zu verlängern und die «Leere» bewusst zu erleben, ohne den Gedanken Zugang zu gewähren.

Doch dieses «Spiel» ist (noch) nicht angebracht für uns. Wir müssen zuerst lernen, den Atem völlig frei zu geben – d.h. nicht zu kontrollieren und zu beurteilen – und ganz darin gesammelt zu bleiben.

Gedankenimpulse

Macht also hier keine Experimente, keine Fisimatenten. Seid einfach wach und gewahr. Die Gedanken «warten» nur darauf, eure Aufmerksamkeit zu stehlen und euch an der Nase herum zu führen. Nehmt dieses Treiben, das sich im Hintergrund oder an der Peripherie des Bewusstseinsspiegels abspielt, wahr, ohne euch damit zu verbinden. Denn die unwillkürlichen Gedankenimpulse sind an und für sich kein Problem, solange man sie nicht packt und damit «spazieren» geht.

Die Zen-Meister vergleichen die ins Bewusstsein tretenden Gedankenimpulse mit Kieselsteinen, die in einen Teich oder in einen See hineingeworfen werden. Sie mögen gross oder winzig klein sein. Sie alle lösen im Wasser eine Bewegung aus, die sich als Wellen in alle Richtungen ausbreitet.

Solche Gedankenimpulse, auf Japanisch «NEN» genannt, können auf dem Weg der Erkenntnis auch positiv genutzt werden. So spricht man zum Beispiel im Buddhismus oft davon, dass es wichtig ist, «heilsame» Gedanken zu kultivieren. Ein uns bekanntes Beispiel findet sich in der Rezitation von Emmei Jukku Kannon Gyo, einem Mantra zur Anrufung von Kanzeon, dem Bodhisattva des universalen Mitgefühls. Darin heisst es:

KANZEO NAMU BUTSU
YO BUTSU U IN …
CHO NEN KANZEON
BO NEN KAN ZE ON
NEN NEN JU SHIN KI
NEN NEN FU RI SHIN.

Ins Deutsche übertragen:

Gegrüsst (Ehre) sei Kanzeon-Buddha.
Wir sind eins mit Buddha…
Jeden Morgen vergegenwärtigen wir uns/denken wir an/ Kanzeon.
Jeden Abend vergegenwärtigen wir uns/denken wir an/ Kanzeon.
Jeder Gedanke entspricht dem Buddha-Geist.
Kein Gedanke ist vom Buddha-Geist getrennt.

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig das Denken für uns Menschen ist. Es ist ja die treibende Kraft, die Motivation hinter allen Handlungen – den positiven wie den negativen, den heilsamen wie den schädlichen. Deshalb ist es wichtig, sich der Motivationen des eigenen Tuns bewusst zu sein!

Rechte Meditation in der Praxis

So auch in der Meditation. Praktisch bedeutet dies: Wenn man sich zur Sitzmeditation hinsetzt, sollte man die positiven Gedanken der Entschlossenheit, Geduld, Ausdauer und des Vertrauens in den eigenen Geist generieren und aufrecht erhalten. Dies ist die heilsame Ausrichtung des Geistes zur Förderung der rechten Meditation.

Aber wenn wir die Gedanken packen und sagen: «Der ist gut», «der ist schlecht», führt das zu nichts, ausser zu Frustration und Unruhe: «Oh, ich habe wieder versagt …». Dann ist es sowieso schon zu spät, man kann nichts mehr ändern.

Hey, wieviel Zeit hat man schon vergeudet mit solchen Gedankenschlaufen? Wieviel Zeit verschwendet man, die man nutzen könnte, um auf dem Weg fortzufahren, indem man einfach natürlich ein- und ausatmet und dadurch zur Ruhe kommt?

Man soll wertlose Denkmuster wirklich erkennen und aufgeben. Sie nützen niemandem etwas.

Diese Gelegenheit haben wir hier:
Beim Essen: In Gedanken verloren stochere ich mit dem Besteck im Teller herum, hörbar für alle, und habe keine Ahnung, was ich mir in den Mund schaufle.
Beim der Hausarbeit: Oh ich LIEBE es, sauber zu machen (im Retreat, nicht bei mir zu Hause…) Ich putze und reibe gehetzt alles, was mir in die Hände kommt. – Aus Liebe zur Sache? Oder, weil es «Zen» ist?
Auf der Toilette: Wenn man auf dem Topf sitzt, sitze man auf dem Topf, und wenn man fertig ist, gehe man raus! Wirft man einen Blick zurück um zu sehen, was man zurücklässt?

Wisse, was du tust, und wisse, wie du es tust! Das ist aktuelle, gelebte Achtsamkeit; sie gibt dem Leben Fülle. Nicht die selbstzentrierte Träumerei, wie ich leben möchte oder wie ich doch falsch gelebt habe oder was andere getan oder nicht getan haben.

Harada Roshi erzählt eine schöne Geschichte zum Gewahrsein auf höchstem Niveau – die alten Japaner waren ja Meister in der Kunst der Genauigkeit und Präzision in ihrem Tun.

Die Geschichte vom wachsamen Diener

Es gab einmal einen Samurai – ein Angehöriger der Krieger-Kaste im alten Japan – der war, wie alle Samurai, darin geschult, jederzeit das Schwert zu ziehen, um seinen Dienstherrn zu schützen und zu verteidigen. Wobei es jedesmal durchaus um Leben und Tod gehen konnte.

Der besagte Samurai hatte einen Diener, der gleichzeitig sein Lehrer in der Schwertkunst (Kendo) war. Eines Tages lud der Samurai seinen Diener ein, an einer Darbietung eines befreundeten No-Tänzers namens Kanami teilzunehmen. No, das ist eine japanische Theaterform oder Tanz, bei dem sich die Darsteller extrem langsam bewegen und in einer seltsam anmutenden Sprache sprechen. Auch in dieser Kunst ist jede Geste, jede Modulation der Stimme genau festgelegt und erfordert höchste Konzentration.

Bevor die Vorstellung begann, gab der Samurai seinem Lehrer-Diener einen geheimen Auftrag. Er sagte zu ihm: Wenn du merkst, dass es in der Darbietung meines Freundes Kanami an irgendeiner Stelle auch nur die geringsten Lücke gibt, dann musst du laut brüllen.

Kanami bewies während der ganzen Darstellung höchste Meisterschaft in seiner Kunst, als, kurz vor Ende, der Diener einen Schrei von sich gab: «Ho!»

Das Publikum war einen Moment lang schockiert, aber Kanami fuhr seelenruhig weiter und führte seine Vorführung zu einem guten Ende.

Nach der Vorstellung setzten sich der Samurai, sein Diener-Lehrer und Kanami zusammen und feierten den gelungenen Abend. Erst jetzt fragte der Samurai seinen Diener, warum er denn so laut gebrüllt habe. Der Diener antwortete, er habe bei der Szene, in der ein Brunnen auf der Bühne stand, bei Kanami eine winzige Lücke der Aufmerksamkeit bemerkt. Darauf erklärte Kanami: «Es tut mir leid, das ist tatsächlich passiert. Ich habe in jenem Brunnen ein kleines Stück Papier gesehen und da ich streng dazu erzogen wurde, keinen Abfall liegen zu lassen, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass jemand nicht gut geputzt habe.»

Sowohl Kanami als auch dem Diener entging nichts; beide waren vollkommen eins mit dem Geschehen auf der Bühne, welche in diesem Augenblick die ganze Welt bedeutete.

Übung macht den Meister

Ein gutes Feld, um diese Körper-Geist-Präsenz zu praktizieren, sind die sogenannten Kriegskünste, Karate, Aikido, Kung-Fu, Kendo usw. Wie auch im Tai Chi und Qi Gung geht es darum, höchstmögliche Harmonie von Körper und Geist zu erlangen, so dass man in jeder Situation in der Lage ist, aus der vollkommenen Entspannung heraus unmittelbar, direkt und fehlerlos zu handeln!

Es liegt auf der Hand, dass man damit nie fertig ist. Deshalb üben alle, die auf einem Gebiet Meisterschaft anstreben, ständig weiter. Sie stellen sich nie selbstzufrieden auf ein Siegerpodest.

Jeder Musiker, jeder ehrliche Künstler, alle Qi Gung-, Tai Chi-, Karate- und Kendo-Praktiker kennen dieses Prinzip: Man wiederholt X-Mal die gleiche Bewegung, wochen-, monate-, jahrelang. Im Aikido zum Beispiel, wirft man sich zu Boden, rollt über eine Schulter und steht sofort wieder auf für die nächste Rolle. Man tut es 100’000 mal. Und dann – vielleicht beim 100’001sten Mal: Oh, das war’s!!! Das ist es!

Dasselbe gilt für den Zen-Weg. Man muss das Gehörte immer wieder neu lebendig machen, indem man es in die Tat umsetzt. Alles andere ist bedeutungslos.

Es ist nicht damit getan, dass man sich sagt:» Ok, ich nehme mir vor, jeden Tag eine halbe Stunde zu sitzen», und dann sitzt man jeden Tag pünktlich von so bis dann und denkt: «Gut, jetzt habe ich meine Meditation gemacht.»

Zazen ist keine Sache von Zeit. Das, worauf es ankommt, ist die Motivation, das Verständnis und die grundlegende Geisteshaltung.

Damit sind wir bei der 3. Grundlage angelangt, die wir uns unbedingt erarbeiten müssen, wenn wir unsere Meditationspraxis auf einen soliden Boden stellen wollen. Die zwei anderen waren das Einüben der gesunden und natürlichen Atmung und der achtsamen Verbindung von Körper und Geist in allem Tun. Die 3. Grundlage heisst «Stille».

Aber was ist Stille überhaupt?

Die grosse Stille

«Stille» ist auch so ein Wort, das je nach Laune unterschiedliche Vorstellungen und Assoziationen wachruft, nicht wahr? Manchmal sucht man «Stille», manchmal flieht man sie.

Also wollen wir uns heute etwas genauer anschauen, was es mit diesem Wort auf sich hat:

Unsere Erfahrung von Stille beginnt in der Regel damit, dass man nichts hört. Das ist die Stille als Absenz von Geräuschen oder anderen Impulsen, die auf das Ohr treffen.

Dann gibt es die Stille als Absenz von Bewegung: Man sitzt, steht oder liegt still.

Diese Art von Stille ist relativ. Das heisst, sie ist ein «Nichts» im Vergleich zu «Etwas». Damit ist sie an Zeit und Raum gebunden und folglich auch vergänglich.

Viele an Zen-Meditation interessierte Menschen denken, diese beiden Arten von Stille – Geräuschlosigkeit und Bewegungslosigkeit – seien die unverzichtbaren, absoluten Faktoren, welche die ganze Meditationspraxis ausmachen. Anders gesagt: Sie halten das Verharren in Geräuschlosigkeit und Bewegungslosigkeit für Meditation schlechthin.

Doch das ist ein grosser Irrtum. Denn das, was Meditation ausmacht, ist die Erfahrung einer Stille ganz anderer Art. Nämlich einer Stille, die weder von den Ohren noch vom Körper noch von sonst einer relativen Grösse abhängt.

Diese Stille kann man nicht herstellen, nicht erzeugen, auch nicht vernichten. Denn sie existiert aus sich selbst heraus. Sie ist nicht das Gegenteil von Lärm oder Geräusch und hat nichts mit Stillstand zu tun. Sie ist absolut, allgegenwärtig und nicht beschreibbar. Weder Trauer noch Freude noch sonst eine menschliche Regung kann zu ihr vordringen. Mit anderen Worten: Diese grosse Stille ist die Urnatur aller Lebewesen und damit dasselbe, wie der Zustand der «Leere» (Skrt. Shunyata), der im Buddhismus so zentral erörtert wird.

Die Mutter aller Wahrnehmung

Diese Stille ist die Matrix oder die Mutter aller Sinneswahrnehmungen, aller Gedanken und überhaupt aller Existenz. So wie Menschenmütter nicht verschwinden, sobald ihre Kinder geboren worden sind, so verschwindet die grundlegende Stille nicht, wenn die Lebewesen, die ihr entspringen, in die Existenz treten. Diese Stille ist keine Totenstille.
Diese Stille zu erfahren und bewusst in ihr zu leben, das ist Meditation.

Noch einmal: Meditieren heisst nicht, nichts zu denken, nichts zu fühlen, nichts zu hören, nichts zu spüren, nichts zu sagen. Diese Zustände von «nichts» sind bloss momentane Blackouts. Sie haben keine Substanz und keine Dauer. Für uns Menschen gibt es keine reale Welt ohne Geräusche, ohne Bewegung oder ohne Gedanken und Empfindungen. Das Leben ist Bewegung, ist Veränderung.

Es ist also müssig und eine Zeitverschwendung, wenn man sich anstrengt oder darauf wartet, dass es um einen herum und in einem selbst «still» wird, um dann endlich «meditieren» zu können.

Im Gegenteil: Setzt euch mitten in die gegenwärtige Welt hinein; weist nichts ab, was als hörbares oder fühlbares «Geräusch» in euer Bewusstsein tritt, sei es Kindergeschrei oder Motorenlärm oder der Lärm der eigenen Gedanken und Selbstgespräche.

Setzt euch hinein, aber habt Acht: Lasst euch davon nicht «stören», an der Nase herum führen und ablenken! – Und lasst euch nicht auf Diskussionen ein mit diesen «Störenfrieden». Lasst sie in Ruhe, ignoriert sie!

Dann und nur dann ist es möglich, dass man plötzlich eine ganz andere Stille «hört». Die Stille, die nichts gegen Lärm, Gedanken und Bewegung hat, die keine Regungen des Lebens wertet oder bekämpft, sondern einfach absolut nichts damit zu tun hat.

Lebendige Stille

Meister Sokei-an lebte in New York, direkt neben den Geleisen einer Hochbahn – dem Gegenteil einer Untergrundbahn. Vor seinem Fenster rumpelten und quietschten die vorbeifahrenden Züge Tag und Nacht. Zudem wohnte im Stockwerk über ihm ein Klavier-Lehrer. Trotzdem: Wenn er Besucher empfing und mit ihnen Tee trank, sagten viele von ihnen voller Staunen: «Bei ihnen ist es sooo still!»

Und als er einmal gefragt wurde, wie er das Geklimper über ihm aushalte, antwortete er: «Ich denke einfach, dafür hätte ich ihn bezahlt.» (Gelächter)

Das ist die «lebendige» Stille, von der Sokei-an so oft sprach und die er ohne Worte direkt übermittelte. Er riet zum Beispiel seiner Schülerschaft, «mit grossen Ohren» zu sitzen und alle Geräusche – innen und aussen – gleichzeitig wahrzunehmen. Gleichzeitig bedeutet hier, ohne ein einzelnes zu bevorzugen oder abzulehnen.

So verstandene Meditation bedeutet: Sich vollkommen der grenzenlosen Stille zu öffnen, die das ganze Universum erfüllt und alles, was darin «kreucht und fleucht» durchzieht. Es gibt nichts, rein gar nichts, seien es Geräusche, Gefühle oder Gedanken, das darin keinen Platz findet. Es gibt aber auch nichts, rein gar nichts darin, das einen dauerhaften, konkreten Bestand hat. Nur die Stille hat kein Ende und keine Grenzen. Deshalb wird sie auch «Urnatur» genannt. Ja, diese Stille ist unsere Urnatur.

Natürlich ist es unmöglich, sie zu «hören», wenn man dauernd mit den eigenen Gedanken redet oder zerstreut im Lärm der Menschenwelt umherirrt auf der Suche nach Stille. Deshalb und nur deshalb beginnt die Sitzmeditation beim Schweigen, Stillsitzen und Innehalten: Man muss selber still sein, um Stille zu erfahren. Das ist das Wesen der Selbsterkenntnis durch Meditation.Sokei-an sagte:

Rechte Meditation bedeutet, den Geist sammeln, alle mentalen Aktivitäten zur Ruhe bringen und eintauchen in die lebendige Stille jenseits aller Tätigkeiten. Diese Stille ist die unendliche Quelle aller geistigen Nahrung.

Lasst uns keine Zeit mehr verschwenden, entdecken wir den wahre Schatz der Zen-Meditation!

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