Zen-Lehre von Huang Po
Hörbuch – 1, 2, 3, 4
BERICHT DES CHÜN CHOU ÜBER DEN ZENMEISTER HUANG PO (TUAN CHI)
Erster Teil
Eine Sammlung von Reden und Dialogen, berichtet von P’ei Hsiu während seines Aufenthaltes in der Stadt Chün Chou
Inhalt
- Teil 1: Zen-Lehre von Huang Po
- Teil 2: Zen-Lehre von Huang Po
- Teil 3: Zen-Lehre von Huang Po
- Teil 4: Zen-Lehre von Huang Po
Teil 1: Zen-Lehre von Huang Po
Huang Po Hörbücher Transkript.
1. Der Meister sagte zu mir: Alle Buddhas und alle lebenden Wesen sind nichts anderes als der Eine Geist, neben dem nichts anderes existiert. Dieser Geist, der ohne Anfang ist, ist ungeboren und unzerstörbar. Er ist weder grün noch gelb, hat weder Form noch Erscheinung. Er gehört nicht zu den Kategorien von Dingen, die existieren oder nicht existieren. Auch kann man nicht in Ausdrücken — wie alt oder neu — von ihm denken. Er ist weder lang noch kurz, weder groß noch klein, denn er überschreitet alle Grenzen, Maße, Namen, Zeichen und Vergleiche, Du siehst ihn vor dir, doch sobald du über ihn nachdenkst, verfällst du dem Irrtum. Er gleicht der unbegrenzten Leere, die weder zu ergründen noch zu bemessen ist.
Der Eine Geist allein ist Buddha, und es gibt keine Unterscheidung zwischen Buddha und den Lebewesen, nur, daß diese an Formen gebunden sind und im Außen die Buddhaschaft suchen. Durch eben dieses Suchen aber verlieren sie sie. Denn sie benutzen Buddha, um Buddha zu suchen und benutzen den Geist, um den Geist zu erfassen.
Selbst wenn sie ein Äon lang ihr äußerstes leisten würden, sie könnten ihn doch nicht erreichen. Sie wissen nicht, daß ihnen in dem Augenblick, in dem sie das begriffliche Denken aufgeben und ihre Unruhe vergessen, Buddha erscheinen wird; denn dieser Geist ist Buddha, und Buddha ist alle Lebewesen. Er ist nicht kleiner, wenn er sich in gewöhnlichen Dingen, noch größer, wenn er sich als Buddha manifestiert.
(Pause)
2. Da ihr im Grunde in jeder Hinsicht vollkommen seid, solltet ihr nicht durch Vollbringen der sechs paramitas, oder einer Anzahl ähnlicher nutzloser Übungen, noch durch Sammeln von Verdiensten -und wären diese auch zahllos wie der Sand des Ganges – versuchen, diese Vollkommenheit zu ergänzen. Wenn Gelegenheit für Übungen vorhanden ist, führt diese aus; wenn die Gelegenheit vorüber ist, gebt Ruhe. Wenn ihr nicht vollkommen überzeugt seid, daß der Geist Buddha ist, sondern noch an Formen, Übungen und verdienstvollen Taten hängt, ist eure Art zu denken falsch und völlig unvereinbar mit dem Weg. Der Geist ist Buddha. Es gibt keine anderen Buddhas, oder irgend einen anderen Geist.
Er ist herrlich und fleckenlos wie die Leere und hat überhaupt keine Form noch Erscheinung. Den Geist für begriffliches Denken zu benutzen, bedeutet die Substanz lassen und sich an Formen binden. Der Ewig Seiende Buddha hat keine Gestalt und ist kein Gegenstand der Bindung. Die Übung der sechs paramitas und Myriaden ähnlicher Übungen, die dazu führen solen, ein Buddha zu werden, bedeutet ein stufenweises Voranschreiten. Der Ewig Seiende Buddha aber ist kein Buddha der Stufen. Das Erwachen zum Einen Geist schließt jedes andere Ziel aus. Dies ist der wirkliche Buddha. Der Buddha und alle lebenden Wesen sind der Eine Geist und nichts anderes.
(Pause)
3. Der Geist gleicht der Leere, in der es keine Verwirrung und kein Böses gibt, wenn die Sonne sie durchkreist und in die vier Ecken der Welt hineinscheint. Denn wenn die Sonne aufsteigt und die ganze Welt erleuchtet, nimmt die Leere nicht an Glanz zu, und wenn sie niedergeht, wird die Leere nicht dunkler. Die Erscheinungen von Licht und Dunkel wechseln ab, die Natur der Leere aber bleibt unverändert. Das gleiche gilt für den Geist des Buddha und der Lebewesen.
Wenn du Buddha für eine reine, strahlende oder erleuchtete Erscheinung hältst, die Lebewesen aber für faule, dunkle oder totenähnliche Gestalten, so werden dich diese Vorstellungen, die aus deinem Haften an Formen entstammen, von der höchsten Erkenntnis fernhalten, auch dann noch, wenn du so viele Äonen durchschritten hast, wie es Sand am Ganges gibt.
Es existiert nur der Eine Geist und kein Teilchen von irgend etwas anderem, an das man sich klammem könnte. Denn dieser Geist ist Buddha. Wenn ihr Schüler auf dem Weg nicht zu dieser Geistsubstanz erwacht, werdet ihr den Geist mit begrifflichen Gedanken überlagern, den Buddha außerhalb von euch selbst suchen und gebunden bleiben an Formen, fromme Übungen und anderes, was schädlich und keineswegs der Weg zur höchsten Erkenntnis ist.
(Pause)
4. Alle Opfer, die den Buddhas des Weltalls gebracht würden, glichen nicht jenem Opfer, das dem Einen gebracht wird, der dem Weg folgt und das begriffliche Denken aufgegeben hat. Warum? Weil dieser keinerlei Begriffe mehr formt. Die Substanz des Absoluten gleicht im Inneren einem Holz oder Stein. In diesem Innern ist sie unbewegt. Äußerlich gleicht sie der Leere ohne Grenzen und Hemmungen. Sie ist weder objektiv noch subjektiv, hat keine bestimmte Lage, ist ohne Form und kann nicht vergehen.
Wer dorthin eilt, wagt nicht, in sie einzugehen, da er Angst hat, in die Leere herabgeschleudert zu werden, ohne sich an etwas klammern zu können oder vorm Fallen bewahrt zu werden. So starren sie auf den Abgrund und ziehen sich zurück. Dies bezieht sich auf alle, die solches Ziel durch Überlegung zu erreichen suchen. Es sind dies die Vielen, während nur wenige die intuitive Erkenntnis des Weges erlangen.
(Pause)
6. Dieser Geist ist nicht an begriffliches Denken gebunden und völlig frei von jeder Form. So unterscheiden sich Buddhas und Lebewesen in keinerlei Weise. Könntet ihr euch nur freimachen von begrifflichem Denken, dann hättet ihr alles erreicht. Aber wenn ihr Schüler auf dem Weg euch nicht blitzartig von dem begrifflichen Denken löst, werdet ihr niemals Vollkommenheit erlangen, auch wenn ihr von Äon zu Äon danach strebt. Versunken in den verdienstvollen Übungen der Drei Fahrzeuge werdet ihr niemals imstande sein, Erleuchtung zu erlangen. Die innere Erfahrung des Geistes aber kann nach einer kürzeren oder längeren Periode eintreten.
Es gibt solche, die nach dem Vernehmen dieser Lehre in einem Aufleuchten sich von dem begrifflichen Denken befreien, andere/ nachdem sie den Zehn Glaubensformeln, den Zehn Stufen, den Zehn Tätigkeiten und den Zehn Verdienstbringenden Gaben gefolgt sind, andere erlangen Befreiung, nachdem sie die Zehn Stufen einer Bodhisattva-Entwicklung durchquert haben. Aber ob sie das begriffliche Denken auf einem längeren oder kürzeren Weg beschreiten, das Ergebnis ist ein Zustand des Seins.
Es gibt keine fromme Übung oder Handlung, die zu innerer Erfahrung führt. Daß es nichts gibt, was zu erreichen wäre, ist keine leere Rede. Es ist die Wahrheit. Auch wird die Vollendung die gleiche sein, ob du dein Ziel in einem einzigen blitzartigen Gedanken oder nach Durchschreiten der Zehn Stufen der Bodhisattva-Entwicklung erreichst. Da dieser Zustand des Seins keine Grade kennt, bedeutet die andere Methode nur Äonen unnötiger Leiden und Mühen.
(Pause)
7. Das Bewirken des Guten wie des Bösen schließt Haften an Erscheinungsformen ein. Wer an Formen gebunden Böses tut, muß unnötigerweise vielfältige Wiedergeburten durchlaufen, während jene an Formen Gebundenen, die Gutes tun, sich gleicherweise nutzlos Mühen und Entsagungen unterwerfen. In beiden Fällen ist es besser, plötzliche Selbstverwirklichung zu erlangen und den grundlegenden Dharma zu erfassen. Dieses ist der Geist. Jenseits von ihm besteht kein Dharma. Dieser Geist ist der Dharma. Jenseits von diesem besteht kein Geist. Geist an sich ist kein Geist, ebenso wenig ist er Nicht-Geist.
Die Aussage, der Geist sei Nicht-Geist, setzt etwas Existierendes voraus. Mögen wir in schweigendem Verstehen verharren — weiter nichts. Fort mit allem Denken und Erklären. Dann ist der Weg der Worte abgeschnitten, die Bewegungen des Geistes sind ausgeschaltet. Dieser Geist ist reine Buddha-Quelle, die allen Menschen innewohnt. Alle sich bewegenden Wesen, die vom Leben durchpulst sind, alle Buddhas und Bodhisattvas bestehen aus dieser einen Substanz und unterscheiden sich nicht voneinander. Verschiedenheiten entstehen nur durch falsches Denken und bewirken vielfältiges Karma.
(Pause)
8. Unsere ursprüngliche Buddha-Natur ist in Wahrheit ohne das geringste Teilchen von Gegenständlichkeit. Sie ist leer, allgegenwärtig, schweigsam, rein. Sie ist herrlich und geheimnisvoll friedliche Freude — nichts anderes. Dring tief in sie ein, indem du selbst zu ihr erwachst. Sie liegt vor dir in all ihrer Fülle und Vollkommenheit. Es gibt nichts neben ihr, auch wenn du alle Stufen der Bodhisattva-Entwicklung — eine nach der anderen — zur Buddhaschaft hin durchschreitest. Wenn du endlich in einem ein zigen blitzhaften Aufleuchten die vollkommene Verwirklichung erreichst, wirst du nur die Buddha-Natur erfahren, die alle Zeit bei dir war. Auf allen vorangegangenen Stufen wirst du ihr nichts hinzugefügt haben.
Diese Äonen des Erarbeiteten und Bewirkten werden dir dann wie unwirkliche Traum-Handlungen erscheinen. Darum sagt der Tathagata: “Ich habe wahrlich nichts von der vollkommenen unübertroffenen Erleuchtung empfangen.” Wäre irgend etwas zu erreichen gewesen, hätte Dipamkara Buddha über mich nicht die prophetischen Worte der Buddhaschaft gesprochen. Auch solches sprach er: “Dieser Dharma ist völlig ohne jede Unterscheidung, weder hoch noch niedrig. Sein Name ist Bodhi.” Es ist reiner Geist, die Quelle von allem. Mag er als ein Lebewesen oder als Buddha, unter der Gestalt von Flüssen und Bergen, in der Welt oder ohne Form, erscheinen, mag er das ganze Weltall durchdringen — er ist vollkommen unterschiedslos. Denn es gibt kein Selbst und kein Anderes.
(Pause)
9. Dieser reine Geist, die Quelle von allem, scheint für immer und auf alle mit dem Glanz seiner eigenen Vollendung. Aber die Menschen in der Welt werden sich dessen nicht bewußt, da sie nur für Geist halten, was sieht, hört, fühlt und weiß. Durch ihr eigenes Sehen, Hören, Fühlen und Wissen geblendet, erkennen sie nicht die geistige Herrlichkeit der Quellsubstanz. Doch würden sie endlich alles begriffliche Denken in einem Aufleuchten ausschalten, dann würde sich diese Quellsubstanz manifestieren, wie die Sonne, die in der Leere aufsteigt und das ganze Weltall ohne Hindernis oder Schranken erleuchtet. Wenn ihr Schüler des Weges durch Sehen, Hören, Fühlen und Erkennen Fortschritte zu erreichen sucht, der Wahrnehmungen aber entbehrt, dann werdet ihr nirgends Eintritt finden.
Ihr müßt gewahr bleiben, daß der reine Geist, auch wenn er sich in diesen Wahrnehmungen ausdrückt, weder Teil von ihnen, noch von ihnen getrennt ist. Ihr dürft aus diesen Wahrnehmungen keine Schlüsse ziehen, noch begriffliche Gedanken entstehen lassen. Aber ebensowenig solltet ihr den Einen Geist außerhalb dieser Wahrnehmungen suchen, oder sie auf eurer Suche nach dem Dharma aufgeben. Behaltet sie nicht, gebt sie auch nicht auf, wohnt nicht in ihnen und haftet nicht an ihnen. Über, unter und um euch ist alles unmittelbares Sein. Nirgends ist etwas außerhalb des Buddha-Geistes.
(Pause)
11. Schüler des Weges sollten überzeugt sein, daß die vier Elemente, die den Körper aufbauen, nicht das “Selbst” sind und dieses eine Einheit bildet, folglich auch weder der Körper noch die fünf Faktoren, die den Geist ausmachen — im gewöhnlichen Sinn — ein “Selbst” oder eine Einheit sind. Hieraus folgt, daß auch der (sogenannte individuelle) Geist weder “Selbst” noch eine Einheit ist. Die sechs Sinnesorgane (einschließlich des Gehirns), die zusammen mit ihren sechs typischen Arten von Wahrnehmungen und ihren sechs Arten von Gegenständen der Wahrnehmung die Welt der Sinne ausmachen, müssen in gleicher Weise verstanden werden. Diese achtzehn Aspekte der Sinne sind gesondert wie zusammen leer. Es gibt nur die Geist-Quelle, die in ihrem Umfang unbegrenzt und von vollkommener Reinheit ist.
(Pause)
13. … Plötzlich aber der Tatsache bewußt werden, daß dein eigener Geist der Buddha ist und nichts zu erreichen, keine einzige Handlung zu vollbringen ist, das ist der höchste Weg. Dies ist wirklich einem Buddha gleich sein. Die einzige Befürchtung besteht nur darin, daß ihr Schüler auf dem Weg durch Aufkommen eines einzigen Gedankens eine Schranke zwischen euch und dem Weg errichtet. Vom Aufkommen eines Gedankens zum Aufkommen eines nächsten hin, darf keine Form, keine Tätigkeit entstehen, — das ist Buddha-Sein. Wenn ihr Schüler des Weges Buddha werden wollt, braucht ihr keinerlei Lehre zu studieren, ihr müßt nur lernen, wie ihr es vermeidet, nach etwas zu suchen und euch an irgend etwas zu binden.
Wo nichts gesucht wird, ist der Geist ungeboren. Wo keinerlei Gebundenheit besteht, ist der Geist unzerstörbar. Was weder geboren ist noch zerstört wird, ist Buddha. Die 84 Tausend Methoden, die den 84 Tausend Formen der Täuschung gegenüberstehen, sind nur Sprechweisen, um die Menschen zum Tor hinzuziehen. In Wirklichkeit hat keine von ihnen wahren Bestand. Alles Aufgeben ist Dharma. Wer dies versteht, ist ein Buddha. Das Aufgeben aller Täuschungen aber läßt keinen Dharma zurück, auf den man sich stützen kann.
(Pause)
Teil 2: Zen-Lehre von Huang Po
14. Wenn ihr Schüler des Weges dieses Geheimnis erkennen wollt, dann vermeidet die Bindung an irgend etwas jenseits des Geistes. Sagt man, der wirkliche Dharmakaya des Buddha ähnelt der Leere, so ist dies nur ein anderer Ausdruck für die Feststellung, daß Dharmakaya die Leere und daß die Leere Dharmakaya ist. Oft wird behauptet, Dharmakaya sei in der Leere und die Leere enthalte Dharmakaya, während beide ein und dasselbe sind. Beschreibst du aber die Leere als etwas Existierendes, dann ist sie nicht Dharmakaya, und beschreibst du Dharmakaya als etwas das existiert, dann ist dies nicht die Leere.
Siehst du dagegen von jedem objektiven Begriff der Leere ab, dann ist sie Dharmakaya, und wenn du jeden objektiven Begriff des Dharmakaya ausschaltest— dann eben ist er die Leere. Sie unterscheiden sich nicht voneinander, auch gibt es keinen Unterschied zwischen Lebewesen und Buddhas, zwischen Samsara und Nirvana, oder zwischen Täuschung und Bodhi. Wenn alle diese Formen aufgegeben sind, dann ist Buddha da. Gewöhnliche Menschen blicken auf ihre Umgebung, während Schüler des Weges auf den Geist blicken.
(Pause)
Der wahre Dharma aber ist daß man beides vergißt. Ersteres ist leicht genug, das Zweite sehr schwer. Die Menschen haben Angst, ihr geistiges Bewußtsein auszuschalten , denn sie fürchten, haltlos in die Leere zu fallen. Sie wissen nicht, daß die Leere nicht wirkliche Leere ist, sondern der Bereich des wirklichen Dharma.
Diese geistig erleuchtende Natur ist anfangslos und so zeitlos wie die Leere, weder Geburt noch Zerstörung unterworfen, nicht existierend, aber ebenso wenig nicht existent, nicht unrein, noch rein, nicht geschwätzig noch schweigend, weder alt noch jung. Sie nimmt keinen Raum ein und hat weder Innen noch Außen, weder Gestalt noch Erscheinung, weder Farbe noch Ton. Man kann sie nicht sehen noch suchen, nicht mit Weisheit oder Erkenntnis verstehen, nicht mit Worten erklären, nicht materiell erfassen oder durch verdienstvolle Handlungen erreichen.
Alle Buddhas und Bodhisattvas, gemeinsam mit allen sich bewegenden, vom Leben durchpulsten Dingen, haben Anteil an dieser großen Nirvana-Natur, die Geist ist. Geist aber ist Buddha, und Buddha ist Dharma. Jeder Gedanke außerhalb dieser Wahrheit ist vollkommen falsch. Du kannst nicht den Geist benutzen, um Geist zu suchen, nicht Buddha benutzen, um Buddha zu suchen, oder den Dharma, um diesen zu suchen. So solltet ihr Schüler des Weges sofort das begriffliche Denken lassen.
Schweigendes Verständnis sei alles! Jeder Denkvorgang muß zu Irrtum führen. Es besteht nichts — und das ist das allein Ausschlaggebende — als die Vermittlung des Geistes durch den Geist. Sei sorgfältig bemüht, nicht nach außen auf die materielle Umwelt zu blicken. Diese mit dem Geist zu verwechseln, hieße einen Dieb für den eigenen Sohn halten.
(Pause)
17. Gewöhnlich sind die Menschen dem begrifflichen Denken verfallen, das auf den Erscheinungen der Umwelt beruht. Daher stammen ihre Begierden und ihr Haß. Um die Erscheinungen, die euch umgeben, loszuwerden, müßt ihr dem begrifflichen Denken ein Ende setzen. Hört dieses auf, so sind die Erscheinungen der Umwelt leer. Sind diese leer, hört das Denken auf. Aber wenn ihr versucht, die Umwelt auszuschalten, bevor ihr das begriffliche Denken aufgegeben habt, werdet ihr keinen Erfolg haben, vielmehr ihre Macht stärken, die euch zerstört. Wenn also alle Dinge nichts sind außer Geist, unzerstörbarer Geist, was hofft ihr dann zu erreichen?
Die Schüler des Prajna glauben, daß überhaupt nichts greifbar ist. Darum hören sie auf, an die Drei Fahrzeuge zu denken. Es gibt nur die eine Wirklichkeit, die nicht zu erfahren und nicht zu erlangen ist. Hochmütig, wer von sich sagt, er sei fähig, etwas zu erfassen oder etwas zu erlangen. Darum sagt Buddha: “Ich habe in Wahrheit nichts von der Erleuchtung empfangen.” Es gibt eben nur ein geheimnisvoll schweigendes Verstehen und nichts anderes.
(Pause)
18. Könnte der gewöhnliche Mensch, wenn er im Sterben liegt, die fünf Elemente des Bewußtseins in ihrer Leere sehen und ganz erfassen, daß die vier physischen Elemente nicht ein “Ich” bilden, der wahre Geist ohne Form ist und weder kommt noch geht— daß seine Natur weder mit der Geburt beginnt noch mit dem Tod vergeht, sondern ganzheitlich und unbeweglich in ihren Tiefen ist, und daß der Geist eins ist mit den Erscheinungen der Umwelt, dann würde er blitzartig Erleuchtung erlangen. Er würde nicht mehr in der Dreifachen Welt verstrickt sein. Er würde die Welt übersteigen und nicht mehr die geringste Neigung zur Wiedergeburt besitzen.
Würde er den herrlichen Anblick aller Buddhas wahrnehmen, die, von prächtigsten Manifestationen umgeben, zu seiner Begrüßung erscheinen, so würde er doch nicht den Wunsch haben, sich ihnen zu nahen. Würde er alle Arten schrecklicher Gestalten um sich gewahren, so würde er doch keinen Schrecken empfinden. Er würde einfach er selbst sein, ohne jeden begrifflichen Gedanken und eins sein mit dem Absoluten. Er hätte den Zustand des unbewußten Seins erlangt. Dies ist der grundlegende Ursprung.
(Pause)
23. Der Geist der Bodhisattvas gleicht der Leere, in der nichts besteht. Wenn Gedanken aus der Vergangenheit nicht festgehalten werden, bedeutet dies Aufgabe der Vergangenheit. Wenn Gedanken der Gegenwart nicht festgehalten werden können, ist dies Verzicht auf die Gegenwart. Werden Gedanken der Zukunft nicht festgehalten, bedeutet das Verzicht auf die Zukunft. Dies ist der äußerste Verzicht auf die Dreifache Zeit. Nachdem Tathagata Kasyapa bis zu unseren Tagen mit dem Dharma betraute, wurde der Geist durch den Geist übertragen; es war immer der gleiche Geist. Die Übertragung der Leere kann nicht durch Worte geschehen.
Eine Übermittlung durch Worte kann nicht Dharma sein. Geist wird durch Geist übertragen, und zwischen ihnen besteht keine Unterscheidung. Übermittlung und Empfang des Übertragenen sind eine schwer verständliche Art geheimnisvoller Verständigung, sodaß tatsächlich nur wenige sie empfangen konnten. In Wahrheit: Geist ist nicht Geist und die Übermittlung nicht wirklich Übermittlung.
(Pause)
25. Der Ausdruck Einheit bezieht sich auf die gleiche geistige Herrlichkeit, die sich in sechs harmonisch zusammengefaßte “Elemente” teilt. Die gleichartige geistige Herrlichkeit ist der Eine Geist, während die sechs harmonisch zusammengerügten “Elemente” die sechs Sinnesorgane sind. Diese stehen in enger Verbindung mit Gegenständen, die sie beflecken: die Augen mit der Erscheinung, das Ohr mit dem Ton, die Nase mit dem Geruch, die Zunge mit dem Geschmack, der Körper mit der Berührung, der Verstand mit Wesenheiten. Zwischen diesen Organen und ihren Gegenständen stehen die sechs Sinneswahrnehmungen. So gibt es zusammengenommen achtzehn Sinnesbereiche.
Begreifst du, daß diese achtzehn Bereiche keine objektive Existenz besitzen, dann verbindest du die sechs harmonisch zusammengefügten “Elemente” zu einer einzigen geistigen Herrlichkeit, die der Eine Geist ist. Alle Schüler des Weges wissen dieses, können aber nicht ablassen, Begriffe über “einen einzigen geistigen Glanz” und über die “sechs harmonisch zusammengefügten Elemente” zu bilden. So hängen sie an Wesenheiten und erreichen das schweigende Verständnis des ursprünglichen Geistes nicht.
(Pause)
29. Niemals hat unsere Zenlehre, seit sie zuerst übermittelt wurde, gelehrt, daß die Menschen etwas lernen oder Begriffe bilden sollten. “Den Weg erforschen” ist nur eine Redensart. Es ist ein Mittel, um auf frühen Entwicklungsstufen das Interesse der Menschen zu wecken. Tatsächlich ist der Weg nichts, das gelernt werden kann. Lernen führt zum Festhaken von Begriffen, und dies ist ein völliges Mißverständnis des Weges. Überdies ist der Weg nicht etwas, das besondere Existenz besitzt. Er heißt der Mahayana-Geist, der Geist, der nicht im Inneren, Außen oder in der Mitte zu finden ist.
In Wahrheit hat er nirgends einen Ort. Der erste Schritt ist das Fernhalten auf Wissen gegründeter Begriffe. Dies bedeutet, daß du, selbst wenn du dem Weg der empirischen Methode bis zum äußersten Ende folgen würdest, auch dort noch immer nicht imstande wärst, den Geist festzulegen. Der Weg ist geistige Wahrheit, ursprünglich ohne Namen und Bezeichnung. Nur weil die Menschen in ihrer Unwissenheit auf empirische Weise nach ihm suchten, erschien Buddha und lehrte sie, diese Methode der Annäherung aufzugeben. In der Befürchtung, daß niemand dies verstehen würde, wurde die Bezeichnung “Weg” gewährt.
Diese aber darf euch nicht zum gedanklichen Begriff eines Weges führen. So heißt es: “Wenn der Fisch gefangen ist, beobachten wir die Falle nicht mehr.” Wenn Körper und Geist Unmittelbarkeit erreicht haben, ist der Weg gefunden und der Geist erfaßt. Sramana wird genannt, wer in die ursprüngliche Quelle aller Dinge eingedrungen ist. Die Frucht der Sramana-Stufe ist das Ende aller Angst. Sie wird nicht durch Bücherwissen erlangt.
(Pause)
30. Wenn ihr eure Gedanken jetzt darauf richtet, den Geist zu suchen, indem ihr den Lehren anderer zuhört und dieses Ziel allein durch Lernen zu erreichen hofft, wann werdet ihr dann jemals Erfolg haben? Einige unter den Alten hatten einen scharfen Verstand. Sobald sie die Lehre hörten, waren sie auch schon dabei, alles Lernen auszuschalten. So wurden sie “die Weisen” genannt, “die durch Aufgeben des Lernens zum Verweilen im Unmittelbaren gelangten”. In unseren Tagen suchen die Menschen nur, wie sie sich vollstopfen können mit Wissen und Schlußfolgerungen und verlangen überall nach Buchwissen. Dies nennen sie “Dharma-Übung”.
Sie wissen nicht, daß so viel Wissen und Schlußfolgerungen genau den entgegengesetzten Erfolg haben und Hindernisse aufrichten. Wenn du nur Wissensmengen anhäufst, gleichst du einem Kind, das durch zu viel Essen von Süßigkeiten Verdauungsstörungen bekommt. Alle, die den Weg entsprechend den Drei Fahrzeugen lernen, gleichen solchen Kindern. Man könnte sie Menschen nennen, die unter Verdauungsstörungen leiden. Werden sogenanntes Wissen und Schlußfolgerungen nicht verdaut, dann werden sie zu Giften denn sie gehören nur zur Ebene des Samsara.
Im Absoluten gibt es nichts dergleichen. Darum heißt es: “In der Waffenkammer meines Herrn gibt es kein Schwert der Soheit”. Alle Begriffe, die du in der Vergangenheit gebildet hast, müssen ausgerissen und durch die Leere ersetzt werden. Wo der Dualismus aufhört, dort ist die Leere des Schoßes der Tathagatas. Der Ausdruck: “Schoß der Tathagatas” besagt, daß dort nicht die leiseste Haaresbreite von irgend etwas existieren kann.
(Pause)
In der Lehre der Drei Fahrzeuge wird deutlich erklärt, daß der gewöhnliche wie der erleuchtete Geist Täuschung sind. Alles solches Haften am Gedanken von der Existenz der Dinge ist ein Verwechseln der Leere mit der Wahrheit. Wie sollten solche Begriffe nicht Täuschung sein? Da sie dies sind, verstecken sie den Geist vor dir. Würdet ihr euch nur von Begriffen wie “gewöhnlich” und “erleuchtet” frei machen, dann würdet ihr sehen, daß es keinen anderen Buddha als jenen in eurem eigenen Geist gibt. Als Bodhidharma aus dem Westen kam, wies er nur darauf hin, daß die Substanz, aus der alle Menschen gebildet sind, Buddha ist.
Ihr haftet an Begriffen wie “gewöhnlich” und “erleuchtet”, indem ihr eure Gedanken nach außen richtet, wo sie wie Pferde herumspringen. Dies alles führt zur Verdunklung eures Geistes. Darum sage ich euch, daß der Geist Buddha ist. Sobald Gedanken oder Gefühle aufsteigen, verfallt ihr dem Dualismus. Anfangslose Zeit und der gegenwärtige Augenblick sind das gleiche. Es gibt nicht dieses oder jenes. Diese Wahrheit verstehen, ist die vollkommene und unübertreffliche Erleuchtung.
(Pause)
32. Bodhidharma aber sprach: Wenn die Natur des Geistes verstanden ist, Erfaßt sie nicht mehr Menschenwort. Erleuchtung ist nicht zu erlangen, Und wer sie findet, sagt nicht: sie ist dort.
33. Der Besitz vieler Arten von Kenntnissen kann nicht mit dem Aufgeben der Suche nach irgend etwas verglichen werden. Das ist das beste aller Dinge. Es gibt nicht verschiedene Arten von Geist, und es gibt keine Lehre, die in Worte gefaßt werden kann.
(Pause)
34. Vollkommen ohne Begriffe sein, ist die Weisheit des Nichthaftens. Bleibe jeden Tag, im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen, und in allen deinen Reden ungebunden von allen Dingen im Bereich der Erscheinungen. Ob du redest, oder nur mit den Augen blinzelst, tue dies mit völliger Ungebundenheit. Die meisten Schüler des Zen hängen noch an aller Art von Tönen und Formen. Warum ahmen sie mir nicht nach, indem sie jeden Gedanken gehen lassen, als wäre er nichts oder als wäre er ein Stück faules Holz, ein Stein, oder die kalte Asche eines ausgegangenen Feuers?
Oder warum geben sie nicht die schlichte Antwort, die gerade die Umstände verlangen? Wenn du nicht so handelst, dann wirst du am Ende deiner Tage hier von Yama gepeinigt werden. Du mußt dich freimachen von den Lehren der Existenz und Nicht-Existenz. Denn der Geist ist wie die Sonne, die für immer in der Leere unmittelbar und absichtslos scheint. Dies ist nicht ohne Anstrengung möglich, aber wenn du den Punkt erreicht hast, an dem du überhaupt an nichts mehr haftest, dann wirst du den Buddhas gleich handeln, entsprechend den Worten: “entfalte ein Denken, das an gar nichts hängte.”
(Satz in der deutschen Fassung nicht gefunden.: “for this is your pure dharmakaya, which is called supreme perfect enlightenment)
Ihr versteht nicht, daß die grundlegende Lehre des Dharma ist, daß es keine Dharmas gibt, dennoch diese Lehre des Nicht-Dharmas in sich selbst ein Dharma ist. Jetzt aber, nachdem die Lehre des Nicht-Dharma übertragen worden ist, wie kann die Lehre des Dharma ein Dharma sein?
(Pause)
Wer die Bedeutung dieses Ausspruches versteht, verdient Mönch genannt zu werden, ein Meister der “Dharma-Übung”. Wenn du solches nicht verstehst, mußt du die folgende Geschichte erklären: Der ältere Wei Ming kletterte auf den Gipfel des Ta Yü Berges, um den Sechsten Patriarchen zu besuchen, dieser fragte ihn, warum er gekommen sei. Um des Kleides oder um des Dharma willen? Der ältere Wei Ming antwortete, er sei nicht des Kleides wegen gekommen, sondern nur um des Dharma willen. Darauf sprach der Sechste Patriarch: “Vielleicht magst du deine Gedanken einen Augenblick konzentrieren und nicht in Begriffen von Gut und Böse denken.”
(Pause)
Ming tat wie ihm geheißen, und der Sechste Patriarch fuhr fort: “Eben in dem Augenblick, in dem du nicht Gutes und nicht Böses denkst, kehre zu dem zurück, was du warst, ehe dein Vater und deine Mutter geboren wurden.” Bei diesen Worten ge langte Ming zu einem plötzlichen schweigenden Verstehen. Er verneigte sich bis zur Erde und sprach: “Ich bin wie ein Mensch, der Wasser trinkt und in sich selbst erfährt, wie kalt es ist.
Dreißig Jahre habe ich bei dem Fünften Patriarchen und seinen Schülern gelebt, aber erst heute bin ich fähig, die Fehler meines früheren Denkens zu verbannen.” Der Sechste Patriarch antwortete: “Genau das. Nun verstehst du endlich warum der Erste Patriarch, als er aus Indien kam, unmittelbar auf den Geist der Menschen deutete, durch den sie ihre wirkliche Natur zu erfassen vermochten und zu Buddhas wurden. Warum er niemals etwas anderes sagte.
Wissen wir nicht, daß Kasyapa, als er von Ananda gefragt wurde, was der von aller Welt Verehrte mit dem goldenen Kleid zusammen übermittelt habe, ausrief: “Ananda!” Und als Ananda ehrfurchtsvoll antwortete, fuhr er fort: “Wirf die Fahnenstange am Eingang des Klosters zu Boden.” Dies war das Zeichen, das der Erste (indische) Patriarch ihm gab. Dreißig Jahre lang hatte Ananda dem Buddha persönlich gedient. Da er aber zu sehr auf das Ansammeln von Erkenntnissen bedacht war, tadelte ihn Buddha: “Wenn du auch tausende von Tagen Erkenntnis suchst, so wird dir dies weniger nützen, als wenn du einen Tag lang den Weg richtig erforschst. Erkennst du ihn nicht, wirst du nicht imstande sein, auch nur einen einzigen Tropfen Wasser zu verdauen.”
Teil 3: Zen-Lehre von Huang Po
1. Einst fragte ich den Meister: Wieviele der vier- bis fünfhundert Menschen die auf diesem Berg versammelt sind haben die Lehre Euer Ehrwürden ganz verstanden? Der Meister antwortete: Ihre Zahl ist nicht zu kennen. Warum nicht? Weil meine Lehre Erwecken des Geistes ist. Wie kann dieses durch Worte vermittelt werden? Worte haben nur ein wenig Erfolg wenn sie in die ungelehrten Ohren von Kindern fallen.
(Pause)
2. F: Was ist Buddha?
A: Buddha ist Geist. Der Weg ist das Aufhören des begrifflichen Denkens. Wenn du nicht mehr Begriffe und Gedanken aufkommen läßt wie Existenz und Nicht-Existenz, lang und kurz, Anderheit und Selbstheit, aktiv und passiv und ähnliches, dann wirst du finden, daß dein Geist im eigentlichen Sinn Buddha, daß Buddha im eigentlichen Sinn Geist ist und daß der Geist der Leere ähnlich ist. Darum steht geschrieben, daß „der wahre Dharmakaya der Leere ähnelt“.
Suche nichts außer diesem, damit deine Suche nicht in Leiden endet. Wenn du auch die sechs Paramitas so viele Äonen lang übst, wie es Sandkörner am Ganges gibt, und noch andere Arten von Tätigkeit zur Erlangung der Erleuchtung hinzufügst, so wirst du das Ziel doch nicht erreichen! Warum nicht? Weil dies Karma bewirkende Tätigkeiten sind und du, wenn das gute Karma, das sie schaffen, erschöpft ist, wiedergeboren wirst in der vergänglichen Welt. Darum steht auch geschrieben: Der Samboghakaya ist nicht ein wirklicher Buddha, noch ein wirklicher Lehrer des Dharma. Nur wenn du die Natur deines eigenen Geistes kennen lernst, in der es kein Selbst und kein Anderes gibt, wirst du tatsächlich ein Buddha sein.
(Pause)
3. F: Zugegeben, daß der Erleuchtete, der das Anhalten des begrifflichen Denkens erreicht hat, Buddha ist, gerät dann nicht der Unwissende, der mit dem begrifflichen Denken aufhört, in Vergessenheit ?
A: Es gibt keine Erleuchteten und keine Unwissenden, und es gibt kein Vergessen. Wenn auch im Grunde die Dinge ohne objektive Existenz sind, so darfst du doch nicht denken, sie seien nicht-existent, und wenn sie nicht ohne Existenz sind, darfst du sie nicht als existierend denken. „Existenz“ und „Nicht-Existenz“ sind empirische Begriffe und nichts anderes als Illusionen.
Darum steht geschrieben: „Was immer die Sinne wahrnehmen, einschließlich gedanklicher Begriffe bis hin zu den Lebewesen, gleicht einer Illusion.“ Der Gründer unserer Sekte predigte seinen Schüler nichts anders als vollkommene Abstraktion, die zum Ausschalten der Sinneswahrnehmung führt. In dieser vollkommenen Abstraktion entfaltet sich der Weg Buddhas, während aus der Unterscheidung zwischen diesem und jenem ein Heer von Dämonen aufbricht.
(Pause)
4. F: Wenn Geist und Buddha im Innersten eins sind, sollen wir dann fortfahren mit der Übung der sechs Paramitas und mit den anderen strenggläubigen Vorschriften zur Erlangung der Erleuchtung?
A: Erleuchtung kommt aus dem Geist, gleichgültig ob du die sechs Paramitas und anderes übst. Alle solche Übungen sind nur Notbehelfe zur Behandlung der „konkreten“ Materie im Umgang mit den Fragen des täglichen Lebens. Selbst die Erleuchtung, das Absolute, die Wirklichkeit, das plötzlich Erreichte, der Dharmakaya, und alles andere bis hinab zu den zehn Stufen der Entwicklung, den vier Belohnungen eines tugendhaften und weisen Lebens und dem Zustand der Heiligkeit und Weisheit, sind — jedes einzelne — nichts als Begriffe, um uns durch Samsara hindurchzuhelfen.
Sie haben nichts zu tun mit dem wirklichen Buddha-Geist. Da der Geist Buddha ist, ist der ideale Weg der Vollendung das Entfalten dieses Buddha-Geistes. Nur vermeide begriffliches Denken, das zu Werden und Vergehen führt, zu dem Elend in der empfindenden Welt und zu vielem anderen. Dann brauchst du keine Wege zur Erleuchtung und ähnliches mehr. Darum steht geschrieben: Was Buddha lehrt, hat nur das eine Ziel Des Denkens Raum zu überqueren. Ist still geworden der Gedanken Spiel, Was nützt dann noch des Buddha Lehren?
(Pause)
In der ganzen Reihe der Patriarchen von Gautama Buddha bis zu Bodhidharma hinab, lehrte keiner etwas anderes, als den Einen Geist, auch das einzige Fahrzeug zur Befreiung genannt. Darum wirst du, wenn du auch das ganze Weltall durchsuchst, niemals ein anderes Fahrzeug finden. Diese Lehre hat nirgends Zweige noch Blätter, ihre einzige Eigenschaft ist die ewige Wahrheit. Deshalb ist es eine Lehre, die schwer anzunehmen ist. Als Bodhidharma nach China kam und das Königreich von Liang und Wei erreichte, erlangte nur der ehrwürdige Meister Ko einen schweigenden Einblick in unseren eigenen Geist. Sobald ihm dies erklärt wurde, verstand er, daß dieser Geist Buddha ist, und der persönliche Geist und Körper nichts sind.
(Pause)
Diese Lehre heißt der Große Weg. Die wahre Natur des Großen Weges ist das Leersein von Gegensätzen. Bodhidharma glaubte fest daran, daß er in diesem Leben Eins war mit der wirklichen „Substanz“ des Weltalls. Geist und diese Substanz haben nicht die geringste Spur von Unterscheidung. Diese „Substanz“ ist Geist. Beide sind unmöglich zu trennen. Um dieser Offenbarung willen erhielt er den Titel: Patriarch unserer Sekte. Darum steht geschrieben: „Der Augenblick, in dem die Einheit von Geist und Substanz, die die Wirklichkeit ist, erfahren wird, übertrifft jede Beschreibung.“
(Pause)
5. F: Befreit Buddha wirklich jedes Lebewesen? A: In Wirklichkeit gibt es keine Lebewesen, die der Tathagata befreien könnte. Wenn sogar das Selbst keine objektive Existenz hat, wieviel weniger hat sie das, was anders ist als das Selbst. Deshalb existieren objektiv weder Buddha noch Lebewesen.
(Pause)
6. F: Und doch wird berichtet, daß „wer die 32 charakteristischen Merkmale eines Buddha besitzt, die lebenden Wesen zu befreien vermag.“ Wie kannst du dies leugnen?
A: Irgend etwas, das irgend ein Merkmal besitzt, ist Täuschung. Nur wenn du erkennst, daß alle Zeichen nichts sind, kannst du den Tathagata erkennen. „Buddha“ und „Lebewesen“ sind beide deine eigenen irrtümlichen Vorstellungen. Weil du nicht deinen wirklichen Geist kennst, täuschst du dich durch solche objektiven Begriffe.
Willst du Buddha begreifen, dann wird dich dieser Buddha daran hindern. Wenn du die Lebewesen begreifen willst, werden diese dich daran hindern. Alle solchen dualistischen Begriffe wie „unwissend“ und „erleuchtet“, „rein“ und „unrein“ sind Hindernisse. Weil euer Geist durch sie gehemmt wird, muß das Rad des Gesetzes im Kreislauf bleiben.
(Pause)
Ebenso wie Affen ihre Zeit damit verbringen, unaufhörlich Dinge fortzuwerfen und wieder aufzuheben, so ist es mit euch und eurem Lernen. Alles, wessen ihr bedürft, ist das Aufgeben eures „Lernens“, eures „unwissend“ und „erleuchtet“, „rein“ und „unrein“, „groß“ und „klein“, eurer „Bindung“ und eurer „Tätigkeit“. Solche Dinge sind reine Bequemlichkeiten, reine Ausschmückungen innerhalb des Einen Geistes. Ich höre, daß ihr die Sutras der zwölf Untergliederungen der Drei Fahrzeuge studiert habt. Sie alle sind rein empirische Begriffe. Ihr müßt sie wirklich aufgeben.
Verwirf alles, was du erworben hast, als wäre es nur ein Bett, das für dich während einer Krankheit aufgestellt wurde. Nur wenn du alle Wahrnehmungen aufgegeben hast, wenn nichts Objektives mehr wahrzunehmen ist, und keine Erscheinungen mehr dir im Wege stehen; nur wenn du dich von der ganzen Folge dualistischer Begriffe befreit hast, wie es jene Kategorien von „unwissend“ und „erleuchtet“ sind, wirst du endlich den Namen „Übersinnlicher Buddha“ erlangen.
(Pause)
Darum steht geschrieben: „Deine Ehrfurchtsbezeugungen sind umsonst. Vertraue nicht solchen Zeremonien. Laß ab von solch falschem Glauben.“ Da der Geist keine Teilung in gesonderte Wesenheiten kennt, müssen gleicherweise auch die Erscheinungen ohne Unterschiede sein. Da der Geist jenseits aller Tätigkeit ist, muß dies auch für die Erscheinungen gelten. Jede bestehende Erscheinung ist eine Schöpfung des Gedankens.
Ich brauche nur meinen Geist leer zu machen, um zu sehen, daß alle leer sind. Das gleiche gilt für alle Gegenstände der Sinneswahrnehmung, welcher der tausend Kategorien sie auch angehören mögen. Die gesamte Leere, die sich nach allen Seiten hin erstreckt, ist von gleicher Substanz wie der Geist. Und da der Geist im Grunde ohne Unterscheidung ist, muß dies auch für alles andere zutreffen.
(Pause)
Verschiedene Wesenheiten erscheinen dir nur, weil deine Wahrnehmungen verschieden sind — so wie es heißt, daß die Kostbarkeiten die die Devas genießen, verschiedenartig sind, entsprechend ihrem persönlichen Verdienst. Anuttara-samyak-sambodhi ist eine Bezeichnung für die Erfahrung, daß die Buddhas des ganzen Weltalls tatsächlich nicht das kleinste wahrnehmbare Merkmal besitzen. Es gibt eben nur den Einen Geist. In Wirklichkeit gibt es keine Vielfalt an Formen, keinen himmlischen Glanz und keinen ruhmreichen Sieg (über Samsara), auch keine Unterwerfung unter den Sieger. Wenn aber niemals ein ruhmreicher Sieg gewonnen wurde, kann es auch keine tatsächliche Wesenheit wie Buddha geben. Und da niemals eine Unterwerfung stattfand, kann es keine solchen tatsächlichen Wesenheiten geben wie die Lebewesen.
(Pause)
10. F: Du selbst bist jetzt ein Sangha-Mitglied, offensichtlich beschäftigt, den Dharma zu predigen. Wie kannst du dann erklären, daß keines von beiden existiert?
A: Wenn du annimmst, es gäbe ein Dharma, der gepredigt werden kann, dann wirst du mich naturgemäß um seine Erklärung bitten. Setzt du aber ein „mich“ voraus, dann schließt dies eine räumliche Wesenheit ein. Der Dharma ist kein Dharma — er ist Geist! Darum sagt Bodhidharma: „Gebe ich weiter auch des Geistes Dharma, Wie kann Dharma Dharma sein? Weder Geist noch Dharma haben Objektiv Vorhandensein. Nur auf diese Art es heißt: Dharmas Weg von Geist zu Geist.“
Das Wissen, daß wirklich nicht ein einziges Ding existiert, das erreicht werden könnte heißt: in einem Bodhimandala sitzen. Dies ist ein Zustand, in dem keine Begriffe aufsteigen, in dem du zur inneren Leere der Erscheinungen erwachst, die auch die höchste Leere des Schoßes der Tathagatas genannt wird.
(Pause)
Kein noch so kleines Ding besteht,
So wie des Staubes Spur verweht,
Dringst du ins Tiefste dieser Wahrheit ein,
Suchst Jenseits du nicht mehr ein Selig sein.
(Pause)
11. F: Wenn es niemals auch nur ein einziges Ding gab, können wir dann die Erscheinungen als nicht existierend bezeichnen? A: Nicht existierend ist eben so falsch wie das Gegenteil. Bodhi bedeutet, daß man keine Vorstellung von Existenz oder Nicht-Existenz besitzt.
(Pause)
15. F: In diesem Augenblick selbst schwirren die vielfältigen irrtümlichen Gedanken durch unseren Geist. Wie kannst du dann behaupten, wir haben keine?
A: Irrtum hat keine Substanz, er ist ausschließlich das Ergebnis deines eigenen Denkens. Wenn du begreifst, daß dein Geist Buddha ist und daß dieser vollkommen ohne Irrtum ist, wirst du, sobald Gedanken aufsteigen, überzeugt sein, daß sie verantwortlich für die Irrtümer sind. Könntet ihr alle begriffbildenden Gedanken zurückhalten und euren Denkvorgang zur Ruhe bringen, dann würde naturgemäß kein Irrtum in euch zurückbleiben. Darum heißt es: „Wenn Gedanken aufsteigen, dann erheben sich alle Dinge. Wenn Gedanken gehen, dann schwinden alle Dinge.“
(Pause)
16. F: Wo ist in diesem Augenblick, in dem irrtümliche Gedanken in meinem Geist aufsteigen, der Buddha?
A: In diesem Augenblick bist du dir dieser irrtümlichen Gedanken bewußt. Nur dein Bewußtsein ist Buddha. Vielleicht könntest du solches verstehen, wenn du frei wärest von diesen trugvollen Gedankenvorgängen, daß es dann keinen Buddha gäbe. Warum? Wenn du einer Regung deines Geistes erlaubst, eine Vorstellung von Buddha zu bilden, dann erweckst du ein objektives Wesen, das der Erleuchtung fähig ist.
Ähnlich erschafft jede Vorstellung eines Lebewesens, das der Befreiung bedarf, solche Wesen als Objekte der Gedanken. Alle Denkvorgänge und Gedankentätigkeiten stammen aus deinen Vorstellungen. Würdest du dir überhaupt nichts mehr vorstellen, wo könnte Buddha dann noch existieren? Du bist in der Lage von Manjusri, der von allen Seiten von diesen zwei eisernen Bergen erdrückt und eingezwängt wurde, als er Vorstellungen von Buddha als einer objektiven Wesenheit in sich Raum gewährte.
(Pause)
17. F: Wo ist Buddha im Augenblick der Erleuchtung? A: Woher stammt deine Frage? Woher entsteht dein Bewußtsein? Wenn die Rede schweigt, alle Bewegung zum Stillstand kommt, jede Sicht, jeder Ton vergeht, dann schreitet Buddhas Werk der Befreiung wahrhaft voran. Wo willst du Buddha suchen? Du kannst nicht einen Kopf auf deinen stellen, oder Lippen auf deine tun. Du solltest besser jede dualistische Unterscheidung zurückhalten. Hügel sind Hügel, Wasser ist Wasser, Mönche sind Mönche, Laien sind Laien. Aber diese Berge, diese Flüsse, die ganze Welt mit Sonne, Mond und Sternen — sie alle existieren nicht außerhalb deines Geistes. Der ganze tausendfältige Kosmos existiert nur in dir. Wo sonst ließen sich die verschiedenen Kategorien von Erscheinungen finden?
Außerhalb des Geistes ist nichts. Die grünen Hügel, die überall deinem Blick begegnen, und dieser leere Himmel, den du über der Erde glitzern siehst — keine Haaresbreite von diesen existiert außerhalb der Vorstellungen, die du für dich selbst gebildet hast. Jeder einzelne Anblick, jeder einzelne Ton ist nichts als Weisheit. Erscheinungen entstehen nicht aus sich selbst, sondern hängen von ihrer Umgebung ab. Weil sie als Gegenstande erscheinen, machen sie alle möglichen individuellen Kenntnisse notwendig. Du magst den ganzen Tag lang reden, aber was ist damit gewonnen? Du magst von morgens bis zur Abenddämmerung zuhören — was hast du damit gehört? So wurde, wenn auch Gautama Buddha 49 Jahre lang predigte, in Wahrheit kein Wort gesprochen.
(Pause)
18. F: Angenommen, dies verhalte sich so, welcher besondere Zustand wäre dann mit dem Wort Bodhi bezeichnet? A: Bodhi ist kein Zustand, Buddha hat ihn nie erreicht. Den Lebewesen fehlt er nicht. Er kann auch nicht mit dem Körper erlangt noch mit dem Geist gesucht werden. Alle Lebewesen sind schon einer Gestalt mit dem Bodhi.
(Pause)
19. F: Wie aber erreicht man den Bodhi-Geist? A: Bodhi ist nicht etwas, was erreicht werden kann. Könntest du dich in diesem Augenblick davon überzeugen, daß er unerreichbar ist, und tatsächlich überhaupt nichts jemals erlangt werden kann, dann hättest du den Bodhi-Geist. Da Bodhi kein Zustand ist, kann man ihn nicht erreichen. Deshalb steht von Gautama Buddha geschrieben: „Als ich noch im Reich der Dipamkara Buddhas weilte, konnte ich nicht das geringste Körnchen von irgend etwas erlangen. Damals machte Dipamkara Buddha die Prophezeiung, daß auch ich ein Buddha würde.“
Wenn du wirklich erkannt hast, daß alle Lebewesen eins mit Bodhi sind, dann wirst du nicht mehr denken Bodhi sei zu erreichen. Du magst von anderen über dieses „Erreichen des Bodhi-Geistes“ gehört haben, doch ist dies ein intellektueller Weg, der Buddha vertreibt. Auf diesem wirst du nur scheinbar Buddhaschaft erlangen. Würdest du auch Äonen um Äonen auf diesem Weg ausharren, du würdest nur den Sambhogakaya und Nirmanakaya erreichen. Was aber würde dies für deine ursprüngliche und wirkliche Buddha-Natur bedeuten? Darum steht geschrieben: „Den Buddha außerhalb von dir in einer Gestalt suchen, hat nichts mit dir zu tun.“
(Pause)
Teil 4: Zen-Lehre von Huang Po
21. F: Auf welche Weise predigen die Buddhas in ihrem unendlichen Erbannen und Mitleid den Lebewesen den Dharma (das Gesetz)?
A: Wir sprechen von ihrem unendlichen Erbarmen und Mitleid, weil diese ohne Ursache und Wirkung sind. Erbarmen heißt in Wirklichkeit, daß man keine Vorstellung von einem Erleuchteten Buddha besitzt, und Mitleid, daß man sich kein Lebewesen der Befreiung be dürftig vorstellt.
In Wirklichkeit wird der Dharma weder mit Worten gepredigt noch auf andere Weise bezeichnet. Die Zuhörenden hören nichts und erlangen nichts. Man könnte meinen, ein erfundener Lehrer hätte erfundenen Schülern gepredigt. Was aber alle diese Dharmas (Lehren) betrifft, so werdet ihr sicher verstehen können, was ich sage, wenn ich um des Weges willen aus meiner tiefen Erkenntnis zu euch spreche und euch vorwärts führe. Und was Erbarmen und Mitleid betrifft: Ihr werdet, auch wenn ich mir um euretwillen Dinge ausdenke und anderer Leute Vorstellungen studiere, dadurch in keinem Fall eine wahre Erfahrung der wirklichen Natur eures eigenen Geistes in eurem eigenen Inneren erlangen. Darum werden letztlich diese Dinge keine Hilfe für euch sein.
(Pause)
22. F: Was bedeutet „eifriges Bemühen“? A: Die vollkommenste, erfolgreichste Form eifrigen Bemühens ist, daß ihr aus eurem Geist Unterscheidungen wie „mein Körper“, „mein Denken“ ausschaltet. Sobald ihr nach etwas außerhalb eures eigenen Geistes sucht, gleicht ihr Kaliraja, dem Jäger. Hindert ihr aber eure Gedanken auf Reisen zu gehen, dann seid ihr schon ein Ksantirishi. Keine Körper und keine Gedanken – das ist der Weg der Buddhas.
(Pause)
23. F: Wenn ich diesem Weg folge und mich von begrifflichen Gedankenvorgängen zurückhalte, werde ich dann mit Sicherheit das Ziel erlangen?
A: Solches Nicht-Denken ist Befolgen des Weges. Warum über Erreichen und Nicht-Erreichen sprechen? Tatsache ist folgendes: Indem ihr an etwas denkt, schafft ihr eine Wesenheit; durch Nicht-Denken erschafft ihr eine andere. Laßt solches irrtümliche Denken vollkommen vergehen. Dann wird nichts zum Suchen übrig bleiben.
(Pause)
24. F: Was ist mit „Überschreiten der Drei Welten“ der Begierde, Form und Formlosigkeit gemeint?
A: Überschreiten der Drei Welten bedeutet Überwinden des Dualismus von Gut und Böse. Buddhas erscheinen in der Welt, um der Begierde, der Form und den formlosen Erscheinungen ein Ende zu bereiten. Auch für euch werden die Drei Welten vergehen, wenn ihr den Zustand jenseits des Denkens erreichen könnt.
Wenn ihr andererseits noch an dem Begriff festhaltet, daß irgend etwas, sei es auch noch so klein wie der hundertste Teil eines Staubkornes, objektiv existieren könnte, dann wird selbst eine vollkommene Beherrschung des gesamten Mahayana-Kanons euch nicht den Sieg über die Drei Welten ermöglichen. Nur wenn ihr jedes der noch so kleinen Teilchen als nichts erachtet, kann der Mahayana diesen Sieg für euch erringen.
(Pause)
25. Eines Tages begann der Meister, nachdem er seinen Sitz in der großen Halle eingenommen hatte, mit folgenden Worten:
„Da der Geist Buddha (das Absolute) ist, umfaßt er alle Dinge, die Buddhas (Erleuchteten) an dem einen äußersten Ende bis zu den niedrigsten auf dem Bauch kriechenden Reptilien und Insekten an dem anderen. Sie alle haben in gleicher Weise teil an der Buddha-Natur, und alle sind von der Substanz des Einen Geistes. Deshalb übermittelte Bodhidharma, als er aus dem Westen kam, nichts anderes als den Dharma des Einen Geistes.
Er deutet unmittelbar auf die Wahrheit hin, daß alle Lebewesen seit jeher von der gleichen einen Substanz waren wie Buddha. Er folgte keiner der mißverstandenen „Methoden zur Vollendung“. Könntet ihr dieses Verständnis eures eigenen Geistes erlangen und dadurch eure wirkliche Natur entdecken, dann gäbe es gewiß nichts anderswo mehr für euch zu suchen.
(Pause)
26. F: Wie kommt der Mensch zum vollendeten Verständnis seines eigenen Geistes?
A: Diese Frage stellt euer eigener Geist. Würdet ihr aber in Ruhe verharren und auch die geringste gedankliche Tätigkeit ausschalten, würdet ihr seine Substanz als Leere erkennen. Ihr würdet erkennen, daß sie formlos ist, keinen noch so punktförmigen kleinen Raum besitzt und weder unter die Kategorie des Seins noch des Nicht-Seins fällt. Da der Geist nicht wahrnehmbar ist, lehrte Bodhidharma: „Der Geist, der unsere eigene wahre Natur ist, ist der ungezeugte und unzerstörbare Schoß. Als Antwort auf bestimmte Umstände verwandelt er sich in Erscheinungen.
Wir haben uns daran gewöhnt, den Geist als Verstand zu bezeichnen. Wenn er aber den Umständen nicht antwortet, darf man nicht von solchen dualistischen Begriffen wie Existenz und Nicht-Existenz sprechen. Auch wenn der Geist das Erschaffen von Gegenständen bewirkt, als Antwort auf das Gesetz von Ursache und Wirkung, ist er nicht wahrzunehmen. Wenn ihr dies wißt und ruhig im Nichts verharrt, dann folgt ihr tatsächlich dem Weg Buddhas. Darum sagt das Sutra: „Entwickelt ein Denken, das auf keinem irgendwie gearteten Ding beruht.“
(Pause)
Jedes Lebewesen, das an das unaufhörlich kreisende Rad von Geburt und Tod gebunden ist, wird wiedergeboren von dem Karma seiner eigenen Wünsche. Endlos bleibt sein Herz an die sechs Stufen der Existenz gebunden, verstrickt in alle Art von Sorgen und Leiden. Ch’ing Ming sagt: „Es gibt Menschen, deren Geist dem der Affen gleicht. Diese sind schwer zu belehren. Sie brauchen allerlei Vorschriften und Lehren, um ihr Herz zur Unterwerfung zu zwingen.
Wenn Gedanken entstehen, folgen die verschiedensten Dharmas; diese vergehen wieder, wenn die Gedanken aufhören. Hieraus können wir ersehen, daß jede Art von Dharma nur eine Schöpfung der Gedanken ist. Alle Arten von Lebewesen — Menschen, Devas, in der Hölle Leidende, Asuras und jeder, der in den sechs Daseinsformen lebt — ist vom Geist geschaffen. Würdet ihr nur lernen, einen Zustand des Nicht-Denkens zu erlangen, dann würde sofort die Kette von Ursache und Wirkung abbrechen.
Gebt diese irrtümlichen Gedanken auf, die zu falschen Unterscheidungen führen. Es gibt kein „Selbst“ und kein „Anderes“. Es gibt keinen „falschen Wunsch“ und keinen „Ärger“, keinen „Haß“, keine „Liebe“, keinen „Sieg“, keine „Niederlage“. Verzichtet nur auf den Irrtum der gedanklichen oder begrifflichen Denkvorgänge, und eure Natur wird ihre ursprüngliche Reinheit ausstrahlen. Dies allein ist der Weg zur Erleuchtung, zum Befolgen des Dharma, zum Buddha-Sein und allem übrigen.
(Pause)
Bis du nicht dieses verstanden hast, wird dir alles — das ganze Lernen, die mühevollen Anstrengungen des Fortschrittes, die Enthaltsamkeit im Essen und Kleiden — nicht zur Kenntnis des eigenen Geistes verhelfen. Alle solche Übungen werden sich als Fehler herausstellen, denn jede kann dich zur Wiedergeburt unter „Dämonen“ — den Feinden der Wahrheit — oder unter unentwickelten Naturgeistern führen. Welches Ziel wird hierdurch erlangt? Chih Kung sagt: „Unsere Körper sind die Schöpfung unseres eigenen Geistes.“ Wie aber kann man solche Erkenntnis aus Büchern erlernen? Könntet ihr nur die Natur eures eigenen Geistes verstehen und das unterscheidende Denken beenden, dann gäbe es naturgemäß keinen Raum, selbst nicht das geringste Körnchen Irrtum.
(Pause)
Ch’ing Ming drückte dies in einem Vers aus:
Flach auf den Boden den Körper gebettet,
Gedanken wie Kranke ans Lager gekettet,
Karma dann endet,
Trug nicht mehr blendet,
Bodhi wird dieses genannt.
Solange euer Geist der geringsten Denkbewegung unterworfen ist, werdet ihr dem Irrtum unterliegen, „unwissend“ und „erleuchtet“ als gesonderte Zustände zu betrachten. Dieser Irrtum wird bleiben, unabhängig von eurer umfassenden Kenntnis des Mahayana oder eurer Fähigkeit, die „Vier Grade der Heiligkeit“ und die „Zehn Stufen des zur Erleuchtung führenden Fortschrittes“ zu durchschreiten. Denn alle diese Bemühungen sind vergänglich, ebenso wie ein noch so hoch in die Luft geworfener Pfeil unvermeidlich auf den Boden zurückfallen muß.
Trotz dieser Anstrengungen wirst du wieder an das Rad von Geburt und Tod gebunden. Hängst du solchen Übungen nach, wird dir die Erkenntnis der wahren Bedeutung Buddhas versagt bleiben. Das Ertragen von so vielen unnötigen Leiden ist nur ein gewaltiger Irrtum — oder nicht? Chih Kung sagt an anderer Stelle: „Wenn du nicht einem Lehrer begegnest, der die Welten zu überschreiten vermag, wirst du weiter vergebens die Arzneien des Mahayana-Dharma schlucken.“
(Pause)
Würdest du jetzt üben, deine Gedanken bewegungslos zu jeder Zeit zu bewahren, sei es beim Gehen, Sitzen oder Liegen, und dich vollkommen auf das Ziel konzentrieren, keine Gedanken, keine Dualität zu schaffen, nicht auf andere zu vertrauen, an nichts zu haften, einfach den Dingen den ganzen Tag hindurch ihren Lauf zu lassen, als seiest du zu krank, dich um sie zu kümmern, der Welt unbekannt, zu unwissend, um andere zu lehren was nötig oder nicht nötig ist, den Geist gefestigt wie ein Felsblock ohne Hohlraum, dann würden alle Dharmas dein Verständnis ganz durchdringen.
In kürzester Zeit wärst du an nichts gebunden. Du würdest nun zum ersten Mal entdecken, daß deine Reaktionen den Erscheinungen gegenüber abnehmen, und du würdest endlich die dreifache Welt überschreiten. Dann würden die Menschen sagen, ein Buddha wäre in der Welt erschienen. Reine und leidenschaftslose Erkenntnis bedeutet ein Beenden des unaufhörlichen Flusses der Gedanken und Bilder. Auf diese Weise schafft ihr kein Karma mehr, das zur Wiedergeburt führt, weder als Gott, noch als Mensch, noch als Leidende in der Hölle.
(Pause)
Wenn jede Art von Denkvorgang zum Stillstand gebracht ist, wird auch nicht mehr die geringste Spur von Karma geschaffen. Dann wird euer Geist und Körper schon in diesem Leben zu einem vollkommen befreiten Wesen gehören. Sollte dies nicht schon zur unmittelbaren Befreiung von weiteren Wiedergeburten führen, so könnt ihr zumindest versichert sein, daß die Wieder, geburt nach euren Wünschen geschieht. Das Sutra führt aus: „Bodhisattvas werden wiedergeboren in welcherlei Gestalt sie wollen.“ Würden sie aber plötzlich die Kraft verlieren, ihren Geist von begrifflichem Denken frei zu halten, dann würde die Bindung an Formen sie zurück in die Welt der Erscheinungen drängen, und jede dieser Formen würde ihnen das Karma eines Dämonen schaffen.
(Pause)
Der Geist ist mit strahlender Klarheit erfüllt. Darum werft die Dunkelheit eurer alten Begriffe fort. Ch’ing Ming sagt: „Befreit euch von allem.“ Die Stelle im Lotus Sutra, die von dem zwanzig Jahre langen Fortschaufeln des Schmutzes spricht, ist Symbol für die Notwendigkeit, jeden Drang nach Begriffsbildungen aus dem Geist zu vertreiben.
(Pause)
An einer anderen Stelle vergleicht das Sutra den Dunghaufen, der fortgeräumt werden soll, mit Metaphysik und Sophisterei. So ist „der Schoß des Tathagata“ im Innersten Leere und Stille, die keinerlei Art seines gesonderten Dharmas enthält. Darum sagt das Sutra: „Die gesamten Bereiche aller Buddhas sind von der gleichen Leere“.
(Pause)
Mögen auch andere von dem Weg Buddhas sprechen, als sei dieser durch verschiedene fromme Übungen und Sutra-Studien zu erreichen, so darfst du doch nichts mit solchen Ideen zu tun haben. Die plötzlich aufblitzende Wahrnehmung, daß Subjekt und Objekt eins sind, führt dich zu einem tiefen geheimnisvollen, wortlosen Verständnis, und durch dieses Verständnis wirst du zur Wahrheit des Zen erwachen. Triffst du jemanden, der solches Verständnis nicht besitzt, dann behaupte, du wüßtest nichts. Er mag durch seine Entdeckung eines „Weges der Erleuchtung“ beglückt sein. Doch wenn du dich von ihm überzeugen läßt, so wirst du überhaupt keine Freude, sondern Leid und Enttäuschung erfahren.
Was haben solche Gedanken, wie du sie hast, mit dem Studium des Zen zu tun? Auch wenn du von ihm eine geschickte „Methode“ übernimmst, so ist dies nur ein gedanklich aufgebauter Dharma, der nichts mit Zen zu tun hat. Darum saß Bodhidharma in Meditation vor einer Mauer und trachtete nicht danach, die Menschen zu irgend einer Meinung zu führen. Es steht auch geschrieben: „Die wahre Lehre Buddhas besteht darin, aus dem Bewußtsein selbst den Ursprung der Tätigkeiten zu entfernen, während der Dualismus dem Bereich der Dämonen zugehört.“
(Pause)
Eure wahre Natur ist euch niemals verlorengegangen, selbst nicht in den Augenblicken der Täuschung, noch wird sie im Augenblick der Erleuchtung gewonnen. Es ist die Natur des Bhutatathata,
(Pause)
in der weder Täuschung noch rechtes Verständnis liegt. Sie füllt die ganze Leere aus und ist innerlich von der Substanz des Einen Geistes. Wie können dann diese vom Denken erschaffenen Objekte außerhalb der Leere existieren? Die Leere ist von Grund auf ohne räumliche Ausdehnung, ohne Leidenschaften, Tätigkeiten, Täuschungen oder rechtes Verstehen. Du mußt klar erfassen, daß in ihr keine Dinge sind, weder Menschen noch Buddhas.
Denn diese Leere enthält nicht die geringste Haaresbreite von irgend etwas, das räumlich gesehen werden kann. Sie hängt von nichts ab und ist an nichts gebunden. Sie ist alles durchdringende fleckenlose Schönheit. Sie ist das aus sich selbst existierende und nicht geschaffene Absolute. Wie kann dann noch in Frage gestellt werden, daß der wirkliche Buddha keinen Mund hat und kein Dharma predigt, oder daß wirkliches Hören keine Ohren verlangt. Wer könnte denn hören? Dies ist ein Kleinod von unschätzbarem Wert.
- Übertragung des Geistes
- Einleitung zum Übertragung des Geistes: John Blofeld
- Einleitung zum Übertragung des Geistes: P’ei Hsiu