AWH –Meditationswoche 2023 1. Tag
Wir haben uns aus dem Alltag herausgenommen, haben die Ferien unterbrochen oder unsere Angehörigen und täglichen Verpflichtungen verlassen – für eine ganze Woche. Und die erste Frage, die ich heute, am ersten Tag, an euch richte, ist die: Warum tun wir das? Warum seid ihr hier? Worum geht es hier?
Egal, welche persönlichen Motive wir haben, es ist auf jeden Fall keine Selbstverständlichkeit, ja ein grosses Privileg, dass wir uns an einen so wunderbaren Ort wie hier zurückziehen können. Es ist auch gar keine Selbstverständlichkeit, dass der Wunsch oder Plan, sich eine solche Woche zu gönnen, auch in Erfüllung geht. Einige Teilnehmer mussten, bedingt durch eine Krankheit, auf das Sesshin verzichten. Für jeden und jede von uns, könnte dies die letzte Meditationswoche unseres Lebens sein.
Wir sollten uns deshalb völlig im Klaren sein, was wir hier tun, worum es bei diesem Retreat geht. Und wir haben keine Zeit zu verlieren mit trivialem Geplänkel und lauwarmem Engagement.
Aus diesem Grund besinnen wir uns während dieser Woche jeden Morgen zuerst auf die Ermahnung eines alten Zen-Meisters:
Leben und Tod zu verstehen ist äusserst wichtig.
Die Zeit vergeht schnell!
Gelegenheiten werden leicht verpasst.
Wir sollten uns bemühen zu erwachen.
Wacht auf, vergeudet eure Lebenszeit nicht.
Ich denke, die älteren Semester unter uns wissen aus eigener Erfahrung, wie schnell die Zeit vergeht. Und die meisten von uns haben wohl schon erfahren, wie abrupt und unerwartet ein Leben enden kann. Letztendlich drehen sich alle unsere Probleme um Leben und Tod.
Körperwelt und Geisteswelt
Die zweite Frage, die ich stelle, ist die: Wo sind wir jetzt?
Wir haben zwar unseren Körper und unser Gepäck hierher verfrachtet, aber wo sind wir mit unseren Gedanken? Weiss man das überhaupt?
Ich stelle also die Frage: Befindet sich euer Körper und euer Geist mit seinen Gedanken und Gefühlen am selben Ort?
Eine schnelle und schlaue Antwort wäre: Natürlich, ich bin doch in dieser Welt. – Aber hat man schon einmal ganz genau hingeschaut, in was für einer Welt man ist?
Es gibt nämlich nicht DIE Welt. Wir sind zwar alle in diesem Raum, aber jeder von uns lebt in seiner eigenen Welt. Die Sinneseindrücke werden unterschiedlich verarbeitet und interpretiert. Selbst das, was wir Aussenwelt nennen, ist für jeden anders.
Können wir sagen, wo «ich» bin? Und zwar so, dass der Körper (A schlägt sich auf die Beine) und der Geist – das Empfinden und das Denken beide mit einbezogen sind und übereinstimmen? Unser Denken hat immer schnell eine Antwort oder eine Meinung zur Hand. Es weiss immer alles. Aber sehr oft hinkt die Körperwahrnehmung hinterher oder wird überhaupt nicht gefragt. Dann sitzt der Körper z.B. auf dem Kissen, aber der Geist, der «Kopf», ist ganz woanders. Oder der Mund sagt etwas und der Körper sagt etwas ganz anderes. – Körperwelt und Gedankenwelt sind weit voneinander entfernt. Das ist ein ziemlich bekannter Zustand, nicht wahr?
Wer bin ich? Wo bin ich? Wie verhalte ich mich?
Ich möchte, dass wir unsere «Arbeit» dieser Woche damit beginnen, genau hinzuschauen wo «ich in Wirklichkeit bin». Und zwar nicht nur im Meditationsraum, sondern überall und immer.
Fragt euch immer wieder: Sind mein Körper und meine Gedanken in derselben Realität? Weiss ich das? Wer hat das Sagen bei mir gerade jetzt, der Körper oder der Geist? Sind die beiden bei mir gleichberechtigt, werden sie gleichermassen gehört? Mit anderen Worten: Bin ich ganz bei der Sache oder nicht?
Ihr könnt natürlich einwenden, diese Frage sei absurd, Körper und Geist liessen sich nicht trennen. Dann frage ich zurück: Wer macht diesen Einwand? Dein Denken oder deine aktuelle Erfahrung, dein Wunschdenken oder deine intuitive Weisheit? Denn intellektuell um die Einheit von Körper und Geist zu wissen und sie aktuell zu erleben, sind nicht unbedingt dasselbe. Man soll sich nichts vormachen, sondern ehrlich feststellen, was ist.
Das ernsthafte Hinterfragen der gewohnheitsmässigen Denk- und Verhaltensmuster ist die Grundlage aller Selbsterkenntnis. Wenn wir nicht wissen und verstehen, was «ich» als Mensch bin und wo «ich» lebe, dann ist es äusserst schwierig, ja fast unmöglich, in unserer heutigen Zivilisation zurechtzukommen, ohne dass entweder der Körper, die Psyche oder beide auf der Strecke bleiben und frühzeitig altern oder erkranken.
Um richtig zu leben – das heisst im Einklang von Körper, Geist und Natur – ist es unbedingt nötig, sich selbst zu kennen und sich von den unbewussten Denk- und Verhaltensmuster zu lösen.
Wie war es denn heute Morgen früh, bei der ersten Sitzperiode vor dem Frühstück? Der Körper hat auf dem Kissen gesessen, aber wo war «ich»? Noch im warmen Bett? In der Küche, wo das Frühstück zubereitet wurde, oder schon am Ende dieser Woche, voller Pläne für die Zeit danach?
Engagement
Ob man sich den Fragen „Wer-Wo-Wie“ in Bezug auf das eigene Verhalten im Laufe des Tages immer wieder neu stellen will, hängt natürlich davon ab, ob man echtes Interesse an Selbsterkenntnis hat. Wenn das Interesse oder gar die Notwendigkeit an dieser «Arbeit» lauwarm ist oder fehlt, wenn man einfach bequem und ungestört auf dem Kissen sitzen und in der Freizeit in der Sonne schlummern will, dann wird auch das Resultat minimal und lauwarm sein, d.h. unverbindlich und flüchtig.
Oder wenn man es bloss geniessen will, weg zu sein vom alltäglichen Kram, aber trotzdem über den Kram nachdenkt – was zu Hause läuft und was in der Vergangenheit gelaufen ist – dann wird einen der Kram mit Sicherheit mit voller Wucht in Besitz nehmen, sobald man dieses Haus verlassen hat.
Sind wir bereit, uns hier voll und ganz – mit Haut und Haar und Knochen – einzulassen auf das „Wer-Wo-Wie“ unserer Lebensrealität? Nicht in Zukunft, sondern JETZT?
Um dies zu tun, ist es unbedingt nötig, den gewohnten Reaktionsmodus unseres Verhaltens zu verlassen. Denn meistens handeln wir ja automatisch und unbewusst. Wir tun dies jedoch nicht so, wie es der Natur des gegebenen Augenblicks entspricht – das wäre kein Problem – sondern wir sind getrieben vom persönlichen Ja und Nein, Angenehm und Unangenehm. Subjektive Zuneigung und Abneigung geben den Ton an.
In diesem Reaktionsmodus kommen Körper und Mind sehr leicht in Konflikt. Denn was der eine will oder braucht, ist oft nicht dasselbe, was der andere will oder braucht. Es herrschen innere Spannungen und Stress. Man wird müde und erschöpft. Man schläft ein, wenn man nicht schlafen sollte, und wenn man schlafen sollte, schläft man nicht. Es gibt kein natürliches Gleichgewicht.
Der Boden
Im Zustand der wachen Präsenz agieren Körper und Geist zusammen, es gibt kein «Und» mehr.
Wir leben nicht in einer Kultur wo man das von Kind auf als Selbstverständlichkeit gezeigt bekommt von den Eltern oder Lehrern oder Vorbildern. In unserer Gesellschaft wird man immer auf die Zukunft getrimmt. Aber was ist das für eine Zukunft, wenn ich nicht weiss, wo und was die Gegenwart ist, was der Ausgangspunkt ist?
Wie kann ich herausfinden, was mein Dasein bedeutet, was mein Boden ist, auf dem ich stehe, wenn ich so daran gewöhnt bin, dass mir andere sagen, wo ich stehen soll oder nicht stehen soll? Wie finde ich zu dem, was das ist (A schlägt sich auf den Körper)?
Von den Zen-Meistern lesen und hören wir: «Der grosse Weg ist nicht schwierig…», und dann kommt ein «Wenn»: … wenn du nicht wählst, wenn du nicht blind herumrennst, wenn du dein wahres Wesen erkennst oder was auch immer. Es kommt immer irgendein Wenn!
Aber sie haben recht: Wir haben alles, was wir brauchen – insofern ist es nicht schwierig. Wir haben alles, was wir für das Leben brauchen, als Potenz in die Geburt mitbekommen und könnten darauf aufbauen.
Was ist denn das Erste, was wir in die Geburt mitbekommen haben? Was ist es denn, worauf unser individuelles Leben, unser individuelles Dasein prinzipiell gründet?
Leben = Atem
Wenn ein Kind geboren wird, beginnt sein individuelles Leben gewöhnlich mit einem Schrei – wenn der Schrei ausbleibt, dann klopft die Hebamme dem Neugeborenen auf den Rücken? Warum? Von Aussen betrachtet, manifestiert der Schrei den ersten selbständigen Atemzug: «Oh, es lebt!»
Und wenn dann irgendeinmal der letzte Atemzug kommt, dann sagen wir: «Jetzt ist es tot, es lebt nicht mehr.»
Wir alle haben einen ersten Atemzug getan und werden irgendwann einen letzten tun. Und inzwischen leben wir – einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.
Das Wesen des Atems
Wir müssen nicht nach dem Atem suchen. Wir müssen nicht warten, bis uns jemand die Erlaubnis gibt, zu leben. Es ist von sich aus da! Es funktioniert einfach. Das Leben hat uns aus sich heraus geformt.
Mit dem Atem ist auch der Körper erwacht und mit dem Körper der Geist. Atem, Körper und Geist sind nicht drei verschiedene Dinge. Sie wurden als Dreieinigkeit im Mutterleib zusammengesetzt. Lunge, Herz, Niere, Blase, Leber, Gehirn: Alles hat sich in neun Monaten vorbereitet auf ein Leben in der Luft – aus dem Wasser in die Luft!
Seither leben wir in und von der Luft. Und woher kommt die Luft? Wo leben wir denn, wenn wir in dieser Welt der Atemluft leben? Woher kommt die?
Die Luft, die wir heute einatmen, haben schon Bäume und Hunde und Katzen und Löwen und Elefanten und alle anderen Kreaturen eingeatmet. Es ist nicht meine, nicht unsere Luft.
Für uns ist es so selbstverständlich zu atmen. Erst wenn dies mal nicht möglich ist oder wenn es fast vorbei ist, dann realisiert man: Oh, ich habe ja gar keine Macht über den Atem. Das ist ja ein Geschenk des Lebens.
Für gewöhnlich sind wir jedoch so beschäftigt mit allem Möglichen; unsere Gedankenwelt nimmt so überhand, dass wir das ursprüngliche Wesen des Atems nicht nur ignorieren, sondern es mit unserer hektischen Geschäftigkeit oft daran hindern, seine natürliche Funktion zu erfüllen.
Denn wenn sich die Mind im Reaktionsmodus befindet – reagieren statt agieren – dann ist der Atemraum in der Regel eingeschränkt. Man kann dies leicht selber feststellen: Die Atembewegung ist nur im Brustbereich spür- und sichtbar.
Dies kann man auch im Zendo beobachten: Manche atmen selbst beim Sitzen nur im Brustbereich. Es gibt kein vollständiges Ausatmen und kein ruhiges, vollständiges Einatmen. Meistens gibt es dann auch mehr oder weniger subtile Zeichen von Gedankenaktivität und innerer Unruhe.
Brustatmung – Bauchatmung
Eine gewohnheitsmässige – nicht durch eine akute Krankheit bedingte – kleinräumige und schnelle Atmung, geht in der Regel einher mit einem belasteten, unruhigen Geist und umgekehrt. Ein dauernd überlasteter Geist schwächt den Atem; der geschwächte Atem schwächt die Organe; die geschwächten Organe schwächen die körperliche Gesundheit und die schwache Gesundheit schwächt wiederum den Geist. Und so schliesst sich der Kreis. Mit anderen Worten: Die Qualität unseres Leben hängt direkt von unserem Atem ab und damit von unseren Gewohnheiten des Denkens und Handelns. Es ist wie der Buddha im Dhammapada sagt:
Alle Dinge entstehen im Geist, sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung.Rede mit unreinem Geist, handle mit unreinem Geist, und Leiden wird dir folgen, wie das Rad dem Fuß folgt,der den Wagen zieht.Rede mit reinem Geist,handle mit reinem Geist,und Glück wird dir folgen, wie der Schatten dem Körper folgt,und nicht weicht. – Dhammapada, Kap.1.
Bei den neugeborenen und kleinen Kindern, die noch keinen denkenden Geist haben, bewegt sich beim Atmen der Bauch. Der ganze kleine Körper wird mit Sauerstoff versorgt. Die Atemorgane Lunge und Zwerchfell werden mit dem Schreien so gestärkt, dass das Kind sehr lange schreien kann, bevor es müde ist. Das heisst, seine Lebensenergie kommt direkt und ungestört aus der Vitalkraft des Unterleibes. Hindernisse stellen sich erst mit zunehmendem Alter ein.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der menschliche Organismus über zwei Arten von Nervenzentren verfügt: Das eine befindet sich im Gehirn, das andere im Solarzentrum (Plexus solaris). Die lebenswichtigen Funktionen wie Atmen, Verdauung, Blutdruck usw. werden vorwiegend vom Solarzentrum aus gesteuert und sind der bewussten Einflussnahme nicht zugänglich. In der chinesischen Heilkunde gilt das Solarzentrum als die Quelle der grundlegenden Vitalkraft.
Aus diesem Grund betonten die alten chinesischen Chan- oder Meditationsmeister die Wichtigkeit der natürlichen Bauchatmung. Werde dir der Lebensquelle im Unterleib (jap. Hara) gewahr und sammle deine Kraft dort: Dies ist die Grundlage und das Eingangstor zur Zen-Meditation.
Immer neu anfangen
Oft stellt sich, wenn man schon längere Zeit Sitzmeditation übt, eine gewisse Routine ein. Man plumpst gewissermassen auf das Sitzkissen, nimmt seine gewohnte «richtige» Körperhaltung an, um «richtig» zu sitzen und «harrt der Dinge, die da kommen». – Und dann fängt das Gedankenkarussell zu drehen an … Sehr oft Es baut sich ein innerer Widerstand gegen diesen “Zwang” auf, und die ganze Sache wird mühsam und ermüdend. Die Schwelle zum Schlummerzustand wird zunehmend niedriger.
Ich empfehle euch, jedes Mal, wenn ihr euch zur Meditation hinsetzt, – und ganz besonders währende dieser Woche – ganz neu anzufangen. Das heisst, überlasst euch nicht bloss der Routine. Ansonsten wird diese Woche bloss ein weiterer «Meditationsretreat» unter vielen anderen. – Vergesst die früheren Meditationserfahrungen und Retreats. Vergesst, was ihr alles über Meditation oder Zen wisst. Macht euch ganz neu daran, zu erforschen und zu spüren, was es heisst, ein Mensch zu sein und gerade jetzt zu leben. Ganz egal, was sich in der Welt abspielt, welcher Art eure gegenwärtige soziale, finanzielle oder altersmässige Situation ist. Dies soll euch jetzt nicht kümmern.
Jetzt geht es ganz grundsätzlich nur um das Erwachen aus der Unbewusstheit: Wer, wo, wie bin ich in Wirklichkeit!!
Löst euch von den gewohnten Aktivitäten in eurem Gemüt. Verliert euch nicht in Spekulationen über die Vergangenheit und die hypothetische Zukunft.
Am besten fängt man damit an, die Aufmerksamkeit auf den Atem zu richten. Wendet euch mit freundlicher Hingabe und Interesse eurem Atem zu: Kann ich den Atem spüren und frei geben, ohne einzugreifen, ohne Kommentar und ganz ohne etwas erreichen zu wollen, völlig passiv, aber wach?
Einatmen und ausatmen… Wenn der Ausatem fertig ist, wird er wieder zu einem Einatem und der nächste Zyklus beginnt. Zuerst mal nur das! Probiert es gleich jetzt aus…
(Es herrscht einen Moment lang Stille, bevor A. weiterspricht.)
Es ist nicht nötig, beim Einatmen die Schultern hochzuziehen und beim Ausatmen die Bauchdecke willentlich nach innen zu drücken oder die Luft hörbar durch die Nase zu pressen. Auch ist es nicht nötig, wie ein Dirigent dem Atem einen bestimmten Takt vorzugeben: 123 …123 … Der Atem findet seinen Rhythmus selbst.
Lasst grundsätzlich ab von jeglicher mentalen Einmischung und Manipulation, von allen Vorstellungen des Ichs, wie der Atem sein oder nicht sein sollte. Das Zwerchfell vollzieht und steuert das Ein und Aus des Luftstroms ganz von selbst; die angeborene Körperweisheit braucht unsere mentale Einmischung nicht. Begleitet den Atem lediglich mit passivem Gewahrsein auf seinem Weg.
(Stille)
Natürliche Lebensaktivität
Na, wie viele Gedanken haben sich bereits eingemischt? Blitzschnell?
Habt ihr es bemerkt?
Das Entstehen von Gedanken ist ganz natürlich. Denn der Atem belebt nicht nur die Organe, die den Blutkreislauf regulieren und diverse Sekrete ausscheiden, er belebt auch das Gehirn. Und die Funktion des Gehirns ist es, unter anderem, Gedanken zu produzieren und auszuscheiden. Der ganze Körper-Geist-Organismus ist darauf ausgerichtet, etwas aufzunehmen – zum Beispiel Nahrungsstoffe, Luft, Sinnesimpulse –, das Aufgenommene zu verwandeln in Körper und Geisteskraft – und einiges auszuscheiden – Ballaststoffe, Unverdautes oder eben auch Gedankenmaterial. Der endlose Prozess von Entstehen-Wachsen-Sein-Vergehen ist unser Leben. Im Grossen wie im Kleinen.
Als Kinder hat uns dieser Kreislauf nicht gestört. Wir haben ihn gar nicht wahrgenommen. Jemand hat uns gefüttert und die Windeln gewechselt. Wenn uns etwas gefiel, lachten wir, wenn uns etwas nicht gefiel, brüllten wir. Der manchmal blitzschnelle Wechsel vom Lachen zum Weinen und vom Weinen zum Lachen war kein Problem, denn man war eins damit. Zum Problem wurde es erst, als einige der unbewussten, spontanen Lebensäusserungen mit positiven und andere mit negativen Vorzeichen versehen wurden.
Dieser grundlegende Dualismus verursachte einen grundlegenden Riss durch das ursprüngliche einheitliche Lebensgefühl. Und so kam es zur Spaltung zwischen Ich und Du, zwischen Körper und Geist.
Der Dualismus von richtig und falsch, Ich und Du, Subjekt und Objekt, beherrscht bis heute unser Denken. Die meisten Menschen haben den Dualismus und das Denken in Gegensätzen komplett verinnerlicht und leidet daher ununterbrochen an den daraus resultierenden Verwirrungen und Fehlschlüssen im Denken und Handeln.
Die Besinnung auf den natürlichen Atem und die Verbindung damit, ist ein Mittel, um diese Spaltung aufzuheben. Der Atem ist immer jetzt. Das atmende Leben ist ohne Zeit, ohne Ich, ohne Du, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft.
Rückkehr zu Ursprung
Das Ruhen im nicht-dualistischen Seinszustand, in dem man sich nicht ablenken lässt durch die inneren, mentalen Aktivitäten, ermöglicht dem Geist, still und klar zu werden. Das ist die sprichwörtliche «Rückkehr zum Ursprung», die in der Zen-Tradition so sehr betont wird.
Erwache zur fundamentalen Stille deines Wesens, aus der alle Lebensäusserungen hervorgehen und in die sie wieder eingehen. Ruhe in diesem Sein und du wirst erleben, wie sich dein Leben in Harmonie mit den Umständen entfaltet. Vertraue auf deinen wachen Geist, dem die Kraft der Erkenntnis und Weisheit innewohnt, so dass du einen Kompass hast, der dir den Weg weist zum reinen, einheitlichen Erleben eines unvoreingenommenen Kindes. Auf diese Weise hast du die Chance, selber zu erfahren, was es heisst, frei und in Frieden zu leben.
Dieses zu verwirklichen, ist das Einzige und Höchste, das in einem Zen-Retreat zählt. Und an allen Tagen danach.
Meditationswoche – alle