Anhalten und Aussteigen

Anhalten und Aussteigen – Meditationswoche 2024, 3. Tag

Die meisten Fragen, die mir im Vorfeld zu diesem Retreat zugestellt wurden und die ich auch sonst oft zu hören bekomme, betreffen eine gefühlte Spannung zwischen der Meditationspraxis in einem stillen Setting und der Hektik im Lärm des alltäglichen Lebens. Zum Beispiel:

Wie kann ich die Ruhe und Sammlung der Meditation im Alltag beibehalten?
Wie kann ich mich schützen vor den Ansprüchen von aussen, die mir alle Energie rauben?
Im Retreat bin ich immer so glücklich und komme entspannt nach Hause. Aber nach ein paar Tagen ist alles wieder vorbei. Kann man dies vermeiden?

Wie ihr bereits wisst, kann euch diese Fragen niemand direkt beantworten, denn dafür gibt es kein Rezept. Was wir jedoch tun können, ist die Spannungen selbst zu betrachten und ihre Ursachen zu erforschen.

Und so ist es denn mein grösstes Anliegen – nicht nur, aber auch in diesem Retreat – dass wir uns gemeinsam eine solide Grundlage schaffen, die uns befähigt, uns im Alltag selber zu helfen.

Die Lebewesen sind im Grunde alle Buddha

Beginnen wir bei einem grundsätzlichen Dilemma:

Die Meditationspraxis der Zen-Schule basiert auf der Botschaft: Die Lebewesen sind im Grunde alle Buddha. Wir hören und rezitieren diese Aussage in diversen Variationen. Trotzdem besteht für viele eine gewisse Kluft zwischen «Buddha» und «der eigenen Person».

Denn der Begriff Buddha steht ja in erster Linie für jenen Inder aus dem Shakyamuni-Clan, von dem es heisst, er habe als junger Mensch nach Jahren der Askese und der geistigen Schulung seinen eigenen Meditationsweg gefunden und so die grosse Erleuchtung erlangt.

Man mag sich nun fragen: Was habe ich mit diesem Mann, der vor mehr als 2000 Jahren in Indien lebte, gemeinsam? Und umgekehrt: Was hat dieser längst verstorbene Mann mit mir zu tun?

Das Problem liegt darin, dass man das Wort Buddha an einem bestimmten Menschen mit einer bestimmten Nationalität festmacht. Doch Buddha ist kein Eigenname, sondern ein Titel.

Die Wurzel vom Wort Buddha ist das Sanskritwort bodhi, was auf Deutsch mit erwacht übersetzt wird. Dieses Erwacht umschreibt einen Zustand der vollkommenen und endgültigen Wachheit.

Damit ist nicht eine nächtliche Schlaflosigkeit gemeint, sondern die endgültige Überwindung der Irrungen, die das Bewusstsein «gewöhnlicher» Menschen in einem quasi schlafenden Zustand festhalten. Wer aus dem unbewussten Dasein in die Präsenz des allgegenwärtigen Bewusstseins «erwacht» hat bodhi erlangt und wird daher Buddha genannt.

Auch du bist es

Wie wir in den letzten zwei Tagen besprochen und zum Teil bereits erfahren haben, haben wir und alle anderen Lebewesen Anteil am allgegenwärtigen, wachen Bewusstsein. Die Intelligenz der Natur lässt sich allerdings weder gedanklich noch messtechnisch erfassen, aber wir können sie am eigenen Leib spüren und ihr Wirken in der Natur beobachten.

In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns tatsächlich nicht vom historischen Buddha. Denn es war exakt diese Erkenntnis, die ihn zum Buddha machte: Es gibt nur eine Natur, nur einen Geist; das ganze Universum mit allem, was darin existiert, ist von dieser Natur, diesem Geist durchdrungen. Es gibt kein Leben ohne diese (Buddha) Natur.

Das einzige Anliegen von Shakyamuni war es, den Menschen zu helfen, ihr geistiges Auge zu öffnen und ebenfalls zu erwachen. Und ein Mensch, der seinem Beispiel folgt, wird Bodhisattva genannt, ein Wesen (sattva), das nach dem geistigen Erwachen (bodhi) strebt – nicht nur für sich selbst, sondern auch zum Wohle aller anderen Lebewesen.

Mit dieser Begriffserklärung sollte ein erstes Hindernis für rechtes Verstehen aus dem Weg geräumt sein. Das heisst, wir sollten nun in der Lage sein, uns von gewohnten Vorstellungen zu trennen und nur noch danach zu streben, das Gehörte für uns selbst zu realisieren.

Nämlich: Wir sind zwar Einzelpersonen mit diversen Veranlagungen, Neigungen und Abneigungen, Ideen und Vorstellungen, die unser «Ich» bilden. Aber das ist nicht unser ursprüngliches Selbst. Das, was unser Leben letztendlich ausmacht, ist das Bewusstsein, das allen Lebewesen gemeinsam ist.

Das Licht scheint in der Dunkelheit

Im gestrigen Vortrag habe ich das Licht der Sonne als Analog zum Licht des Geistes benutzt: Auch wenn die Lebewesen die Dinge in Abhängigkeit ihrer Sinne ganz unterschiedlich wahrnehmen, so werden diese doch alle von derselben Sonne beleuchtet.

Interessant ist auch, dass die Sonnenstrahlen für unsere Wahrnehmung erst zu Licht und Farbe werden, wenn sie durch die Erdatmosphäre kommen und auf unser Sehorgan treffen. Das Universum selbst ist stockdunkel. Denn es braucht etwas Materielles – zum Beispiel kleine Staubpartikel oder vom Wind verwehter Sand – das die Strahlen reflektiert und bricht.

Stellt euch vor: Da ist das unsichtbare, formlose Licht im Universum, das unsere Welt erhellt und von allen Dingen reflektiert wird. Die reflektierten Lichtstrahlen gelangen durch das winzige schwarze Loch der Pupillen in unser Gehirn. Dort werden sie vom unsichtbaren, formlosen Bewusstsein/Geist wie von einem Spiegel reflektiert. Das geschieht ganz automatisch ohne unser Dazutun. – Seht doch die grossen Augen von den Kindern: Sie reflektieren alles, so wie es ist. Doch niemand kann genau sagen, was sie sehen.

Denn im Gehirn der Menschen durchlaufen die reflektierten Lichterscheinungen einen komplexen Umwandlungsprozess und werden schliesslich zu den trügerischen Abbildungen der Dinge, deren Reflexion ursprünglich auf unsere Augen trafen.

Das Licht der Sonne und das Licht des Geistes kommen also beide aus der universalen Dunkelheit und erleuchten unsere Welt. Diese Verwandtschaft ist wohl der Grund, dass man die Menschen, die nicht mehr in der «geistigen Dunkelheit sitzen», erleuchtet nennt.

Einer von ihnen, der Mystiker Meister Eckhard, hat diese Einheit auch erkannt und wunderschön in Worte gefasst. Er sagte:

Das Auge, mit dem ich Gott sehe, ist dasselbe Auge, mit dem Gott mich sieht.

Um dieses Wunder zu realisieren, muss der Geist allerdings absolut still sein, nicht wahr? Wenn man mitten in den eigenen und fremden Gedanken festsitzt, ist es viel zu laut.

Die Stille des Geistes

Gestern Abend haben wir eine spezielle Gehmeditation durchgeführt. Wir sind einen schmalen Wiesenpfad entlang geschritten, auf dem es recht viele Nacktschnecken gab. Ich gab mir und euch die Anweisung, die Füsse so langsam und so sorgfältig aufzusetzen, dass keine einzige Schnecke zu Schaden kommt. Und so bewegten wir uns – alle auf einer eigenen Spur – buchstäblich im Schneckentempo vorwärts. Den Blick auf den Boden vor den Füssen gerichtet, erspähte man in der beginnenden Dämmerung jedes rotbraune Objekt im Gras, das eine Schnecke hätte sein können, und vermied es tunlichst, damit in Berührung zu kommen. Manchmal war es eine Schnecke, manchmal bloss ein braunes Blatt.

Nach ca. 30 Minuten herrschte eine derartige Stille in und um uns, dass man beinahe hören konnte, wie die Schnecken ruhig ihres Weges krochen. Keine einzige wurde auch nur von einem menschlichen Fuss berührt.

Frage: Gab es in diesem Schreiten irgendetwas Wichtigeres als das? Konnte man dabei an gestern oder heute oder morgen denken und trotzdem achtsam vorwärts gehen?

Wie ich sehe, schütteln die meisten von euch entschieden den Kopf.

Und warum konnten wir an nichts anderes denken? … Weil wir aufgepasst haben, damit wir auf keinen Fall eine Schnecke zertreten! … Dieser Gedanke, dieser Wille, beim Gehen mögliches Unheil zu vermeiden, verhalf uns zu höchster Achtsamkeit. Und für mich war es gleichzeitig ein Beweis dafür, dass wir Menschen von Natur aus zu Mitgefühl und Liebe für alle Lebewesen fähig sind.

Und so wissen wir nun aus eigener Erfahrung, was es heisst, mit Haut und Haar und Knochen, Augen, Ohren und Füssen eins zu sein mit dem, was gerade geschieht – absolut gesammelt und keiner Ablenkung zugänglich.

(Heutzutage kann man viel Geld ausgeben für Kurse, in denen man Achtsamkeit lernen kann, mit dem Ziel, den heutzutage allgegenwärtigen Stress zu reduzieren. Ihre Titel bestehen meist aus einem Kürzel für lange englische Wortkombinationen, die nur für Eingeweihte verständlich sind. Würde man ab und zu auf einer Wiese gehen – am besten barfuss – ohne auf eine Schnecke, Biene oder Ameise zu treten, könnte man sich dieses Geld sparen. Doch das nur nebenbei!)

Wachheit, Achtsamkeit und Stille kann und muss man eigentlich nicht «lernen». Der angeborene Geist ist von Natur aus wach und still. Und wenn er durch die emotionalen und mentalen Aktivitäten unseres Gemütes scheinbar in Unruhe gerät, findet er immer wieder in den Zustand der Stille zurück. Wie in einem Teich: Ab und zu gibt es Wellen und Trübungen, aber das Wasser bleibt sich immer gleich. Und sobald die Wellen abgeklungen sind, setzen sich die trübenden Elemente und der Teich ist wieder spiegelklar.

Das Automobil

Warum tun wir uns aber so schwer damit, unseren Geist zur Ruhe zu bringen, da er es doch von Natur aus schon ist? Warum zerbrechen wir uns den Kopf und strengen uns so sehr an, um «achtsam» zu sein? Warum ist unser Denken und Handeln nicht erleuchtet?

Der Grund, warum wir so durch die Welten irren, ist der, dass wir in der Dunkelheit der Unwissenheit gefangen sind. – Hakuin-Zenji, Lied der Meditation (Zazen Wasan)

Die Dunkelheit der Unwissenheit ist unsere Unbewusstheit, die Blindheit, mit der wir uns durch den Alltag bewegen. Diese Blindheit ist nicht angeboren. Sie kommt zu Stande, weil «man» es offenbar nicht besser weiss und die Scheuklappen, die einem von diversen Autoritäten der Gesellschaft angeboten werden, freiwillig anzieht. Man denkt, sieht, akzeptiert und will nur das, was «alle» wollen. Wir wissen nicht, dass wir das Gefährt, das uns für die Reise des Lebens gegeben wurde – unser Körper/Geist – selber steuern sollten. Wir überlassen das Steuer unbewusst und fraglos den anderen.

Es ist also kein Wunder, wenn wir unser Vehikel nicht beherrschen. Nehmen wir den Vergleich zum Beherrschen eines Autos:

Die meisten von uns fahren Auto oder sind in früheren Jahren Auto gefahren. Also wissen auch die meisten, was es braucht, um unfallfrei zu fahren.

Doch was ist ein Auto eigentlich? – Die Bezeichnung “auto-mobil ” sagte es ja schon: Es ist etwas, das sich selbst bewegt. Im Gegensatz zu einer Kutsche muss dieses Vehikel nicht von Pferden oder einem anderen Zugtier gezogen werden. Es ist autonom, das heisst, es enthält in sich alles, was es zur Fortbewegung befähigt.

Aber es braucht eine Person, die das Auto fährt, bzw. steuert. – Jedenfalls ist das heutzutage noch so; unbemannte Automobile befinden sich noch im Stadium der Planung bzw. der Träume und Ideen.

Die Person, die am Steuer sitzt, sollte verstehen, wie das Vehikel funktioniert, welche Teile vorhanden sind und worauf man achten muss, um es in gutem Zustand zu halten. Und sie muss natürlich lernen, es durch den Verkehr zu steuern und gewisse Verkehrsregeln beachten.

Mit der Zeit und mit der Übung wird das Fahren ziemlich automatisch. Am Lenkrad sitzend wird man eins mit der Karosserie, der Strasse und der Umgebung; man nimmt automatisch wahr, was vorne, hinten und auf der Seite vor sich geht. Man muss nicht mehr an die Einzelteile und jede Einzelbewegung denken, der Körper/Geist macht es fast ganz von selbst. – Vorausgesetzt, man ist bei der Sache!

Wenn man das Fahrzeug nicht versteht und nicht beherrscht, aber trotzdem fährt, dann wirken Körper und Geist nicht harmonisch zusammen. Dann wird das Fahrzeug frühzeitig abgenützt und anfällig für Pannen – die Schaltung stockt, der Auspuff rostet, die Reifen verlieren ihr Profil. Und, was viel schlimmer ist, es gibt Unfälle, wobei sehr oft Menschen und Tiere verletzt werden.

Das Automobil bin ich

Aus meiner Sicht bestehen etliche Parallelen zwischen unseren Autos und unserem Körper/Geist.

Es gibt Leute, die sind so sehr verliebt in ihr Automobil, dass es ihnen wichtiger ist als ihr eigener Körper. Am liebsten würden sie noch darin schlafen. Andere benutzen es als Panzer. Darin fühlen sie sich geschützt und unverletzlich und merken offenbar nicht, wie aggressiv ihr Fahrstil ist. Für viele bedeutet das eigene Auto Freiheit, man kann damit den Verpflichtungen und Zwängen der Gesellschaft entfliehen. Und nicht wenige Jugendliche erleben ihre ersten sexuellen Abenteuer auf den heruntergeklappten Sitzen eines Autos.

Denn: Ist unsere Beziehung zu unserem angeborenen Fortbewegungsmittel, dem lebendigen Körper, so ganz anders?

Sind wir nicht alle verliebt in unser Vehikel – mein Körper, mein Ich? Wir hegen und pflegen es, und sind untröstlich, wenn es nicht mehr gut funktioniert. Oder etwa nicht?

Aber: Verstehen wir die Mechanismen seiner Teile? Benutzen wir unseren Verstand und unsere Weisheit und tragen Sorge dazu, damit es möglichst lange in gutem Zustand bleibt? Und steuern wir es so geschickt und sorgfältig wie möglich durch unser Leben?

Weitere Parallelen sehe ich darin, dass sowohl das Auto als auch der Körper ein Verfallsdatum haben. Sie altern selbst bei bester Pflege und zeigen Abnutzungserscheinungen.

Und beide brauchen ein Brennmaterial, das die nötige Energie liefert. Im Volksmund kurz Sprit genannt. Ohne Sprit geht gar nichts. – Habt ihr schon einmal bemerkt, dass Sprit (Benzin) und Spirit (Geist) fast die gleichen Worte sind?

Anhalten und Aussteigen

Wenn man ein Ziel erreicht hat und das Auto nicht mehr braucht, dann stellt man es ab und steigt aus.

Dasselbe sollte man mit dem immer aktiven Geist tun. Doch ich werde immer wieder gefragt, wie man das macht. Wie man den ständig rasenden Gedankenfluss anhält und aussteigt. – Lasst uns diese Frage am Beispiel des Autos betrachten:

(Das Folgende ist ein Frage-Antwort Spiel zwischen Agetsu (A) und der Sangha (S) mit viel Gelächter.)

A: Stellt euch vor, ihr fahrt von der Arbeit nach Hause. Was muss man tun, wenn man das Ziel erreicht?
S: Abschalten!
A: Kann man mitten in der Fahrt einfach abschalten und aussteigen?S:
S: Man muss anhalten.
A: Bevor man anhalten kann, was muss man tun?
S1: Bremsen.
S2: Am Schluss kommt die Handbremse.
A: Halt, nicht so schnell. Wir haben immer sofort Worte parat; unser Denken ist so schnell. Das ist jedoch nicht realistisch. Betrachtet die Sache ganz realistisch: Ihr seid in voller Fahrt und ihr wisst, jetzt komm ich dann gleich an. Was passiert bevor man die Handbremse zieht?
(Kurze Stille)
S: Man muss runterschalten.
A: Aha! – Es sei denn, man fährt einen Automaten!
Kommt euch das bekannt vor? Habt ihr vielleicht schon einmal gesagt bekommen: «Schalt mal einen Gang runter», wenn ihr andere mit eurer Nervosität und Hektik auf die Palme gebracht habt? (Lachen)
Und dann, was folgt als nächstes?
S: Bremsen.
A: Wie geht «bremsen» ganz genau?
S: Langsam, mit Gefühl.
A: Ganz konkret, was tut man zuerst?
S: Man geht vom Gas weg.
A: Genau – und wie geht man vom Gas weg?
S: Man nimmt den Fuss vom Gaspedal.
A: Bravo! Toll! (Lachen) – «Nimm den Fuss vom Gaspedal», «Gib weniger Gas», auch das hat man sicherlich schon in einem anderen Zusammenhang gehört, nicht wahr?
Und dann?
(Stille)
A: Hey, muss ich euch das sagen? Ihr seid fast alle mit dem eigenen Auto hierher gefahren! Ich war nur Mitfahrerin.
S: Man tritt auf das Bremspedal.
A: Und dann?
S: Dann dreht man am Lenkrad und parkt ein.
A: Und dann?
S: Noch mehr bremsen.
A: Und wenn die Karre endlich stillsteht, was kommt dann?
S: Den Motor abstellen.
A: Wie?
S: Den Schlüssel drehen.
A: Aha – und dann?
S: Den Schlüssel rausnehmen.
A: Und dann?
S: Aussteigen.
A: Einfach so?
( kurzes Schweigen)
S: Man muss die Tür aufmachen.
A: Und dann?
S: Aussteigen.
A: Aha, und dann?
S: Türe zumachen, schliessen.
A. Und dann?
S: Wegehen.
A: Natürlich, den Motor abstellen, die Türe aufmachen, aussteigen und weggehen. – Nun ist die Sache erledigt, fertig, Schluss!

Praxis

Nun, bevor ihr euch wieder beklagen wollt, dass ihr nicht meditieren könnt, weil es zu viele Gedanken gibt, erinnert euch an das Spiel, das wir soeben zusammen gespielt haben.

Schaltet einen Gang runter, nehmt den Fuss weg vom Gas, dann wird die Fahrt von Körper und Geist von selbst langsam. Und wenn das Vehikel dann stillsteht, bzw. stillsitzt, dann nehmt den Schlüssel raus und steigt aus.

Die kürzeste Definition von Sitzmeditation, die ich je gehört habe, sagt genau das. Im Original lautet sie:

Sit down, shut up, get out! (Frei übersetzt: Sitz ab, halt’s Maul, geh raus!)

Das ist das, was Zazen ist. Anhalten, den Schlüssel vom Ich-Motor ziehen und aus der gewöhnlichen Welt der Sinne und des Denkens aussteigen. Man kann nicht Zazen machen, wenn man noch in der Ich-Karre sitzt und durch die Gegend fährt.

Aber wie schon gesagt: Wir sind ja so verliebt in unser Auto. Es bringt uns ja überall hin, wohin wir wollenl. Und wehe, dieses Vehikel ist mal etwas defekt oder wird alt. Es läuft nicht mehr so schnell.

Man kann flicken, man kann ausbessern, man kann sogar einige Teile ersetzen. Aber irgendwann ist es Zeit, dieses Vehikel auszutauschen gegen ein anderes.

Das ist eigentlich nichts anderes als das, was Leben-und-Sterben ist.

In meinen Augen ist das Wichtigste, das wir Menschen wissen sollten, dies: Wir sind unterwegs, jeder in seinem auto-mobilen fleischlichen Körper. Aber dieser «läuft» nicht ohne Sprit, ohne die Energie des universalen Geistes.

Und irgendwann ist es Zeit, dieses Vehikel aufzugeben und durch ein anderes zu ersetzen – das heisst, in eine andere Form des Daseins einzutreten.

Die Buddha-Weisheit sagt sogar: Wer diesen ganzen Prozess des Lebes wirklich vollkommen versteht, der kann sich sogar das Modell des nächsten Vehikels auswählen, bevor er stirbt.

Das heisst, das zukünftige Dasein – egal, ob es sich gerade jetzt oder nach dem körperlichen Tod formt – kann durch Bewusstwerdung und einen weisen Lebenswandel positiv beeinflusst werden. (Siehe Buddhas Lehre des bedingten Entstehens.)

Fazit:

Mit Hilfe der angeborenen Weisheit und Intelligenz lernt man, den Körper und den denkenden Geist zu beherrschen. Um dies zu erreichen, muss man die Funktionsweise des Vehikels verstehen und eins werden damit. Eins zu werden bedeutet, das eigenwillige Ich zurückzunehmen und das Steuer der angeborenen Intelligenz zu überlassen. Denn sie ist es, die sowohl das Vehikel bestens kennt, weil sie es erschaffen hat, als auch die Person – das Ich – dem sie das Vehikel ausgeliehen hat.

Mit anderen Worten: Wir sollten der Realität unserer Existenz gewahr sein und unser Ich nicht mit dem Vehikel verwechseln. Das heisst, wir sollten es uns zur Gewohnheit machen, unser Auto (Ich) immer wieder anzuhalten und mit Sprit (Besinnung auf das Wesentliche) aufzufüllen. Andernfalls bleiben wir für immer auf der Strecke.

Das Buddha-Dharma kennenlernen heisst,
das Selbst kennenlernen.
Das Selbst kennenlernen heisst,
das Selbst vergessen.
Das Selbst vergessen heisst,
eins werden mit dem weiten Raum, dem universalen Geist.
– Dogen Zenji

Dharma-Vorträge

Anhalten und Aussteigen
Anhalten und Aussteigen

Nach oben scrollen