Samsāra

Der Kalender für das Jahr 2018 nimmt ein Thema auf, mit dem wir uns in einer früheren Nummer von Dhyāna und auch in einem Kapitel des Buches Form ist LEERE ist Form beschäftigt haben. Es ist das Thema von Samsāra.

Kalender Bilder – 2018

Man darf wohl mit Sicherheit sagen, dass sich die meisten Menschen unserer heutigen Welt in Kreisen drehen, die dem obigen Diagramm nicht unähnlich sind. In unserer Unwissenheit befinden wir uns nicht nur im samsārischen Kreislauf unserer Lebensspanne, sondern in unzähligen täglichen samsārischen Zyklen. Geburt und der folgende Tod von Ideen, Beziehungen, einer Philosophie oder eines Glaubens finden täglich statt. Man würde meinen, die Mikro- und Makro-Beispiele unserer zu nichts führenden Kreisläufe würden uns die Unsinnigkeit des Ganzen vor Augen führen und uns dazu animieren, vom Karussell abzusteigen, aber leider geschieht dies nicht. Und so finden wir uns eines Tages unserer selbst beraubt in einem Geschehen namens Tod.

«I did it their way»

Unsere Glaubenssysteme geben uns Möglichkeiten, damit fertigzuwerden, indem sie uns eine Wiedergeburt in einer anderen Welt namens Himmel oder Hölle in Aussicht stellen, jenachdem, ob man die Regeln und Gesetzte befolgt oder nicht befolgt hat, die von Menschen in Stein gehauen wurden, die weder besser noch schlechter waren, als wir selbst. Diese Nachfolger-Haltung hat in Millionen Jahren zu nichts geführt und wird zu nichts führen, solange wir darauf bestehen, den Worten des alten Liedes «I did it their way», zu folgen, zu deutsch «ich bin ihrem Weg gefolgt» oder «Ich habe es so gemacht, wie sie».

Wenn wir schon darauf bestehen, «ihrem Weg zu folgen», sollten wir es wenigstens so tun, dass es der «richtige Weg» ist. Wenn wir jemandem folgen wollen, wäre es vielleicht gut, jemandem zu folgen, der es «wie andere richtig» gemacht hat. Ich schlage vor, nicht bis im Mai 2018 zu warten, um den richtigen Weg zu finden. Gehen Sie zu Bild #5 in der Diashow und lies gerade jetzt, was Avalokiteshvara und Manjushri und vor allem der Buddha geantwortet haben, als Ananda fragte, wie er und andere (d.h. Menschen wie du und ich) zur vollkommenen Erkenntnis durchbrechen können. Danach befasse dich in deiner Meditation mit den Worten «die erleuchtete Natur des Hörens». Was sagt dir deine Erkenntnis? Worauf weist Avalokiteshvara hin? Wovon spricht er?

Zufälligerweise äusserte sich J. Krishnamurti zu diesem Thema in seiner üblichen einfühlsamen Art und Weise. Der nachfolgende Artikel enthält einen Auszug aus seinem Buch Exploration into Insight, in dem er mit anderen ein Gespräch führt zum Thema «Hören mit dem Herzen».
Viel Freude!

HÖREN MIT DEM HERZEN

P(upul): Ich habe das Gefühl, dass uns allen das zentrale Element des Mitgefühls fehlt. In Benares haben Sie einmal davon gesprochen, dass es möglich sei «mit dem Herzen zu hören». Was bedeutet «hören mit dem Herzen»?

K(rishnamurti): Pupul stellt also eine Frage: Was was ist damit gemeint, was bedeutet es, mit dem Herzen zu hören?

P: Das ist eine entscheidende Sache. Wenn wir Mitgefühl haben, ist nichts ausgeschlossen.

K: Einverstanden, aber wir haben es nicht, leider. Wie sollen wir also vorgehen? Was bedeutet Hören und was ist das Wesen und die Gestalt von Mitgefühl?

P: Was heisst es, mit dem Herzen zu hören; gibt es ein viel tieferes Hören, als das mit den Ohren?

K: Fragen wir zuerst: was heisst hören, was ist die Kunst des Hörens?

F(ritz)W(ilhelm): Die Frage, was hören bedeutet, scheint mit ziemlich schwierig, ich weiss wohl besser, was es bedeutet, nicht zu hören…

K: Das ist dasselbe. D.h. kommen Sie durch Negierung zum Positiven! Wenn Sie in der Untersuchung von hören das ausschliessen, was nicht hören ist, dann hören Sie. Das ist alles!

P: Können wir weitermachen? Es sind also zwei Fragen involviert: Was ist hören, wobei nichthören miteingeschlossen ist, und was ist Mitgefühl.

K: Pupul fragt, was es heisst es, mit dem Herzen zu hören. Ich habe den Begriff «Mitgefühl» eingebracht. Vielleicht sollten wir diesen vorerst weglassen.

P: Sie sprachen über das Hören mit dem Herzen; ich möchte dies wirklich verstehen.

K: Bleiben wir also bei den zwei: hören und mit dem Herzen hören; was bedeutet das?

R(adha): Wir haben gelernt, dass alle gedanklichen Reaktionen fragmentarisch sind. Ob diese nun beobachten oder hören oder was auch immer genannt werden, es kommt auf dasselbe heraus, nicht wahr? Wäre das Hören mit dem Herzen dann das, was vollständig ist?

K: Moment. Du meinst, mit allen vollständig entfalteten Sinnen zu hören ist das eine; nur mit einem bestimmten Sinn zu hören, ist fragmentarisch?

R: Ja.

K: Das heisst, wenn ich mit allen meinen Sinnen höre, dann gibt es kein Problem der Negation von hören oder von nicht hören. Aber wir hören nicht.

S(unanda): Wenn Sie vom Hören mit dem Herzen sprechen, ist meine Reaktion «Ich weiss nichts davon». Aber es gibt eine Regung, ein Gefühl, ein Hören, in dem das Bewusstsein nicht Gedanke ist. Ich nehme war, dass es eine Gefühlsregung gibt, wenn ich Radhaji oder jemandem zuhöre; es gibt ein bestimmtes Gefühl mit dem man einander zuhört. Es ist eine andere Art von Kommunikation, wenn dieses Gefühl vorhanden ist.

K: Ist Gefühl etwas anderes als Gedanke?

P: Es unterscheidet sich vom Denken.

S: Wenn Gefühl und Gedanke nichts anderes sind, dann kennen wir nichts anderes als Denken. Diese Aussage zu akzeptieren ist sehr schwer, denn wir kennen auch Zärtlichkeit, Zuneigung. Wenn alles in die Kategorie von Gedanken fällt, wenn das die Gesamtheit von Bewusstsein ausmacht, dann…

K: Wir müssen klar bleiben. Mach keine Kategorien. Lasst uns langsam vorgehen. Höre ich denkend oder höre ich nicht denkend? Das ist das Problem. Ist das Denken am Hören beteiligt oder ist es nicht beteiligt? Ich frage euch.

P: Kann man hören ohne zu denken?

K: Ja.

P: Ab und zu, vielleicht einmal im Leben, hat man das uneingeschränkte Gefühl der Einheit von Herz, Geist und Bewusstsein.

K: Ich verstehe das.

P: Wenn man fragt, ob es ein Hören ohne Denken gibt, kann man sagen «Ja, das gibt es», aber ich erlaube mir zu sagen, dass immer noch etwas fehlt.

K: Wir werden dazu kommen. Lasst uns langsam vorgehen.

A(chyut): Auf einer tieferen Schwingungseben der Empfindsamkeit mag es keine artikulierten Gedanken geben, aber Hören. Dieses Hören ist ohne Mitempfinden. Also ist es nicht lebendig.

K: Ich denke, wir sollten mit der Frage beginnen, was Kommunikation wirklich ist. Ich will euch etwas sagen, das mich tief beschäftigt. Ihr müsst bereit sein, euch auf das Problem einzulassen, oder auf die Frage oder die Aussage, die man euch vorlegt. Das heisst, ihr müsst dasselbe Interesse haben wie der Sprecher, dieselbe Intensität und müsst ihm auch auf derselben Ebene begegnen. All dies ist in Kommunikation inbegriffen. Andererseits ist es keine Kommunikation.

S: Interesse kann man nachvollziehen, aber die Ebene ist schwer zu kennen.

P: Kann ich etwas sagen? Mit der Einführung des Wortes «Kommunikation» führen sie die Zweiheit ein. Beim Hören mit dem Herzen gibt es vielleicht keine Zweiheit.

K: Ja. Wir kommen zu dem. Was ist Hören mit dem Herzen? Ich will euch etwas sagen, das ich tief empfinde. Wie hört ihr zu? Ich will es mit euch teilen, ich will, dass ihr es mit mir fühlt, ich will, dass ihr teilnehmt an mir. Wie sonst kann es Kommunikation geben?

S: Wie kann man die Ebene erkennen?

K: In dem Moment, wo es nicht intellektuell ist, nicht verbal, sondern ein intensives Problem, ein brennendes Problem, das ich mit euch teilen möchte. Dann müssen wir auf derselben Ebene sein, auf Augenhöhe, sonst könnt ihr nicht hören.

S: Wenn grosse Ernsthaftigkeit vorhanden ist, wäre dies die richtige Ebene.

K: Jetzt hören Sie nicht zu. Das ist mein Problem. Ich will Ihnen etwas sehr Wichtiges sagen. Ich will, dass Sie es hören, weil Sie ein Mensch sind und es um Ihr Problem geht. Sie haben sich vielleicht noch nicht darin vertieft. Indem sie es mit mir teilen, bringen Sie ihre eigene Intensität hinein. Deshalb setzt Hören eine Teilnahme voraus, eine nichtverbale Kommunikation. Es muss ein Zuhören, ein Teilen sein, und das setzt die Absenz verbaler Verzerrung voraus.

P: Offenbar kann man nur kommunizieren, wenn es eine gemeinsame Ebene gibt.

K: Genau das sage ich. Nun, Sunanda, wie wollen Sie mir zuhören? Auf diese Weise?

S: Mir scheint, man hört nicht jedermann auf diese Weise zu.

K: Jetzt rede ich; ich frage Sie, wollen Sie mir auf diese Weise zuhören?

P: Auf Sie hören wir.

K: Weil ihr euch ein Bild von mir gemacht habt und diesem Bild Bedeutung gebt, deshalb hört ihr zu.

S: Nicht dem Bild allein.

K: Sie verfehlen den springenden Punkt. Können Sie nicht dem Mann zuhören, die gerade jetzt spricht, und Radha zuhören, wenn sie spricht oder wenn Archyut oder sonst jemand spricht? Können Sie hören? Man will ihnen vielleicht etwas übermitteln, das man nicht in Worte fassen kann. Wollen Sie allen auf die gleich Art und Weise zuhören?

S: Wir hören einigen zu, aber nicht allen.

K: Warum?

P: Wegen Vorurteilen.

K: Natürlich; dann gibt es keine Kommunikation.

P: Wollen Sie sagen, auf die Stimme zu hören, die aus der Wahrheit kommt, kann dasselbe sein, wie auf die Stimme zu hören, die aus dem Denken kommt? Ja?

K: Das ist spitzfindig.

P: Nein, das ist nicht spitzfindig. Ihr Stimme zählt mehr.

R: Ich denke, hier geht es um das Hören überhaupt, das ganzheitliche Hören. Wenn man aufnimmt, spielt es keine Rolle, ob die Stimme aus der Wahrheit kommt oder von woanders.

P: Das ist bei uns aber nicht der Fall.

Raj(esh Dalal): Wir hören mit einer Absicht. Das Motiv mag sehr subtil oder offensichtlich sein. Wir denken, wenn andere reden, haben wir nichts davon, doch wenn Krishnaji spricht, dann hören wir aufmerksamer zu.

K: Wie können wir all dies ändern und einander zuhören?

FW: Ist das eine Sache der Interpretation? spricht und aus der Stille

K: Nein; interpretieren Sie nicht, um Gottes willen, hören Sie zu! Ich gehe z.B. zu Kata, um etwas über Karate zu lernen. Ich kann Filme darüber sehen, verstehe aber nichts davon. Also gehe ich zu ihm ohne wissen. Und deshalb höre ich, was er sagt. Doch ihr wissen immer … und dort liegt euer Problem. Ihr sagt, etwas sollte so oder so sein — lauter Mutmassungen und Meinungen. Sobald ich den Mund aufmache, seid ihr hellwach. Aber die Hauptsache ist die Kunst des Hörens. Kunst bedeutet hier, allem seinen richtigen Platz zuzuweisen. Man mag Vorurteile haben oder eigene Schlüsse ziehen, aber beim Hören legt man all dies weg — Interpretationen, Vergleiche, Urteile, Bewertungen, legt es alles weg! Dann findet Kommunikation statt. Wenn jemand sagt: «Ich liebe dich», sagt man auch nicht, lass mich darüber nachdenken.

R: Alles weglegen heisst also, auf derselben Ebene zu sein mit derselben Intensität.

K: Was sonst?

R: Ich sehe das ein, aber ich tue es nicht.

K: Dann tun Sie es jetzt!

S: Sie sagen also, die Kunst des Hörens wische alles weg, verschlucke alles, für einen Moment.

K: Also, worin besteht die Kunst des Hörens, was heisst es, mit dem Herzen zu hören? Wenn man nicht mit dem Herzen hört, macht es keinen Sinn. Wenn man mit Sorgfalt hört, mit Aufmerksamkeit, Warmherzigkeit, einem tiefen Gefühl der Verbundenheit mit einander, dann hört man mit allen Sinnen, nicht wahr?

P. Mit Haut und Haar und Knochen.

K: Wollt ihr so hören? Können wir jemandem zuhören, den wir nicht mögen, den wir doof halten? Könnt ihr jenem Mann oder jener Frau mit dem Herzen zuhören? Ich denke, wenn man dieses Gefühl hat, dann sind die Worte nicht mehr wichtig. Lasst uns weiterfahren: Was geschieht dann? Angenommen ich höre zu und tat dies schon oft im Leben. Ich höre sehr sorgfältig zu, habe keine Vorurteile, kein Bild, keine Meinung, ich bin kein Politiker, ich bin ein Mensch, der einem anderen Menschen zuhört. Ich höre einfach zu, weil mir dieser Mitmensch etwas sagen will. Da er ein Bild von mir hat, begegnet er mir mit einer Maske. Wenn er ernsthaft mit mir sprechen will, sage ich: «Nimm die Maske weg, lass uns die Sache zusammen anschauen.» Ich will nicht hinter die Maske schauen, es sei denn, ich werde eingeladen dazu.

Wenn er sagt: «Gut, Sir, sprechen wir darüber», dann höre ich zu. Und was ich höre, ist etwas, das so absolut und vollkommen normal und allen Menschen gemeinsam ist. Die Ausdrucksweise mag verdreht, ungeschickt oder unüberlegt sein, aber es handelt sich um etwas, das jede Frau, jeder Mann erleidet; er schildert es mir und ich höre zu. Er erzählt mir die Geschichte der Menschheit. Also höre ich nicht nur auf die Worte, die oberflächlichen Gefühle des Sprechenden, sondern auch auf die fundamentale Tiefe dessen, was gesagt wird.

Wenn es oberflächlich ist, dann beginnen wir oberflächlich und graben tiefer und tiefer, bis er die Sache wahrhaftig fühlt. Könnt ihr mir folgen? Es kann sein, dass jemand ein Gefühl zum Ausdruck bringt, das sehr oberflächlich ist, und wenn das der Fall ist, dann sage ich: «Lass uns genauer hinschauen.» Auf diese Weise immer tiefer vordringend, drückt sich etwas Allegmeinmenschliches aus. Etwas, das ohne Einschränkung allen Menschen zu eigen ist. Versteht ihr? Es gibt also keine Trennung zwischen dem anderen und mir.

(Anmerkung von Agetsu: Dies ist eine treffende und ausgezeichnete Beschreibung von dem, was wir in der Einzelbegegnung, dem sogenannten Dokusan oder Sanzen anstreben.)

P: Woher kommt dieses Hören?

K: Aus dem Mitgefühl. — Was also ist Mitgefühl? Wie Fritz sagte, es ist nicht erkennbar für uns. Wie kann ich dann diese ausserordentliche Weisheit «haben», die Mitgefühl genannt wird? Wie kann ich diese Blume in meinem Herzen zum Blühen zu bringen. Was ist also zu tun?

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Bodhisattva Avalokiteshvara/Guanyin/Kuan-yin/Lokesvarak/Kanzeon/Kannon/Chenresi ist bekannt als der Bodhisattva des Mitgefühls.
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