
Studieren Kontemplieren Meditieren – Wir alle schwimmen den ganzen Tag, vom Aufwachen bis zum Einschlafen, in einem Meer aus mentalem Müll, bestehend aus Buchstaben. Unsere Handys summen ständig und Fast-Food-Zeitungen bieten uns jede Menge Einblicke in belanglose Propaganda. Es kostet uns nichts, ausser unsere Zeit. Wir geben unsere Aufmerksamkeit bereitwillig an unsere fast schon chirurgisch implantierten Ohrstöpsel ab – und was hören wir? Wir checken unsere Handys, um zu sehen, wie viele unserer Cyber-Freunde noch von unserem Witz und unserer Weisheit beeindruckt sind. – Wir spüren, dass etwas furchtbar falsch ist, aber da es alle anderen auch machen, kann es ja nicht falsch sein.
°
Einige von uns haben die Fallen und Tücken des heutigen Sozialverhaltens erkannt und suchen nach einem Ausweg. Wir sehen die Sackgasse, in die wir geraten, wenn wir unseren Gedanken hinterherjagen, die immer wieder dieselben neuronalen Synapsen, dieselben Erfahrungen und dasselbe Dukkha auslösen.
Mit der Zeit – ohne unsere angeborene Intelligenz dem Gott der höllischen iPhone-Apps vollständig geopfert zu haben – stellt sich die Frage: „Wie fängt man an, seine mentale Landschaft aufzuräumen, ohne einfach nur ein Stück Unkraut durch ein anderes zu ersetzen?” Oder noch prägnanter: „Wie komme ich aus dieser mentalen Jauchegrube heraus, die ich selbst geschaffen habe?”
Sobald du die überwältigende Erkenntnis gewonnen hast, dass „meine Jauchegrube mein eigenes Werk ist und nicht das meiner Großeltern, Eltern, meines Ehepartners, meiner Liebhaber, meiner Geschwister, meiner Kollegen, meiner Nachbarn, der Götter, der Teufel, der Sonnenflecken oder was auch immer mein Lieblingssündenbock ist”, bist du auf dem Weg zu einem Dukkha-freien Dasein. Vorausgesetzt natürlich, du hast den Mut, diese Aufgabe anzunehmen, und die Ausdauer, sie bis zum Ende durchzuziehen.
°
Um es klar zu sagen: Deine Reise zum Verständnis deines Geistes ist ein Abenteuer, das 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr andauert – dein ganzes Leben lang. Du wirst unzählige Male fallen und wieder aufstehen, aber die Anzahl deines Aufstehens wird immer um eins größer sein als die Anzahl deiner Stürze.
Tausende von Experten mit unterschiedlichen Kompetenzen behaupten, die Methoden zu kennen, die du für eine gründliche mentale Entgiftung anwenden solltest. Eine Google-Suche nach „mentale Entgiftung” liefert über 27 Seiten mit Ergebnissen und bei Amazon werden mehr als 900 Produkte angeboten.
Warum solltest du deine Zeit damit verbringen, die Worte teilweise entgifteter Köpfe zu studieren, wenn du dich auf die echten Lehren von Buddha Shakyamuni konzentrieren kannst? Vor 2500 Jahren hat dieser Mensch seinen Geist entgiftet und 35 Jahre damit verbracht, seine Weisheit mit anderen zu teilen. Warum also nicht die Quelle der Geist-Entgiftung erkunden, wie sie in seinen Sutras dargestellt wird?
°
Der Rat des Buddha zur Geist-Entgiftung ist einfach: Studieren, Kontemplieren, Meditieren.
Studieren Kontemplieren Meditieren
Hier sind einige Möglichkeiten, wie du dein Studium angehen kannst.
Lesung 1
Die erste Lesung erstellt einen „Wegweiser“. Blättere durch den Text, um dich mit seinem Inhalt und seiner Struktur vertraut zu machen. Das geht ziemlich schnell. Zum Beispiel kann der Autor ein Thema ohne offensichtliche Einleitung einführen. Dann entwickelt er/sie das Thema im restlichen Text weiter. Wenn du das nicht weißt und versuchst, den Artikel beim ersten Durchgang gründlich zu lesen, verliert du den Faden.
Man kann den Text auch in eine KI-App eingeben und die App den Text zusammenfassen und eine Liste mit den wichtigsten Punkten erstellen lassen. So kriegt man einen Überblick über das ganze Dokument. Probier’s hier aus: https://duckduckgo.com/?q=DuckDuckGo+AI+Chat&ia=chat&duckai=1
°
Lesung 2:
Lies den Text, um ihn zu verstehen. Lass den Autor seine Logik entwickeln, ohne dich einzumischen. Halte deine Urteile und Meinungen zurück. Wie kannst du die Worte verstehen, wenn du mit dir selbst ein Gespräch über den Text führst? Das ist etwas anspruchsvoller als die erste Lesung. Studiere deine Gedanken. Was machen sie? Versuch nicht, den Text auswendig zu lernen. Du verwirrst dich nur selbst. Dein Verstand muss die gesamte Begriffsstruktur erfassen. Geistig musst du mit dem Text fließen, wie ein Fluss ohne Hindernisse.
°
Lesung 3:
Nun, da du sozusagen das „ganze Bild“ hast, lass den Autor mit dir sprechen. Es ist keine Predigt. Mit etwas Sorgfalt kannst du an seinem geistigen Prozess teilnehmen. Das ist es, wo du geistig sein willst. Du wirst es verstehen, wenn du dich nicht einmischst (d. h. Meinungen, Urteile usw.). Es kann sein, dass du nicht in der Lage bist, das Gelesene zu wiederholen, und das ist ein positives Zeichen. Du möchtest in einem Zustand sein, in dem du die Essenz seiner Gedanken aufnimmst. Diese Absorption ist kein Auswendiglernen.
Richtig lesen! 10 Techniken, mit denen du jeden Text verstehst
Jedes erneute Lesen in Verbindung mit Kontemplation und Meditation wird dir helfen, dich daran zu erinnern, wer du bist.
Nimm dir Zeit dafür. Vielleicht entdeckst du dich dabei, dass du ergänzende Materialien studierst. Das ist ein gutes Zeichen. Das wird deine Vertrautheit mit den Themen erweitern und zu besserem Verständnis führen. Denk daran, es gibt keine Ziele. Niemand führt Buch (auch du nicht).
Dieses Verständnis ist nicht intellektuell. Es ist nicht von dir getrennt. Es ist kein Objekt. Es ist der Prozess, den Staub vom Spiegel zu entfernen. Du bist hier, in dieser Welt, zu dieser Zeit, um dich durch Studium, Kontemplation und Meditation wieder zu deinem ursprünglichen Selbst zu erwecken.
°
Studieren Kontemplieren Meditieren
Die Buddhisten haben schon lange beobachtet, dass wir die Dinge nicht so sehen, wie sie sind,
sondern so, wie wir sind.
Wie der chinesische Gelehrte Xunzi (Hsün-tzu) im 3. Jahrhundert schrieb:
„Das Wissen des kleinlichen Menschen geht in seinen Kopf und kommt aus seinem Mund, die Worte haben nur die zehn Zentimeter zwischen Ohr und Mund beeinflusst. Das Ziel eines weisen Menschen sollte es stattdessen sein, dass das Gelernte in sein Ohr eintritt, sich in seinem Geist festsetzt, sich über seine vier Glieder ausbreitet und sich in seinen Handlungen manifestiert.“
°
Das heißt nicht, dass wir die Konzepte ignorieren sollten.
Der Sanskrit-Gelehrte Ben Williams erklärt, dass das „nicht-konzeptuelle Erfassen der Realität“ dadurch kultiviert wird, dass man mit Konzepten wie den Vier Edlen Wahrheiten arbeitet, bis die Lehre und unsere Wahrnehmung der Welt „ihren konzeptuellen Charakter in einer völlig reinen und lebendigen Wahrnehmung der Realität ablegt“. In diesem Sinne ist „Philosophieren, insbesondere dialektisches Philosophieren, ein tiefgreifendes Werkzeug der Kontemplation“, schreibt Professor Williams.
°
PRAKTIZIEREN: NEUN TIPPS FÜR DIE KONTEMPLATION
Kontemplation ist eine Übung, und wie bei jeder anderen Übung (z. B. achtsames Essen) brauchst du vielleicht ein bisschen Zeit, um dich daran zu gewöhnen. Die folgenden Tipps helfen dir dabei, das Dharma in dein Denken zu integrieren wo es dich von innen heraus verändern wird. Nimm es dir zu Herzen.
1
Wenn du über eine Lehre oder Geschichte nachdenkst, achte darauf, dass sie dich anspricht. Wenn das nicht der Fall ist, formuliere sie so lange um, bis sie es tut. Ersetze Bilder wie Elefanten oder Streitwagen durch moderne Entsprechungen (Autos oder ein iPad), ohne dabei die Bedeutung zu verändern. Mache dir die Geschichte zu eigen. Aber denke daran, wenn du die Geschichte zu sehr veränderst, verliert sie ihre Bedeutung.
°
2
Schau alle Wörter nach, die du nicht kennst, vor allem, wenn du sie ändern willst. Das Ziel ist, dich mit der wörtlichen oder vorläufigen Bedeutung der Begriffe vertraut zu machen, was im Sanskrit neyartha genannt wird. (Traditionell würde man sich in dieser Phase den Meditationstext auswendig lernen.)
°
3
Nachdem du neyartha gelernt hast, geh zu nitartha, der wahren oder endgültigen Bedeutung. Das erreichst du, indem du tiefer über die Bedeutung nachdenkst und deinen Gedanken freien Lauf lässt. Frag dich selbst: „Wie würde ich das Leben erleben, wenn ich die Wahrheit dieser Aussage vollständig verstehen würde?“ Stell dir vor, wie du dich anders durch die Welt bewegen würdest, wenn du diese Wahrheit in dir trägst.
°
4
Wenn dir die Kontemplation langweilig wird und du denkst, dass du sie gründlich verstanden hast, bleib dabei.
Suche nach einem tieferen Verständnis, als du mit deinem Verstand erreichen kannst.(Viele Kontemplative versuchen, über ihre eigenen Kräfte hinauszugehen, indem sie einen Bodhisattva wie Manjushri um Hilfe bitten oder ein Mantra rezitieren.)
Wenn die Kontemplation stagniert, stell eine Frage. Setz dich hin und warte still. Oft kommt direkt nach dem Fragen ein Moment der Offenheit. In dieser Lücke liegt die wortlose Antwort. Fragen sind wichtiger als Antworten.
°
5
Schlaf darüber. Geh ein paar Tage oder Wochen lang mit dem Abschnitt, über den du nachdenkst, schlafen, wach damit auf und komm im Laufe des Tages immer wieder darauf zurück.
Lass deinen Körper und dein Unterbewusstsein im Hintergrund arbeiten, um die Lehre zu verarbeiten, zu verdauen und zu verinnerlichen. Im Schlaf werden Verbindungen zwischen weit auseinander liegenden Informationen hergestellt, die tagsüber nicht offensichtlich sind. Während du schläfst und träumst, arbeiten tiefere Aspekte deines Wesens, während die Lehren unterhalb der Schwelle deines Bewusstseins keimen. Vielleicht träumst du sogar von der Lehre.
Kontemplation reift zu stiller Meditation.
°
6
Wenn du dich mit Kontemplation beschäftigst, wird sie auf dich wirken. Das ist der Kern der tibetischen Lojong -Praxis (Geistestraining), bei der kurze Kontemplationen eingesetzt werden, die in deinem Geist nachhallen sollen. Und zwar oft dann, wenn du sie am meisten brauchst.
°
Mit der Kontemplationspraxis baust du ebenfalls eine Reihe von „Pop-ups“ tief in deinem Körper-Geist ein, die zu zufälligen Zeitpunkten in deinem Bewusstsein auftauchen werden.
Vielleicht bist du in einer schwierigen Situation, wenn plötzlich, wie durch Zauberei, genau im richtigen Moment eine Unterweisung auftaucht.
Nach den tibetisch-buddhistischen Bardo-Lehren über den Übergang von diesem Leben zum nächsten wird die durch deine Kontemplationen und Meditationen erlangte Weisheit dir nach dem Tod folgen und dich leiten.
°
7
Untersuche jeden Widerstand, den du möglicherweise hast, die Weisheit des kontemplierten Materials anzunehmen. Irritiert dich die Kontemplation? Kontemplation ist eine mentale Yoga-Übung, und der Widerstand, den du spürst, ist wie eine Dehnung. Arbeite weiter mit der Kontemplation und lass dich tiefer darauf ein. Wie bei jeder anderen Dehnübung auch, erziehlt man keine besseren Ergebnisse, wenn man zu schnell vorgeht.
Widerstand und Angst können Zeichen sein dafür, dass die versteckten Abwehrmechanismen des Egos treten in Aktion treten. Der Buddha und Christus erlebten die selben Ego-Eimischungen. Sie haben sie überwunden. Nun bist du an der Reihe, dies zu tun.
°
8
Lass dich von den Lehren besiegen. Mach weiter, bis die Kontemplation den konzeptuellen Verstand schachmatt setzt – ihn zum Schweigen bringt.
Hier kommt die Kontemplation zur Entfaltung und reift zu stiller Meditation. Nun ist die Lehre verarbeitet, und sie macht dich sprachlos.
Bodhidharma sass in Meditation versunken in einer Höhle. Ein junger Mann stand draussen und wartete lange darauf, von ihm beachtet zu werden. Schließlich kam er aus der Höhle heraus und fragte ihn: «Warum stehst Du hier herum, was willst du von mir?» Der Mann antwortete: «Ich habe das Dharma viele Jahre studiert, aber meine Seele findet einfach keine Ruhe. Bitte helfen Sie mir.»
Bodhidharma sagte: «Gut, bring mir deine Seele und ich werde sie beruhigen.» Der junge Mann ging weg. Als er nach einer gewissen Zeit wieder vor der Höhle stand, fragte in Bodhidharma: «Nun, hast du mir deine Seele gebracht?» Der Mann antwortete: «Ich habe sie überall gesucht, konnte sie aber nirgends finden». Bodhidharma sagte: «Siehst du, ich habe sie schon beruhigt» und kehrte in seine Höhle zurück.
°
9
Lass los. Lass die Kontemplation los. Aber beobachte, wie die Weisheit, sobald du sie vollständig verinnerlicht hast, dein Leben zu erfüllen beginnt. Nun ist sie eine lebendige Realität, die sich in eine pulsierende Kraft in dir verwandelt. Die Lehre bist du.
Der obige Text stammt zum Großteil aus einem Artikel in Tricycle mit dem Titel „The Lost Art of Contemplation” (Die verlorene Kunst der Kontemplation) von Andrew Holecek. Tricycle ist seit 30 Jahren eine führende Publikation zu allen Themen des Buddhismus. Besuche ihre Website.
Studieren Kontemplieren Meditieren
