Blick in einen Vulkan

AWH, Meditationswoche August 2023

Wir befinden uns am 4. Tag unserer Reise durch diese Meditationswoche. Nun zieht eure geistigen Wanderschuhe an. Wir steigen heute auf einen Berg und werfen einen Blick in einen Vulkan. Das ist eine gute Gelegenheit, das bisher Eingeübte anzuwenden.

Am Ankunftstag haben wir uns sozusagen im Basis-Camp versammelt. Montag und Dienstag dienten der Akklimatisierung. Und jetzt steigen wir ein bisschen in die Höhe. Hoffentlich mit möglichst leichtem Gepäck.

Buddhas Meditationsweg wird ja oft verglichen mit dem Aufstieg auf einen Berg. Dort gibt es rundum freie Sicht über Berg und Tal und in den klaren Himmel. Man verweilt eine kurze Zeit und kehrt dann wieder ins Tal zurück.

Beim Aufstieg vom Tal kehrt man dem Lärm und der Geschäftigkeit des täglichen Lebens den Rücken. Auf dem Gipfel erfährt man die Schönheit und Stille der Raum- und Zeitlosigkeit. Mit der Rückkehr ins Tal bringt man diese Erfahrung ins tägliche Leben und teilt sie mit anderen Menschen.

In Wirklichkeit gibt es natürlich keinen Aufstieg in luftige Höhen, kein Vorwärts oder Rückwärts in der Meditation. Solche Sinnbilder sind nur Hilfsmittel oder Brücken zur Selbsterkenntnis. Denn unsere Erfahrungen der Aussenwelt sind ja nicht getrennt von den Erfahrungen der Innenwelt und umgekehrt.

Dies gesagt, fahre ich nun fort, das Sinnbild einer Wanderung zu einem Vulkan zu benutzen.

Geistige Wanderschaft

Alle unter euch, die gerne wandern, wissen vermutlich, dass man in der lebendigen Natur wunderbar über so manches nachdenken und sinnieren kann. Mit der Zeit jedoch verblassen die Gedanken des Alltags und es kann sich ein beglückendes Gefühl der Präsenz einstellen. Man ist in direkter Beziehung zur Natur um einen herum. Die Blumen, Berge, Wolken und alles, was kreucht und fleucht, ist so, wie es ist, voller Wunder und Verheissung.

Dies kann natürlich nur dann geschehen, wenn man vollkommen empfänglich ist für die diversen Schwingungen der Formen und Farben um einen herum und nicht dauernd quasselt. Das Geschwätz im eigenen Kopf oder mit anderen Wanderern lässt keinen Raum dafür. Man muss alleine sein mit sich selbst und schweigen.

Nur wenn man schweigt und sich der Stille öffnet, hört man ihre Botschaft. Sie spricht von der Wahrheit und Weisheit des universalen Lebens.

Schweigen und Lauschen ist der Haupteingang zur Meditation – jener Meditation, die keinem Ziel und keinem Zweck dient, sondern allein dem Verweilen in der grossen, lebendigen Stille des Da-Seins.

Wie beim Wandern in den Bergen, erfordert auch die Reise in die innere Landschaft eine gewisse Entschlossenheit und Kondition, damit man nicht an jeder Kurve stehen bleibt und nach Atem ringen muss oder zu schnell ermüdet. Die Herausforderung besteht darin, sich nicht von den lärmenden Gedanken und Emotionen ablenken zu lassen und sich entschlossen davon zu lösen. Dafür braucht man einen regelmässigen Atem und eine starke geistige Muskulatur.

All dies haben wir hoffentlich eingeübt und gefestigt. Nicht nur in den letzten Tagen, sondern in den Monaten oder Jahren, in denen wir schon auf dem Lebensweg unterwegs sind.

Der Aufstieg

Je höher wir steigen und je näher wir dem Vulkan kommen, desto grauer und schwärzer erscheint das Gesteinsmaterial, auf dem wir gehen. Wiesen und Bäume sind keine mehr zu sehen. Wir hören ein entferntes Grollen, die Luft verändert sich. Sie wird dünner und schwerer zugleich, ein merkwürdiger Duft haftet ihr an.

Manche geraten jetzt vielleicht etwas ausser Atem. Manche mögen zögern, andere vielleicht vorpreschen in Erwartung eines spektakulären Erlebnisses. Doch Eile ist in dieser Atmosphäre alles andere als hilfreich.

Auch der Meditationsweg nach innen fühlt sich oft steil und steinig an. Das Verschwinden des Bekannten und die Annäherung an das Unbekannte erzeugen fast automatisch Unbehagen, vielleicht sogar Angst und Zweifel. Man schaut immer wieder zurück und zögert weiterzugehen.

Beobachtet euch selbst und schaut, was in euch vorgeht, und wie ihr gewohnheitsmässig reagiert, wenn eine abenteuerliche Situation auf euch zu kommt.

In Momenten, in denen Unsicherheit und Furcht drohen, – egal, ob in der inneren oder äusseren Erlebniswelt – gibt es nur eins: Nämlich ganz und gar den eigenen Kräften zu vertrauen und mutig fortzuschreiten: Einatmen – ausatmen, einatmen – ausatmen. Schritt für Schritt, ohne Eile, ohne Druck.

Der Blick in den Vulkan

So erreichen wir schliesslich den Vulkan und schauen in seinen Krater. Tief unten brodelt und rumpelt es. Ab und zu schiesst ein Funken in die Luft, manchmal eine Gaswolke und Dampf – es blubbert, dampft, funkt und stinkt.

Was geht hier eigentlich vor? Was sehen wir?

Wir schauen direkt in den elementaren Prozess vom «Sterben und Werden» unserer Welt. Was da brodelt und brennt ist lebensspendende Materie, welche über Jahrmillionen durch die Kraft des Feuers in Verbindung mit den Elementen Erde, Wasser und Luft entstanden ist.

Wir sehen die enorme Energie, die ihre eigene Schöpfung auflösen, verschlucken und wieder ausspucken kann. Es ist das Chaos, in dem sämtliche Elemente vermischt sind. Es zischt und raucht und speit und funkt und alles, was in dieses Feuer hineingeworfen wird, wird sofort versengt.

Die Vorstellung, da hineinzufallen, ist beängstigend, nicht wahr?

Wir Menschen empfinden ein alles versengendes Feuer im wahrsten Sinne des Wortes als «furcht-bar». Wir fürchten nichts so sehr, wie das Ende von allem, was einmal entstanden ist; insbesondere den Verlust der eigenen Besitztümer inklusive des eigenen Ichs. Der Blick in den Vulkan konfrontiert uns mit unserer Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit angesichts der Macht der Natur.

Auch in der Sitzmeditation kann es geschehen, dass sich plötzlich ein Vulkan oder ein jäher Abgrund in einem auftut. Dann schreckt man automatisch auf und fühlt eine undefinierbare Angst.

Das, was in unserem inneren Vulkan brodelt und raucht, ist in der Regel unverdautes Erlebnismaterial aus der Vergangenheit – jeder Mensch trägt diverse Traumata mit sich herum – oder Erinnerungen, die man lieber verdrängt als erträgt. Oft öffnet sich der vermeintliche Abgrund dann, wenn das Denken zu einem Ende kommt und das Ichbewusstsein für einen Moment ausgeschaltet ist.

Solche Momente in der Meditation zu erleben, beinhalten eine grosse Chance zur Erkenntnis des eigenen wahren Wesens.

Warum ist das so?

Transformation

Wenn die Natur durch Feuer ihre eigene Schöpfung zerstört, halten wir dies für eine Katastrophe. In Wahrheit jedoch ist das Feuer die Mutter des Lebens. Die Erde und alles, was sie hervorbringt, entstammt dem grossen Feuer unseres Sonnensystems. Das ganze Universum ist geballte Energie, die Leben schafft und Leben nimmt.

Geologen, Geografen und Biologen haben durch die Beobachtung von Vulkanausbrüchen oder verheerenden Waldbränden schon oft dokumentieren können, wie aus der Öde verbrannter Erde in kurzer Zeit neues Leben spriesst.

Auch in unserem eigenen Körper, hier und jetzt, ist ein Feuer am Werk. Da werden andauernd Zellen verbrannt und neue geschaffen. Unser ganzer Organismus ist abhängig von diesem Feuer. Es wird gespiesen von unseren Nahrungsmitteln und der Atemluft. Sobald es erlischt, sind wir tot. Und werden zur Nahrung für andere Wesen.

Dasselbe können wir mit Hilfe der Meditation erfahren: Indem wird dem Blick in den Vulkan und der damit verbundenen Angst standhalten, realisieren wir, dass es in uns ein Feuer gibt, das alle Bewusstseinsinhalte verbrennt und verwandelt. Es ist das Feuer der reinen Geistes (Prajna). Es manifestiert sich in uns als Erkenntniskraft, die Unwissenheit in Wissen, Täuschung in Klarsicht transformiert.

Das universale Prinzip des Lebens: Schöpfung-Zerstörung-Auflösung, Schöpfung-Zerstörung-Auflösung ist also auf allen Ebenen unserer Lebenserfahrungen wirksam: auf der irdischen, der körperlichen und der seelischen.

Das Wissen um das Miteinander von Tod und Auferstehung ist tief im menschlichen Erbgut verankert. Für die Menschen, die noch in direkter Verbundenheit mit der Natur leben, ist es die aktuelle, gegenwärtige Realität. Aber je mehr man sich der Natur entfremdet, umso tiefer versinkt dieses in der Dunkelheit des Vergessens.

Dann denkt man, dass das, was jetzt existiert – die Welt mit allem Drum und Dran – sei etwas Substanzielles von bleibendem Wert. Man klammern sich daran und verscheucht alle Hinweise, dass es nur vorübergehende Gebilde sind, aus dem Bewusstsein.

Die Kostbarkeit der Wandlung

Wie schon gesagt:, wir Menschen erleben unerwartete Veränderungen sehr oft als Katastrophe. Wir jammern zum Beispiel über den sogenannten Klimawandel und ignorieren die Tatsache, dass das Land, auf dem wir heute leben, früher einmal eine Steppe war oder von Eis und Wasser bedeckt. Auch hier erklären wir das universale Prinzip des stetigen Wandels zur Katastrophe.

Die grösste persönliche Katastrophe überhaupt ist natürlich der Tod des eigenen Körpers oder der eigenen Identität, wenn alles Bekannte und Geliebte zu Ende geht.

Doch statt den Tatsachen des Lebens ins Auge zu blicken, machen wir sie zu Katastrophen, die es unter allen Umständen zu vermeiden gilt. Diese Angst und Abwehr der Wahrheit ist die Ursache für alles Leiden auf der Welt. Unsere Ignoranz und Verleugnung erzeugen die Katastrophen von Krieg, Völkermord und religiösem Wahnsinn.

Angst und Abwehr sind auch die Barrieren, die uns in der Meditation den Weg zur wahren Quelle unseres Seins versperren. So hindert uns zum Beispiel die Angst vor der Vernichtung unserer scheinbaren Sicherheit daran, unser eigenes Schicksal – egal wie schwierig es uns scheint – anzunehmen.

Indem wir die Augen öffnen und in das kosmische Stirb-und-Werde schauen, könnten wir die enorme Transformationskraft sehen, die darin enthalten ist. Wir könnten erkennen, dass jede grosse oder kleine Katastrophe eine Chance ist, etwas Altes hinter sich zu lassen und sich dem Neuen zu öffnen. Würden wir die Ichzentriertheit überwinden und uns gewahr werden, dass jedes Ende ein Anfang ist und auf die Unzerstörbarkeit des Lebens vertrauen, könnten wir es als Sprungbrett in die Furchtlosigkeit nutzen.

Wir könnten erkennen, dass es im grossen Leben nie ein endgültiges Ende gibt, und die Natur sich immer wieder erneuert, wir könnten das Vertrauen in unsere eigene Urnatur nähren und stärken und als Sprungbrett in die Furchtlosigkeit nutzen. Auf diese Weise könnten wir lernen, immer wieder zu sterben und neu zu leben. Denn Feuer verbrennt alles, nur sich selber nicht.

Recycling

Wie gesagt, in der Natur bedeutet Vernichtung nie das Ende. Vergeht etwas, wird etwas Neues daraus. Die Bauelemente sind immer dieselben. Die Schöpfungskraft, welche diese Elemente wiederverwertet und neu zusammensetzt ist immer die gleiche. Es herrscht eine Art schöpferische Freude, eine Lebensfreude, die sich in der ganzen Natur manifestiert.

Im Grunde genommen sind auch wir Menschen von dieser Schöpferkraft beseelt. Auch wir haben grosse Freude daran, alte Dinge zu verbrennen und Neues zu schaffen – solange es nicht uns selbst betrifft und solange wir die Kontrolle über das Feuer haben.

Nehmen wir zum Beispiel die Vulkane, die wir uns in die eigenen Städte holen in Form von Müllverbrennungsanlagen. Auch das sind gewaltige Feuer, die alles verzehren, was in ihren Bereich kommt. Genau wie bei natürlichen Vulkanen funkt und brodelt es in ihrem Schlund und oft steigen giftige Dämpfe auf.

Was die Vulkane und Müllverbrennungsanlagen gemeinsam haben, ist die Produktion von Wärme und von Schlacke. Der Mensch hat gelernt, dass im scheinbaren Abfall wertvolle Stoffe enthalten sind, die er wieder verwerten kann. Das nennt man heutzutage Recycling.

Können wir begreifen, dass wir selber zweibeinige Mini-Verbrennungsanlagen sind, in denen das ewige Feuer die Energie des kosmischen Lebens freisetzt?

Erkennen wir mit Freude, dass wir Teil eines universalen Wandlungsprozesses sind, in dem nichts wertlos oder überflüssig ist? Sind wir dankbar für alles, was uns gegeben wird und können es auch freimütig weiter- oder hergeben?

Wir tun dies in der Regel nicht. Denn solange man sich als separates Ich sieht und erwartet, als solches zu bestehen und von aller Welt geliebt zu werden, ist es ein Unglück, wenn diese Erwartung auf Widerstand stösst. Und es ist eine Katastrophe, wenn die Vernichtung dieser Illusion droht. Weil wir denken, was zu Ende kommt sei verloren und nichts mehr wert! Solange man so denkt und handelt, drohen Schreck und Graus in jeder Nacht und an jedem Tag.

Doch wenn sich mit Hilfe von rechter Meditation und rechter Erkenntnis Unwissenheit in Wissen verwandelt, kann man sich von der Ich-Illusion lösen und mit den vermeintlichen Katastrophen versöhnen. Dann wissen wir, dass der Tod von Dingen, Lebewesen oder Ideen niemals das Ende des Lebens ist.

Das Hüten des Feuers

Das Feuerelement manifestiert sich in uns auf zwei Arten. Das eine ist das Feuer der Vitalkraft unseres Körpers. Es verbrennt die Stoffe, die wir durch die Nahrung aufnehmen und wärmt den körperlichen Organismus. Seine Schlacke entlassen wir auf der Toilette. Das andere ist das Feuer unseres Geistes. Dieses verbrennt die mentalen Inhalte unseres Bewusstseins – Gedanken, Ideen, Emotionen und Erinnerungen. Die daraus resultierende Schlacke schleppen wir leider oft jahrelang mit uns. Echte Meditation, die vollkommene Entleerung Geistes, befreit uns von dieser Last.

Die Devise der taoistischen Meditationsmeister bringt das Wesen dieser Meditationsform auf den Punkt. Sie lautet:«Entleere deinen Geist und tauche tief ins Tao (die absolute Stille) ein». Sie übten sich darin, Feuer nicht zu scheuen, ihm nicht auszuweichen oder es zu verfluchen, sondern sich damit zu verbinden.

Ich kenne einen indischen Yogi, der dies vor meinen Augen getan hat. Er hat sich bei einer Feuerzeremonie, einer Puja, voll bekleidet in ein Feuer gesetzt. Er wurde vollkommen eins damit. So demonstrierte er, dass der menschliche Geist tatsächlich dem Feuer standhalten kann. Denn wenn der Geist im absolut reinen Zustand konzentriert ist, dann ist er still und klar wie ein Diamant. Ein Diamant kann weder brennen, noch ertrinken, noch ersticken, noch sterben. 

In der Zen-Literatur gibt es mehrere Geschichten von kriegerischen Auseinandersetzung, bei denen buddhistische Tempel mit den Mönchen darin angezündet wurden. Statt zu jammen und zu klagen, versetzten sich die Mönche in den Meditationszustand. Einige generierten dabei eine so grosse geistige Energie, dass sie dem Feuer widerstanden und überlebten.

Wir sind keine geübten Yogis und Tempelmönche, aber auch wir können erfahren, wie die Kraft des gesammelten Geistes allen inneren und äusseren Einflüssen auslöschen kann.

Die chinesische Heilkundigen lokalisieren den Sitz der körperlichen Vitalkraft im Bauch unterhalb des Zwerchfells, Tantien/Dantien (chin.) oder Hara (jap.) genannt. In den aus dem Taoismus und dem Zen-Buddhismus stammenden Meditationspraktiken und Kriegskünsten spielt die Pflege und Stärkung der Vitalkraft eine zentrale Rolle. Dabei ist die Qualität der Atmung ausschlaggebend. Die damit einhergehende Praxis der Meditation ist dementsprechend auf den Atem und die Harakraft fokussiert. Einige alte Schriften nennen es das «Hüten des Herdfeuers».

Vor der Elektrifizierung der Häuser unserer ländlichen Vorfahren gab es in jedem Haushalt ein Feuer, das zum Kochen, Heizen und für die Aufbereitung von heissem Wasser aufrechterhalten wurde. Es war die Aufgabe der Hausfrau, das Feuer zu hüten, damit es nicht erlosch. Denn es bedeutete einen enormen Aufwand, ein erloschenes Feuer wieder anzufachen. – Ich denke, wir können dies gut nachvollziehen. Denken wir zum Beispiel daran, was es braucht, um aus einem Zustand der Lethargie, eines seelischen Stillstandes oder einer Depression, die Lebensgeister wieder aufzuwecken. – Solange das Herdfeuer brannte, wusste man: Dieses Haus ist bewohnt und in der Obhut einer guten Hausfrau.

Praxis

Lasst uns das Gesagte nun auf die heutigen und zukünftigen Meditationssitzungen übertragen:

Wenn du dich zur Meditation hingesetzt hast, werde dir deines Körpers und Atems gewahr. Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf die Atembewegung im Unterleib. Verzettle die Lebenskraft nicht in Gedankenketten, Schwelgen in Emotionen oder Sinneswahrnehmungen. Bleibe gelassen und still. Das ist das «Sammeln der Vitalkraft».

Lass den Atem wie durch einen Blasebalg fliessen: Einatmen – der Blasebalg dehnt sich, ausatmen – der Blasebalg faltet sich. Das ist das «Feuer schüren».

Achte darauf, dass das Feuer nicht zu heiss wird. Erzeuge möglichst wenig Funken und Rauch. Das heisst: Verbeisse dich nicht in Gedanken oder Gefühlsausbrüche. Gib Wut, Ärger und anderen negativen Emotionen keinen freien Lauf, unterdrücke sie aber auch nicht. Wenn solche Erscheinungen auftauchen, lass sie kommen und wieder ziehen. Lass das Feuer einfach nicht ausgehen. Das heisst: Bleibe in jedem Augenblick wach und entspannt und schlafe nicht ein. Das ist das «Feuer hüten».

Wirf alles, was in dein Bewusstsein tritt, in dieses Feuer. Was es auch sei – Gedanken, Erinnerungen, Bilder, Emotionen, Zweifel, Konflikte – übergib es dem Feuer. Halte nichts zurück. Früher oder später wird es still in dir, und du wirst absorbiert von der grossen Stille im unendlichen Raum, wo es nichts mehr zu denken oder zu unterscheiden gibt. Das ist gemeint mit «eintauchen ins Tao». Ein anderer Name für diesen «leeren» Geisteszustand ist «Samadhi».

Ausblick

Wenn wir diesen gesammelten, vitalen Geisteszustand kennen, entwickeln und in uns etablieren, dann können wir uns in jeder Situation des täglichen Lebens den momentanen Anforderungen stellen. Emotionelle und mentale Vulkanausbrüche können uns nicht verderben. Wir wissen nun, dass solche Katastrophen zwar alles Entstandene und Erworbene verbrennen – was unleugbar sehr schmerzlich ist – dass es aber etwas gibt, das nicht brennt und deshalb nicht vergeht. Mit diesem Vertrauen in die Urnatur und den eigenen Geist, kann man sich «mitten ins Feuer setzen» – und beobachten, was es ist, das nicht brennt und nicht vergeht.

Und wenn dann das grosse Feuer kommt, das unseren Körper und alles, was wir in dieser Welt zu sein glauben, zu verzehren droht, dann verfällt unser Geist hoffentlich nicht in den Katastrophen-Modus und in Panik.

Dies zu erfahren ist der Sinn von dem, was wir hier praktizieren. Vergeudet eure Zeit nicht mit lauwarmer, träger Sitzerei. Nutzt die Gabe der Erkenntniskraft eures eigenen Wesens – nicht nur beim Sitzen – auch beim Essen, Spazieren, auf der Toilette und in allen anderen Aktivitäten. Und, was das Allerwichtigste ist: Tut es mit echter Freude!

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