BERICHT DES WAN LING ÜBER HUANG PO



BERICHT DES WAN LING ÜBER HUANG PO
Eine Sammlung von Dialogen, Reden und Anekdoten, berichtet von P’ei Hsiu, während er Präfekt von Wan Ling war.

1. Einst fragte ich den Meister: Wieviele der vier- bis fünfhundert Menschen die auf diesem Berg versammelt sind haben die Lehre Euer Ehrwürden ganz verstanden? Der Meister antwortete: Ihre Zahl ist nicht zu kennen. Warum nicht? Weil meine Lehre Erwecken des Geistes ist. Wie kann dieses durch Worte vermittelt werden? Worte haben nur ein wenig Erfolg wenn sie in die ungelehrten Ohren von Kindern fallen.

2. F: Was ist Buddha?

A: Buddha ist Geist. Der Weg ist das Aufhören des begrifflichen Denkens. Wenn du nicht mehr Begriffe und Gedanken aufkommen läßt wie Existenz und Nicht-Existenz, lang und kurz, Anderheit und Selbstheit, aktiv und passiv und ähnliches, dann wirst du finden, daß dein Geist im eigentlichen Sinn Buddha, daß Buddha im eigentlichen Sinn Geist ist und daß der Geist der Leere ähnlich ist. Darum steht geschrieben, daß „der wahre Dharmakaya der Leere ähnelt”.

Suche nichts außer diesem, damit deine Suche nicht in Leiden endet. Wenn du auch die sechs Paramitas so viele Äonen lang übst, wie es Sandkörner am Ganges gibt, und noch andere Arten von Tätigkeit zur Erlangung der Erleuchtung hinzufügst, so wirst du das Ziel doch nicht erreichen! Warum nicht? Weil dies Karma bewirkende Tätigkeiten sind und du, wenn das gute Karma, das sie schaffen, erschöpft ist, wiedergeboren wirst in der vergänglichen Welt. Darum steht auch geschrieben: Der Samboghakaya ist nicht ein wirklicher Buddha, noch ein wirklicher Lehrer des Dharma. Nur wenn du die Natur deines eigenen Geistes kennen lernst, in der es kein Selbst und kein Anderes gibt, wirst du tatsächlich ein Buddha sein.

3. F: Zugegeben, daß der Erleuchtete, der das Anhalten des begrifflichen Denkens erreicht hat, Buddha ist, gerät dann nicht der Unwissende, der mit dem begrifflichen Denken aufhört, in Vergessenheit ?

A: Es gibt keine Erleuchteten und keine Unwissenden, und es gibt kein Vergessen. Wenn auch im Grunde die Dinge ohne objektive Existenz sind, so darfst du doch nicht denken, sie seien nicht-existent, und wenn sie nicht ohne Existenz sind, darfst du sie nicht als existierend denken. „Existenz” und „Nicht-Existenz” sind empirische Begriffe und nichts anderes als Illusionen. Darum steht geschrieben: „Was immer die Sinne wahrnehmen, einschließlich gedanklicher Begriffe bis hin zu den Lebewesen, gleicht einer Illusion.” Der Gründer unserer Sekte predigte seinen Schüler nichts anders als vollkommene Abstraktion, die zum Ausschalten der Sinneswahrnehmung führt. In dieser vollkommenen Abstraktion entfaltet sich der Weg Buddhas, während aus der Unterscheidung zwischen diesem und jenem ein Heer von Dämonen aufbricht.

4. F: Wenn Geist und Buddha im Innersten eins sind, sollen wir dann fortfahren mit der Übung der sechs Paramitas und mit den anderen strenggläubigen Vorschriften zur Erlangung der Erleuchtung?

A: Erleuchtung kommt aus dem Geist, gleichgültig ob du die sechs Paramitas und anderes übst. Alle solche Übungen sind nur Notbehelfe zur Behandlung der „konkreten” Materie im Umgang mit den Fragen des täglichen Lebens. Selbst die Erleuchtung, das Absolute, die Wirklichkeit, das plötzlich Erreichte, der Dharmakaya, und alles andere bis hinab zu den zehn Stufen der Entwicklung, den vier Belohnungen eines tugendhaften und weisen Lebens und dem Zustand der Heiligkeit und Weisheit, sind — jedes einzelne — nichts als Begriffe, um uns durch Samsara hindurchzuhelfen. Sie haben nichts zu tun mit dem wirklichen Buddha-Geist.

Da der Geist Buddha ist, ist der ideale Weg der Vollendung das Entfalten dieses Buddha-Geistes. Nur vermeide begriffliches Denken, das zu Werden und Vergehen führt, zu dem Elend in der empfindenden Welt und zu vielem anderen. Dann brauchst du keine Wege zur Erleuchtung und ähnliches mehr. Darum steht geschrieben: Was Buddha lehrt, hat nur das eine Ziel Des Denkens Raum zu überqueren. Ist still geworden der Gedanken Spiel, Was nützt dann noch des Buddha Lehren?

In der ganzen Reihe der Patriarchen von Gautama Buddha bis zu Bodhidharma hinab, lehrte keiner etwas anderes, als den Einen Geist, auch das einzige Fahrzeug zur Befreiung genannt. Darum wirst du, wenn du auch das ganze Weltall durchsuchst, niemals ein anderes Fahrzeug finden. Diese Lehre hat nirgends Zweige noch Blätter, ihre einzige Eigenschaft ist die ewige Wahrheit. Deshalb ist es eine Lehre, die schwer anzunehmen ist. Als Bodhidharma nach China kam und das Königreich von Liang und Wei erreichte, erlangte nur der ehrwürdige Meister Ko einen schweigenden Einblick in unseren eigenen Geist.

Sobald ihm dies erklärt wurde, verstand er, daß dieser Geist Buddha ist, und der persönliche Geist und Körper nichts sind. Diese Lehre heißt der Große Weg. Die wahre Natur des Großen Weges ist das Leersein von Gegensätzen. Bodhidharma glaubte fest daran, daß er in diesem Leben Eins war mit der wirklichen „Substanz” des Weltalls. Geist und diese Substanz haben nicht die geringste Spur von Unterscheidung. Diese „Substanz” ist Geist. Beide sind unmöglich zu trennen. Um dieser Offenbarung willen erhielt er den Titel: Patriarch unserer Sekte. Darum steht geschrieben: „Der Augenblick, in dem die Einheit von Geist und Substanz, die die Wirklichkeit ist, erfahren wird, übertrifft jede Beschreibung.”

5. F: Befreit Buddha wirklich jedes Lebewesen?

A: In Wirklichkeit gibt es keine Lebewesen, die der Tathagata befreien könnte. Wenn sogar das Selbst keine objektive Existenz hat, wieviel weniger hat sie das, was anders ist als das Selbst. Deshalb existieren objektiv weder Buddha noch Lebewesen.

6. F: Und doch wird berichtet, daß „wer die 32 charakteristischen Merkmale eines Buddha besitzt, die lebenden Wesen zu befreien vermag.” Wie kannst du dies leugnen?

A: Irgend etwas, das irgend ein Merkmal besitzt, ist Täuschung. Nur wenn du erkennst, daß alle Zeichen nichts sind, kannst du den Tathagata erkennen. „Buddha” und „Lebewesen” sind beide deine eigenen irrtümlichen Vorstellungen. Weil du nicht deinen wirklichen Geist kennst, täuschst du dich durch solche objektiven Begriffe. Willst du Buddha begreifen, dann wird dich dieser Buddha daran hindern. Wenn du die Lebewesen begreifen willst, werden diese dich daran hindern. Alle solchen dualistischen Begriffe wie „unwissend” und „erleuchtet”, „rein” und „unrein” sind Hindernisse.

Weil euer Geist durch sie gehemmt wird, muß das Rad des Gesetzes im Kreislauf bleiben. Ebenso wie Affen ihre Zeit damit verbringen, unaufhörlich Dinge fortzuwerfen und wieder aufzuheben, so ist es mit euch und eurem Lernen. Alles, wessen ihr bedürft, ist das Aufgeben eures „Lernens”, eures „unwissend” und „erleuchtet”, „rein” und „unrein”, „groß” und „klein”, eurer „Bindung” und eurer „Tätigkeit”. Solche Dinge sind reine Bequemlichkeiten, reine Ausschmückungen innerhalb des Einen Geistes. Ich höre, daß ihr die Sutras der zwölf Untergliederungen der Drei Fahrzeuge studiert habt. Sie alle sind rein empirische Begriffe. Ihr müßt sie wirklich aufgeben.

Verwirf alles, was du erworben hast, als wäre es nur ein Bett, das für dich während einer Krankheit aufgestellt wurde. Nur wenn du alle Wahrnehmungen aufgegeben hast, wenn nichts Objektives mehr wahrzunehmen ist, und keine Erscheinungen mehr dir im Wege stehen; nur wenn du dich von der ganzen Folge dualistischer Begriffe befreit hast, wie es jene Kategorien von „unwissend” und „erleuchtet” sind, wirst du endlich den Namen „Übersinnlicher Buddha” erlangen. Darum steht geschrieben:

“Deine Ehrfurchtsbezeugungen sind umsonst. Vertraue nicht solchen Zeremonien. Laß ab von solch falschem Glauben.” Da der Geist keine Teilung in gesonderte Wesenheiten kennt, müssen gleicherweise auch die Erscheinungen ohne Unterschiede sein. Da der Geist jenseits aller Tätigkeit ist, muß dies auch für die Erscheinungen gelten. Jede bestehende Erscheinung ist eine Schöpfung des Gedankens. Ich brauche nur meinen Geist leer zu machen, um zu sehen, daß alle leer sind. Das gleiche gilt für alle Gegenstände der Sinneswahrnehmung, welcher der tausend Kategorien sie auch angehören mögen.

Die gesamte Leere, die sich nach allen Seiten hin erstreckt, ist von gleicher Substanz wie der Geist. Und da der Geist im Grunde ohne Unterscheidung ist, muß dies auch für alles andere zutreffen. Verschiedene Wesenheiten erscheinen dir nur, weil deine Wahrnehmungen verschieden sind — so wie es heißt, daß die Kostbarkeiten die die Devas genießen, verschiedenartig sind, entsprechend ihrem persönlichen Verdienst. Anuttara-samyak-sambodhi ist eine Bezeichnung für die Erfahrung, daß die Buddhas des ganzen Weltalls tatsächlich nicht das kleinste wahrnehmbare Merkmal besitzen.

Es gibt eben nur den Einen Geist. In Wirklichkeit gibt es keine Vielfalt an Formen, keinen himmlischen Glanz und keinen ruhmreichen Sieg (über Samsara), auch keine Unterwerfung unter den Sieger. Wenn aber niemals ein ruhmreicher Sieg gewonnen wurde, kann es auch keine tatsächliche Wesenheit wie Buddha geben. Und da niemals eine Unterwerfung stattfand, kann es keine solchen tatsächlichen Wesenheiten geben wie die Lebewesen.

7. F: Wenn der Geist auch gestaltlos ist, warum leugnest du die 32 charakteristischen Merkmale eines Buddha oder die Achtzig Vollkommenheiten, die den Menschen die Überfahrt ermöglichen?

A: Die 32 Merkmale sind geprägte Formen, und alles Geformte ist Täuschung. Die achtzig Vollkommenheiten gehören dem Benimmt, ist auf dem falschen Weg. Er kann auf diese Weise den Tathagata nicht erfassen.

8. F: Unterscheidet sich dann die Wesenssubstanz des Buddha überhaupt von jener der Lebewesen, oder sind sie identisch?

A: Wesenhafte Substanz hat weder Teil an Gleichheit noch an Verschiedenheit. Nimmst du die rechtgläubige Lehre der Drei Fahrzeuge des Buddhismus an, die zwischen der Buddha-Natur und der Natur der Lebewesen unterscheidet, dann schaffst du dir das Karma der Drei Fahrzeuge; Gleichheiten wie Verschiedenheiten werden daraus folgen. Nimmst du aber das Buddha-Fahrzeug an, die Lehre, die von Bodhidharma übertragen wurde, dann wirst du nicht über solche Dinge sprechen. Du wirst nur auf den Einen Geist zeigen, der ohne Identität oder Verschiedenheit ist, ohne Ursache oder Wirkung.

So steht geschrieben: „Es gibt nur den Weg des Einen Fahrzeuges. Es gibt weder ein zweites noch ein drittes, mit Ausnahme jener Wege, die Buddha nur als relative Hilfsmittel (upaya) zur Befreiung der in Täuschung verstrickten Wesen benutzte.”

9. F: Warum war der Bodhisattva der Unendlichen Umfassung nicht imstande, das heilige Merkmal auf dem Scheitel von Buddhas Haupt zu erblicken.

A: Es gab wirklich nichts für ihn zu sehen. Warum nicht? Weil der Bodhisattva der Unendlichen Ausdehnung der Tathagata war. So konnte gar nicht die Notwendigkeit bestehen, auf etwas hinzublicken. Die Parabel soll euch davor bewahren, Buddha und die Lebewesen als Wesenheiten wahrzunehmen und dadurch irrtümlicherweise getrennt zu betrachten. Es ist eine Warnung an uns, nicht Wesenheiten als existierend oder als nicht existierend zu betrachten und dadurch dem Irrtum räumlicher Gesondertheit zu verfallen, oder Individuen als unwissend oder erleuchtet zu unterscheiden und dadurch den gleichen Irrtum zu begehen. Nur wer vollkommen frei ist von Begriffen, kann einen Körper unendlicher Ausdehnung besitzen.

Alles begriffliche Denken ist eine irrtümliche Meinung. Wer solche falschen Lehren vertritt, erfreut sich einer Vielzahl von Begriffen; der Bodhisattva aber verharrt unbeweglich inmitten einer solchen Fülle. Tathagata bedeutetSoheit aller Erscheinungen. Darum steht geschrieben: „Maitreya ist so. Heilige und Weise sind so,” Soheit bedeutet, dem Werden und Vergehen nicht unterworfen zu sein, Soheit besteht darin, nicht gehört und nicht gesehen zu werden. Die Krone auf Tathagatas Haupt ist ein Begriff für Vollkommenheit, aber auch für nicht zu erfahrende Vollkommenheit. Darum verfalle nicht der Vorstellung einer objektiv wahrzunehmenden Vollkommenheit. Da der Buddhakaya jenseits aller Tätigkeiten ist, mußt du dich hüten, Myriaden von gesonderten Formen zu unterscheiden.

Das Flüchtige mag den Eindruck von Leere erwecken. Die große Leere aber ist Vollkommenheit, in der es weder Mangel noch Überfluß, sondern nur eine gleichförmige Ruhe gibt, in der alle Bewegung stillsteht. Wende nicht ein, daß es noch andere Bereiche außerhalb der großen Leere gibt, denn solcher Einwand würde zu Unterscheidungen führen. Darum steht geschrieben: „Vollkommenheit ist Weisheit; Samsara gleicht dem kreisenden Chaos. Wenn wir von der Erkenntnis sprechen, die „Ich” gewinnen, von dem Lernen, daß „Ich” vollbringen kann, von „meinem” Verständnis, „meiner” Befreiung von Wiedergeburt, von „meinem” moralischen Lebensweg, so scheinen unsere Erfolge diesen Begriffen eine erfreuliche Seite abzugewinnen. Unsere Fehler aber lassen sie bedauernswert erscheinen. Ich gebe euch den Rat, ganz unbewegt zu bleiben, ohne jede Tätigkeit.

Betrügt euch nicht mit begrifflichem Denken und sucht nicht irgendwo nach der Wahrheit. Das einzig Notwendige ist das Zurückhalten aufsteigender Begriffe. Es ist offensichtlich, daß gedankliche Begriffe und äußere Erscheinungen in gleicher Weise irreführen, und daß der Weg der Buddhas für euch ebenso gefährlich ist wie der Weg der Dämonen. So fand sich Manjusri, der eine Zeitlang dem Dualismus verfiel, von zwei eisernen Bergen eingeschlossen, die ihm Jeden Ausgang versperrten. Manjusri aber hatte das wahre Verständnis, während Samantabhadra nur vorübergehendes Wissen besaß. Wenn aber wahres Verständnis und vorübergehendes Wissen in rechter Weise vereint werden, existieren beide nicht mehr.

Es gibt nur den Einen Geist, der weder Buddha noch ein Lebewesen ist, denn er enthält keinen Dualismus. Sobald du dir Buddha vorstellst, bist du auch gezwungen, dir Lebewesen vorzustellen oder Begriffe und Nicht-Begriffe, wesentliche wie oberflächliche, die dich mit Sicherheit zwischen diese beiden eisernen Berge einzwängen. Um der aus dualistischem Denken entstehenden Hindernisse willen, wies Bodhidharma darauf hin, daß der ursprüngliche Geist und die Substanz von uns allen, in Wahrheit Buddha ist. Er bot keine falschen Hilfsmittel zur Selbst-Vollendung an, er gehörte zu keiner Schule, die stufenweisen Fortschritt lehrt. Seine Lehre läßt keine Eigenschaft wie Licht und Dunkelheit zu. Da sie kein Licht ist, gibt es kein Licht.

Da sie nicht dunkel ist, gibt es keine Dunkelheit. Hieraus folgt, daß es keine Finsternis gibt, auch kein Ende der Dunkelheit. Wer durch das Tor unsrer Sekte tritt, darf nur die Mittel des Intellektes einsetzen. Diese Art des Begreifens ist als ein tiefes Meer von Dharma bekannt. Dharma erkennen, heißen wir Buddha wahrnehmen. Erkennen wir, daß tatsächlich weder Dharma noch Buddha existieren, dann gehen wir in den sogenannten Sangha ein, das heißt, wir werden „die Mönche, jenseits aller Bewegung”. Diese ganze Reihe mag Triratna oder „Drei Kleinode in einer Substanz” genannt werden.

Wer den Dharma sucht darf nicht vom Buddha oder Dharma, noch vom Sangha aus suchen. Er sollte von nirgends her suchen. Wenn Buddha nicht gesucht wird, ist kein Buddha zu finden. Wenn der Dharma nicht gesucht wird, ist kein Dharma zu finden. Wenn der Sangha nicht gesucht wird, existiert kein Sangha.

10. F: Du selbst bist jetzt ein Sangha-Mitglied, offensichtlich beschäftigt, den Dharma zu predigen. Wie kannst du dann erklären, daß keines von beiden existiert?

A: Wenn du annimmst, es gäbe ein Dharma, der gepredigt werden kann, dann wirst du mich naturgemäß um seine Erklärung bitten. Setzt du aber ein „mich” voraus, dann schließt dies eine räumliche Wesenheit ein. Der Dharma ist kein Dharma — er ist Geist ! Darum sagt Bodhidharma: “Gebe ich weiter auch des Geistes Dharma, Wie kann Dharma Dharma sein? Weder Geist noch Dharma haben Objektiv Vorhandensein Nur auf diese Art es heißt: Dharmas Weg von Geist zu Geist.”

Das Wissen, daß wirklich nicht ein einziges Ding existiert, das erreicht werden könnte heißt: in einem Bodhimandala sitzen. Dies ist ein Zustand, in dem keine Begriffe aufsteigen, in dem du zur inneren Leere der Erscheinungen erwachst, die auch die höchste Leere des Schoßes der Tathagatas genannt wird.

Kein noch so kleines Ding besteht,
So wie des Staubes Spur verweht,
Dringst du ins Tiefste dieser Wahrheit ein,
Suchst Jenseits du nicht mehr ein Selig sein.

11. F: Wenn es niemals auch nur ein einziges Ding gab, können wir dann die Erscheinungen als nicht existierend bezeichnen?

A: Nicht existierend ist eben so falsch wie das Gegenteil. Bodhi bedeutet, daß man keine Vorstellung von Existenz oder Nicht-Existenz besitzt.

12. F: Was ist der Buddha?

A: Dein Geist ist der Buddha. Buddha ist Geist. Geist und Buddha sind nicht zu trennen. Darum steht geschrieben: “Was Geist ist,
ist Buddha. Ist es anderes als Geist, ist es sicherlich anderes als Buddha.”

13. F: Wenn unser eigener Geist Buddha ist, wie hat dann Bodhidharma seine Lehre übermittelt, als er aus Indien kam?

A: Als er aus Indien kam, übertrug er nur den Geist-Buddha. Er deutete allein auf die Wahrheit, daß vom allerersten Augenblick an eines jeden Geist identisch ist mit dem des Buddha und in keiner Weise vom anderen unterschieden. Darum nennen wir ihn unseren Patriarchen. Wer ein unmittelbares Verständnis dieser Wahrheit besitzt, überspringt in einem Augenblick die ganze Hierarchie von Heiligen und Meistern, die einem der Drei Fahrzeuge angehören. Du bist immer eins mit dem Buddha gewesen. So gib nicht vor, du könntest diese Einheit durch verschiedene Übungen erreichen.

14. F: Wenn sich dies so verhält, welchen Dharma lehren dann alle Buddhas, wenn sie sich in der Welt manifestieren?

A: Alle in der Welt sich manifestierenden Buddhas verkünden nichts anderes als den Einen Geist. So übermittelte Gautama Buddha schweigend dem Mahakasyapa die Lehre, daß der Eine Geist, der die Substanz aller Dinge ist, sich mit der Leere zusammen ausbreitet und die ganze Welt der Erscheinungen durchdringt. Dies wird das Gesetz aller Buddhas genannt. Wenn du dies auch in jeder Weise erörterst, brauchst du doch nicht zu hoffen, der Wahrheit durch Worte näher zu kommen. Auch ist sie weder subjektiv noch objektiv zu begreifen. Volles Verständnis kann nur durch ein unausdrückbares Geheimnis kommen.

Der Zugang zu ihm heißt der Torweg der Stille jenseits aller Tätigkeit. Willst du dies verstehen, dann wisse, daß ein plötzliches Begreifen aufblitzt, wenn der Geist vom Gewirr der begrifflichen und unterscheidenden Denktätigkeit gereinigt ist. Wer die Wahrheit mit Hilfe des Intellektes und des Lernens sucht, wird sich nur immer weiter von ihr entfernen. Bis nicht deine Gedanken alle Verzweigungen nach hierhin und dorthin abbrechen, bis du nicht alle Gedanken der Suche nach etwas aufgegeben hast, bis nicht dein Geist so bewegungslos geworden ist wie Holz oder Stein, bist du nicht auf dem rechten Weg zu diesem Tor.

15. F: In diesem Augenblick selbst schwirren die vielfältigen irrtümlichen Gedanken durch unseren Geist. Wie kannst du dann behaupten, wir haben keine?

A: Irrtum hat keine Substanz, er ist ausschließlich das Ergebnis deines eigenen Denkens. Wenn du begreifst, daß dein Geist Buddha ist und daß dieser vollkommen ohne Irrtum ist, wirst du, sobald Gedanken aufsteigen, überzeugt sein, daß s i e verantwortlich für die Irrtümer sind. Könntet ihr alle begriffbildenden Gedanken zurückhalten und euren Denkvorgang zur Ruhe bringen, dann würde naturgemäß kein Irrtum in euch zurückbleiben. Darum heißt es: „Wenn Gedanken aufsteigen, dann erheben sich alle Dinge. Wenn Gedanken gehen, dann schwinden alle Dinge.”

16. F: Wo ist in diesem Augenblick, in dem irrtümliche Gedanken in meinem Geist aufsteigen, der Buddha?

A: In diesem Augenblick bist du dir dieser irrtümlichen Gedanken bewußt. Nur dein Bewußtsein ist Buddha. Vielleicht könntest du solches verstehen, wenn du frei wärest von diesen trugvollen Gedankenvorgängen, daß es dann keinen Buddha gäbe. Warum? Wenn du einer Regung deines Geistes erlaubst, eine Vorstellung von Buddha zu bilden, dann erweckst du ein objektives Wesen, das der Erleuchtung fähig ist.

Ähnlich erschafft jede Vorstellung eines Lebewesens, das der Befreiung bedarf, solche Wesen als Objekte der Gedanken. Alle Denkvorgänge und Gedankentätigkeiten stammen aus deinen Vorstellungen. Würdest du dir überhaupt nichts mehr vorstellen, wo könnte Buddha dann noch existieren? Du bist in der Lage von Manjusri, der von allen Seiten von diesen zwei eisernen Bergen erdrückt und eingezwängt wurde, als er Vorstellungen von Buddha als einer objektiven Wesenheit in sich Raum gewährte.

17. F: Wo ist Buddha im Augenblick der Erleuchtung?

A: Woher stammt deine Frage? Woher entsteht dein Bewußtsein? Wenn die Rede schweigt, alle Bewegung zum Stillstand kommt, jede Sicht, jeder Ton vergeht, dann schreitet Buddhas Werk der Befreiung wahrhaft voran. Wo willst du Buddha suchen? Du kannst nicht einen Kopf auf deinen stellen, oder Lippen auf deine tun. Du solltest besser jede dualistische Unterscheidung zurückhalten. Hügel sind Hügel, Wasser ist Wasser, Mönche sind Mönche, Laien sind Laien. Aber diese Berge, diese Flüsse, die ganze Welt mit Sonne, Mond und Sternen — sie alle existieren nicht außerhalb deines Geistes.

Der ganze tausendfältige Kosmos existiert nur in dir. Wo sonst ließen sich die verschiedenen Kategorien von Erscheinungen finden? Außerhalb des Geistes ist nichts. Die grünen Hügel, die überall deinem Blick begegnen, und dieser leere Himmel, den du über der Erde glitzern siehst — keine Haaresbreite von diesen existiert außerhalb der Vorstellungen, die du für dich selbst gebildet hast. Jeder einzelne Anblick, jeder einzelne Ton ist nichts als Weisheit.

Erscheinungen entstehen nicht aus sich selbst, sondern hängen von ihrer Umgebung ab. Weil sie als Gegenstande erscheinen, machen sie alle möglichen individuellen Kenntnisse notwendig. Du magst den ganzen Tag lang reden, aber was ist damit gewonnen? Du magst von morgens bis zur Abenddämmerung zuhören — was hast du damit gehört? So wurde, wenn auch Gautama Buddha 49 Jahre lang predigte, in Wahrheit kein Wort gesprochen.

18. F: Angenommen, dies verhalte sich so, welcher besondere Zustand wäre dann mit dem Wort Bodhi bezeichnet?

A: Bodhi ist kein Zustand, Buddha hat ihn nie erreicht. Den Lebewesen fehlt er nicht. Er kann auch nicht mit dem Körper erlangt noch mit dem Geist gesucht werden. Alle Lebewesen sind schon einer Gestalt mit dem Bodhi.

19. F: Wie aber erreicht man den Bodhi-Geist?

A: Bodhi ist nicht etwas, was erreicht werden kann. Könntest du dich in diesem Augenblick davon überzeugen, daß er unerreichbar ist, und tatsächlich überhaupt nichts jemals erlangt werden kann, dann hättest du den Bodhi-Geist. Da Bodhi kein Zustand ist, kann man ihn nicht erreichen. Deshalb steht von

Gautama Buddha geschrieben: „Als ich noch im Reich der Dipamkara Buddhas weilte, konnte ich nicht das geringste Körnchen von irgend etwas erlangen. Damals machte Dipamkara Buddha die Prophezeiung, daß auch ich ein Buddha würde” Wenn du wirklich erkannt hast, daß alle Lebewesen eins mit Bodhi sind, dann wirst du nicht mehr denken Bodhi sei zu erreichen. Du magst von anderen über dieses „Erreichen des Bodhi-Geistes” gehört haben, doch ist dies ein intellektueller Weg, der Buddha vertreibt.

Auf diesem wirst du nur scheinbar Buddhaschaft erlangen. Würdest du auch Äonen um Äonen auf diesem Weg ausharren, du würdest nur den Sambhogakaya und Nirmanakaya erreichen. Was aber würde dies für deine ursprüngliche und wirkliche Buddha-Natur bedeuten? Darum steht geschrieben: „Den Buddha außerhalb von dir in einer Gestalt suchen, hat nichts mit dir zu tun.”

20. F: Wenn wir immer eins mit Buddha (dem Absoluten) waren, warum gibt es dann noch Wesen, die durch die vier Arten von Geburt Existenz erlangen und in die sechs Daseinszustände eintreten, von denen jeder seine eigene charakteristische Gestalt und Erscheinung hat?

A: Die wahre Buddha-Substanz ist eine vollkommen einheitliche, ohne Überfluß oder Mangel. Sie durchdringt die sechs Zustände der Existenz und ist dennoch überall ganzheitlich. So ist jede einzelne der Myriaden von Erscheinungen im Weltall Buddha (das Absolute). Diese Substanz mag mit einer Menge von Quecksilber verglichen werden, die nach allen Seiten verstreut, immer wieder zu einer Ganzheit zusammenfließt. Ungeteilt ist sie ein Stück, das das Ganze umfaßt; das Ganze umschließt das Eine. Die verschiedenen Formen und Erscheinungen können andererseits mit Wohnungen verglichen werden.

So wie man eine Hütte aufgibt, um in einem Haus zu wohnen, so wechselt man einen physischen Körper für einen geistigen und so fort bis zu den Bereichen der Pratyeka-Buddhas, der Bodhisattvas und Buddhas hinauf. Sie alle aber sind in gleicher Weise Dinge, die du suchst oder aufgibst. Das ist ihr einziger Unterschied. Wie aber wäre es möglich, daß die ursprüngliche und wesenhafte Natur des Weltalls dieser Unterscheidung unterliegt?

21. F: Auf welche Weise predigen die Buddhas in ihrem unendlichen Erbannen und Mitleid den Lebewesen den Dharma (das Gesetz)?

A: Wir sprechen von ihrem unendlichen Erbarmen und Mitleid, weil diese ohne Ursache und Wirkung sind. Erbarmen heißt in Wirklichkeit, daß man keine Vorstellung von einem Erleuchteten Buddha besitzt, und Mitleid, daß man sich kein Lebewesen der Befreiung be dürftig vorstellt.

In Wirklichkeit wird der Dharma weder mit Worten gepredigt noch auf andere Weise bezeichnet. Die Zuhörenden hören nichts und erlangen nichts. Man könnte meinen, ein erfundener Lehrer hätte erfundenen Schülern gepredigt. Was aber alle diese Dharmas (Lehren) betrifft, so werdet ihr sicher verstehen können, was ich sage, wenn ich um des Weges willen aus meiner tiefen Erkenntnis zu euch spreche und euch vorwärts führe. Und was Erbarmen und Mitleid betrifft: Ihr werdet, auch wenn ich mir um euretwillen Dinge ausdenke und anderer Leute Vorstellungen studiere, dadurch in keinem Fall eine wahre Erfahrung der wirklichen Natur eures eigenen Geistes in eurem eigenen Inneren erlangen. Darum werden letztlich diese Dinge keine Hilfe für euch sein.

22. F: Was bedeutet „eifriges Bemühen”?

A: Die vollkommenste, erfolgreichste Form eifrigen Bemühens ist, daß ihr aus eurem Geist Unterscheidungen wie „mein Körper”, „mein Denken” ausschaltet. Sobald ihr nach etwas außerhalb eures eigenen Geistes sucht, gleicht ihr Kaliraja, dem Jäger. Hindert ihr aber eure Gedanken auf Reisen zu gehen, dann seid ihr schon ein Ksantirishi. Keine Körper und keine Gedanken – das ist der Weg der Buddhas.

23. F: Wenn ich diesem Weg folge und mich von begrifflichen Gedankenvorgängen zurückhalte, werde ich dann mit Sicherheit das Ziel erlangen?

A: Solches Nicht-Denken ist Befolgen des Weges. Warum über Erreichen und Nicht-Erreichen sprechen? Tatsache ist folgendes: Indem ihr an etwas denkt, schafft ihr eine Wesenheit; durch Nicht-Denken erschafft ihr eine andere. Laßt solches irrtümliche Denken vollkommen vergehen. Dann wird nichts zum Suchen übrig bleiben.

24. F: Was ist mit „Überschreiten der Drei Welten” der Begierde, Form und Formlosigkeit gemeint?

A: Überschreiten der Drei Welten bedeutet Überwinden des Dualismus von Gut und Böse. Buddhas erscheinen in der Welt, um der Begierde, der Form und den formlosen Erscheinungen ein Ende zu bereiten. Auch für euch werden die Drei Welten vergehen, wenn ihr den Zustand jenseits des Denkens erreichen könnt. Wenn ihr andererseits noch an dem Begriff festhaltet, daß irgend etwas, sei es auch noch so klein wie der hundertste Teil eines Staubkornes, objektiv existieren könnte, dann wird selbst eine vollkommene Beherrschung des gesamten Mahayana-Kanons euch nicht den Sieg über die Drei Welten ermöglichen. Nur wenn ihr jedes der noch so kleinen Teilchen als nichts erachtet, kann der Mahayana diesen Sieg für euch erringen.

25. Eines Tages begann der Meister, nachdem er seinen Sitz in der großen Halle eingenommen hatte, mit folgenden Worten:
„Da der Geist Buddha (das Absolute) ist, umfaßt er alle Dinge, die Buddhas (Erleuchteten) an dem einen äußersten Ende bis zu den niedrigsten auf dem Bauch kriechenden Reptilien und Insekten an dem anderen. Sie alle haben in gleicher Weise teil an der Buddha-Natur, und alle sind von der Substanz des Einen Geistes.

Deshalb übermittelte Bodhidharma, als er aus dem Westen kam, nichts anderes als den Dharma des Einen Geistes. Er deutet unmittelbar auf die Wahrheit hin, daß alle Lebewesen seit jeher von der gleichen einen Substanz waren wie Buddha. Er folgte keiner der mißverstandenen „Methoden zur Vollendung”. Könntet ihr dieses Verständnis eures eigenen Geistes erlangen und dadurch eure wirkliche Natur entdecken, dann gäbe es gewiß nichts anderswo mehr für euch zu suchen.

26. F: Wie kommt der Mensch zum vollendeten Verständnis seines eigenen Geistes?

A: Diese Frage stellt euer eigener Geist. Würdet ihr aber in Ruhe verharren und auch die geringste gedankliche Tätigkeit ausschalten, würdet ihr seine Substanz als Leere erkennen. Ihr würdet erkennen, daß sie formlos ist, keinen noch so punktförmigen kleinen Raum besitzt und weder unter die Kategorie des Seins noch des Nicht-Seins fällt. Da der Geist nicht wahrnehmbar ist, lehrte Bodhidharma: „Der Geist, der unsere eigene wahre Natur ist, ist der ungezeugte und unzerstörbare Schoß. Als Antwort auf bestimmte Umstände verwandelt er sich in Erscheinungen. Wir haben uns daran gewöhnt, den Geist als Verstand zu bezeichnen.

Wenn er aber den Umständen nicht antwortet, darf man nicht von solchen dualistischen Begriffen wie Existenz und Nicht-Existenz sprechen. Auch wenn der Geist das Erschaffen von Gegenständen bewirkt, als Antwort auf das Gesetz von Ursache und Wirkung, ist er nicht wahrzunehmen. Wenn ihr dies wißt und ruhig im Nichts verharrt, dann folgt ihr tatsächlich dem Weg Buddhas. Darum sagt das Sutra: „Entwickelt ein Denken, das auf keinem irgendwie gearteten Ding beruht.”

Jedes Lebewesen, das an das unaufhörlich kreisende Rad von Geburt und Tod gebunden ist, wird wiedergeboren von dem Karma seiner eigenen Wünsche. Endlos bleibt sein Herz an die sechs Stufen der Existenz gebunden, verstrickt in alle Art von Sorgen und Leiden. Ch’ing Ming sagt: „Es gibt Menschen, deren Geist dem der Affen gleicht. Diese sind schwer zu belehren. Sie brauchen allerlei Vorschriften und Lehren, um ihr Herz zur Unterwerfung zu zwingen.

Wenn Gedanken entstehen, folgen die verschiedensten Dharmas; diese vergehen wieder, wenn die Gedanken aufhören. Hieraus können wir ersehen, daß jede Art von Dharma nur eine Schöpfung der Gedanken ist. Alle Arten von Lebewesen — Menschen, Devas, in der Hölle Leidende, Asuras und jeder, der in den sechs Daseinsformen lebt — ist vom Geist geschaffen. Würdet ihr nur lernen, einen Zustand des Nicht-Denkens zu erlangen, dann würde sofort die Kette von Ursache und Wirkung abbrechen.

Gebt diese irrtümlichen Gedanken auf, die zu falschen Unterscheidungen führen. Es gibt kein „Selbst” und kein „Anderes”. Es gibt keinen „falschen Wunsch” und keinen „Ärger”, keinen „Haß”, keine „Liebe”, keinen „Sieg”, keine „Niederlage”. Verzichtet nur auf den Irrtum der gedanklichen oder begrifflichen Denkvorgänge, und eure Natur wird ihre ursprüngliche Reinheit ausstrahlen. Dies allein ist der Weg zur Erleuchtung, zum Befolgen des Dharma, zum Buddha-Sein und allem übrigen.

Bis du nicht dieses verstanden hast, wird dir alles — das ganze Lernen, die mühevollen Anstrengungen des Fortschrittes, die Enthaltsamkeit im Essen und Kleiden — nicht zur Kenntnis des eigenen Geistes verhelfen. Alle solche Übungen werden sich als Fehler herausstellen, denn jede kann dich zur Wiedergeburt unter „Dämonen” — den Feinden der Wahrheit — oder unter unentwickelten Naturgeistern führen. Welches Ziel wird hierdurch erlangt? Chih Kung sagt: „Unsere Körper sind die Schöpfung unseres eigenen Geistes.” Wie aber kann man solche Erkenntnis aus Büchern erlernen? Könntet ihr nur die Natur eures eigenen Geistes verstehen und das unterscheidende Denken beenden, dann gäbe es naturgemäß keinen Raum, selbst nicht das geringste Körnchen Irrtum. Ch’ing Ming drückte dies in einem Vers aus:

Flach auf den Boden den Körper gebettet,
Gedanken wie Kranke ans Lager gekettet,
Karma dann endet,
Trug nicht mehr blendet,
Bodhi wird dieses genannt.

Solange euer Geist der geringsten Denkbewegung unterworfen ist, werdet ihr dem Irrtum unterliegen, „unwissend” und „erleuchtet” als gesonderte Zustände zu betrachten. Dieser Irrtum wird bleiben, unabhängig von eurer umfassenden Kenntnis des Mahayana oder eurer Fähigkeit, die „Vier Grade der Heiligkeit” und die „Zehn Stufen des zur Erleuchtung führenden Fortschrittes” zu durchschreiten. Denn alle diese Bemühungen sind vergänglich, ebenso wie ein noch so hoch in die Luft geworfener Pfeil unvermeidlich auf den Boden zurückfallen muß. Trotz dieser Anstrengungen wirst du wieder an das Rad von Geburt und Tod gebunden.

Hängst du solchen Übungen nach, wird dir die Erkenntnis der wahren Bedeutung Buddhas versagt bleiben. Das Ertragen von so vielen unnötigen Leiden ist nur ein gewaltiger Irrtum — oder nicht? Chih Kung sagt an anderer Stelle: „Wenn du nicht einem Lehrer begegnest, der die Welten zu überschreiten vermag, wirst du weiter vergebens die Arzneien des Mahayana-Dharma schlucken.”

Würdest du jetzt üben, deine Gedanken bewegungslos zu jeder Zeit zu bewahren, sei es beim Gehen, Sitzen oder Liegen, und dich vollkommen auf das Ziel konzentrieren, keine Gedanken, keine Dualität zu schaffen, nicht auf andere zu vertrauen, an nichts zu haften, einfach den Dingen den ganzen Tag hindurch ihren Lauf zu lassen, als seiest du zu krank, dich um sie zu kümmern, der Welt unbekannt, zu unwissend, um andere zu lehren was nötig oder nicht nötig ist, den Geist gefestigt wie ein Felsblock ohne Hohlraum, dann würden alle Dharmas dein Verständnis ganz durchdringen. In kürzester Zeit wärst du an nichts gebunden.

Du würdest nun zum ersten Mal entdecken, daß deine Reaktionen den Erscheinungen gegenüber abnehmen, und du würdest endlich die dreifache Welt überschreiten. Dann würden die Menschen sagen, ein Buddha wäre in der Welt erschienen. Reine und leidenschaftslose Erkenntnis bedeutet ein Beenden des unaufhörlichen Flusses der Gedanken und Bilder. Auf diese Weise schafft ihr kein Karma mehr, das zur Wiedergeburt führt, weder als Gott, noch als Mensch, noch als Leidende in der Hölle.

Wenn jede Art von Denkvorgang zum Stillstand gebracht ist, wird auch nicht mehr die geringste Spur von Karma geschaffen. Dann wird euer Geist und Körper schon in diesem Leben zu einem vollkommen befreiten Wesen gehören. Sollte dies nicht schon zur unmittelbaren Befreiung von weiteren Wiedergeburten führen, so könnt ihr zumindest versichert sein, daß die Wieder, geburt nach euren Wünschen geschieht. Das Sutra führt aus: „Bodhisattvas werden wiedergeboren in welcherlei Gestalt sie wollen.” Würden sie aber plötzlich die Kraft verlieren, ihren Geist von begrifflichem Denken frei zu halten, dann würde die Bindung an Formen sie zurück in die Welt der Erscheinungen drängen, und jede dieser Formen würde ihnen das Karma eines Dämonen schaffen.

Dies bezieht sich auch auf die Übungen der Buddhisten des „Reinen Landes”. Denn alle diese Übungen schaffen Karma. Deshalb können wir sie nur Hindernis für die Buddhaschaft nennen. Da sie euren Geist verdunkeln, würde euch die Kette von Ursache und Wirkung festbinden und zurückführen in den Zustand der noch nicht Befreiten.

So kommt allen Dharmas, die zum Erlangen von Bodhi führen sollen, keine Wirklichkeit zu. Die Worte des Gautama Buddha sollten nur als wirksame Hilfsmittel dienen, um die Menschen aus der Dunkelheit der schlimmsten Unwissenheit herauszuführen. So sagt man, die gelben Blumen seien aus Gold, um die Tränen des Kindes zu trocknen.

Samyak-Sambodhi ist ein anderer Name für die Erfahrung, daß es keine gültigen Dharmas gibt. Wozu solche Kindereien, wenn ihr dies einmal begriffen habt? In harmonischer Übereinstimmung mit den Bedingungen eures jetzigen Lebens solltet ihr, wenn sich die Gelegenheiten bieten, das aus früherem Leben Aufgespeicherte abbauen und vor allem vermeiden, neues Material zur Vergeltung aufzuhäufen.

Der Geist ist mit strahlender Klarheit erfüllt. Darum werft die Dunkelheit eurer alten Begriffe fort. Ch’ing Ming sagt: „Befreit euch von allem.” Die Stelle im Lotus Sutra, die von dem zwanzig Jahre langen Fortschaufeln des Schmutzes spricht, ist Symbol für die Notwendigkeit, jeden Drang nach Begriffsbildungen aus dem Geist zu vertreiben. An einer anderen Stelle vergleicht das Sutra den Dunghaufen, der fortgeräumt werden soll, mit Metaphysik und Sophisterei. So ist „der Schoß des Tathagata” im Innersten Leere und Stille, die keinerlei Art seines gesonderten Dharmas enthält. Darum sagt das Sutra: „Die gesamten Bereiche aller Buddhas sind von der gleichen Leere”.

Mögen auch andere von dem Weg Buddhas sprechen, als sei dieser durch verschiedene fromme Übungen und Sutra-Studien zu erreichen, so darfst du doch nichts mit solchen Ideen zu tun haben. Die plötzlich aufblitzende Wahrnehmung, daß Subjekt und Objekt eins sind, führt dich zu einem tiefen geheimnisvollen, wortlosen Verständnis, und durch dieses Verständnis wirst du zur Wahrheit des Zen erwachen. Triffst du jemanden, der solches Verständnis nicht besitzt, dann behaupte, du wüßtest nichts. Er mag durch seine Entdeckung eines „Weges der Erleuchtung” beglückt sein. Doch wenn du dich von ihm überzeugen läßt, so wirst du überhaupt keine Freude, sondern Leid und Enttäuschung erfahren.

Was haben solche Gedanken, wie du sie hast, mit dem Studium des Zen zu tun? Auch wenn du von ihm eine geschickte „Methode” übernimmst, so ist dies nur ein gedanklich aufgebauter Dharma, der nichts mit Zen zu tun hat. Darum saß Bodhidharma in Meditation vor einer Mauer und trachtete nicht danach, die Menschen zu irgend einer Meinung zu führen. Es steht auch geschrieben: „Die wahre Lehre Buddhas besteht darin, aus dem Bewußtsein selbst den Ursprung der Tätigkeiten zu entfernen, während der Dualismus dem Bereich der Dämonen zugehört”

Eure wahre Natur ist euch niemals verlorengegangen, selbst nicht in den Augenblicken der Täuschung, noch wird sie im Augenblick der Erleuchtung gewonnen. Es ist die Natur des Bhutatathata, in der weder Täuschung noch rechtes Verständnis liegt. Sie füllt die ganze Leere aus und ist innerlich von der Substanz des Einen Geistes. Wie können dann diese vom Denken erschaffenen Objekte außerhalb der Leere existieren?

Die Leere ist von Grund auf ohne räumliche Ausdehnung, ohne Leidenschaften, Tätigkeiten, Täuschun gen oder rechtes Verstehen. Du mußt klar erfassen, daß in ihr keine Dinge sind, weder Menschen noch Buddhas. Denn diese Leere enthält nicht die geringste Haaresbreite von irgend etwas, das räumlich gesehen werden kann. Sie hängt von nichts ab und ist an nichts gebunden. Sie ist allesdurchdringende fleckenlose Schönheit. Sie ist das aus sich selbst existierende und nicht geschaffene Absolute. Wie kann dann noch in Frage gestellt werden, daß der wirkliche Buddha keinen Mund hat und kein Dharma predigt, oder daß wirkliches Hören keine Ohren verlangt. Wer könnte denn hören? Dies ist ein Kleinod von unschätzbarem Wert.

Huang-Po Nur GeistRohatsu Rei Ko Sensei Michael Sabaß,**
BERICHT DES WAN LING ÜBER HUANG PO
BERICHT DES WAN LING ÜBER HUANG PO
Nach oben scrollen