Glaube an sich selbst

Glaube an sich selbst – Der Meister wandte sich mit folgenden Worten an die Zuhörerschaft: „Jeder Mensch sollte an sich selbst glauben. Sucht nichts aussen (in den Schriften). Wenn ihr aussen sucht, sammelt ihr bloss wertloses Zeug an und könnt das Wahre nicht vom Falschen unterscheiden. Buddhas und Patriarchen existieren nur in Form von geschriebenen Worten. Entschlossene Menschen vergeuden ihre Tage nicht mit nutzlosen Diskussionen über Autoritäten und Kriminelle, richtig und falsch, Zügellosigkeit und Reichtum.“

Was ist Glaube im Sinne des Zen-Buddhismus? Es ist die Auswirkung des geheimnisvollen, intuitiven Wissens, das uns Menschen angeboren ist, aber auch dem ganzen Universum innewohnt. Glaube ist die Buddhanatur des Universums. Ob man dessen bewusst ist oder nicht, jede Handlung des täglichen Lebens hat diesen Glauben zur Grundlage. Wie kann man dem inneren Wissen der Natur im täglichen Leben gerecht werden, d.h. wie kann man diesen Glauben verwirklichen? Indem man alles sorgfältig für sich selbst durchdenkt und dem eigenen Gewissen folgt. Benutzt das Urteilsvermögen, das euch von Natur aus gegeben ist.

Lin-chi ermahnt seine Zuhörer, dass sie ohne Glauben an ihre eigene Weisheitsnatur Gefahr laufen, die religiösen Texte und Lehren wörtlich zu nehmen und an Dinge zu glauben, die in Wirklichkeit nicht existieren.

„Buddhas und Patriarchen existieren nur in Form von geschriebenen Worten.“ In den Schriften findet man nur die Spuren ihrer Erkenntnis. Warum wollte man sich mit den Spuren der Alten zufriedengeben? Warum nicht die Erkenntnis selbst packen? Meditation ist der direkte Weg zur Sache selbst. Ich habe sechs Jahre lang meditiert mit dem Ziel, die sechs übernatürlichen Kräfte zu erlangen. Dabei ging es mir nicht um etwas Mysteriöses, sondern ich wollte wissen, was diese Kräfte wirklich sind. Und das ist etwas völlig anderes, als was man sich gewöhnlich darunter vorstellt. Auch ihr könnt das Falsche vom Echten unterscheiden.

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„Was mich anbetrifft, ich mache keinen Unterschied zwischen Geistlichen und Laien, aber ich durchschaue alle, die hierher kommen, durch und durch. Ganz egal, in welcher Geisteshaltung sie sich befinden, alles, was sie sagen, sind nur Worte und Phantasie. Wenn ich hingegen jemanden sehe, der jede Situation meistert, dann weiss ich, dass er das fundamentale Prinzip aller Buddhas verkörpert. Der Buddhazustand sagt nicht: ‘Ich bin ein Buddha‘. Es ist der Mensch, der von nichts abhängig ist, der jeder Lebenssituation meistert. Angenommen, jemand käme zu mir mit Fragen über Buddha, dann würde ich sofort im Zustand der Reinheit auftreten.

Käme jemand mit Fragen über Bodhisattvas würde ich sofort im Zustand von Mitgefühl auftreten. Käme jemand mit Fragen nach der höchsten Weisheit (Bodhi) würde ich sofort im Zustand des unergründlichen Mysteriums auftreten, und wenn jemand zu mir käme mit der Frage nach dem Nirvāna würde ich sofort im Zustand der tiefen Stille auftreten. Obwohl es unzählige unterschiedliche Zustände gibt, der Mensch selbst ändert sich nicht. Deshalb wird in einem Vers gesagt: ‘Gemäss den Umständen manifestiert er eine Form, wie der Mond im Wasser.`“

Wenn ein Zen-Meister jemanden im Sanzen-Zimmer empfängt, erfasst er sofort dessen ganze Verfassung, egal ob es sich um erfahrene oder unerfahrene Personen, um Mönche oder Laien handelt. Er achtet genau auf die Ausstrahlung, die Emotionen, die Gesten und Worte. Vielleicht sagt jemand: „Ich bin froh“, macht aber ein trauriges Gesicht. Dann weiss der Meister intuitiv, wie weit das Verständnis der Person geht. Sein Urteil ist aber nur dann vertrauenswürdig, wenn es von einem authentischen Lehrer geprüft und damit durch die Erfahrung von vielen Generationen von Zen-Meistern autorisiert wurde. Lin-chi war ein solcher Meister.

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„Ganz egal, in welcher Geisteshaltung sie sich befinden, alles, was sie sagen, sind nur Worte und Phantasie.“ Ob man aus dem Standpunkt der Formen, des Begehrens oder der formlosen Welt schaut – jeder Standpunkt ist im Kern ein Konzept und nicht die Wirklichkeit.

„Wenn ich hingegen jemanden sehe, der jede Situation meistert, dann weiss ich, dass er das fundamentale Prinzip aller Buddhas verkörpert.“ Derjenige, der „jede Situation meistert“, ist der universale Geist selbst, und der physische Körper ist sein Ausdruck. Es ist wie beim Reiten: Am Anfang wird der Mensch vom Pferd beherrscht; man könnte sagen, das Pferd kontrolliert den Menschen auf seinem Rücken. In einer späteren Phase kontrolliert der Mensch das Pferd. Schliesslich sind Mensch und Pferd eins. Weder das Pferd noch der Mensch hat die Oberhand. Oder, wenn es sich um einen Pianisten handeln würde, das Piano und der Spieler wirken synchron zusammen.

Dieses vollkommene Einsein mit dem Universum ist Buddhaschaft. Aber da ist niemand, der sich selbst „Buddha“ nennt. Das, was jede Lebenssituation meistert, hat kein Ich. Ein solcher Mensch macht sich von keiner Vorstellung abhängig und von keinem Begriff. Er stützt sich auf gar nichts. So kann er allen Lebenslagen ohne Vorurteil, ohne fixe Idee und ohne Konzept begegnen und alle Gegebenheiten spontan nutzen.

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„Angenommen, jemand käme zu mir mit Fragen über Buddha, dann würde ich sofort im Zustand der Reinheit auftreten.“ Wenn ihr denkt, Lin-chi spreche hier von sich selbst, wenn er „ich“ sagt, dann versteht ihr sein Herz nicht. Dieses „Ich“ ist nicht das von seiner Quelle abgetrennte Ego; es ist das universale Bewusstsein, das in ihm verkörpert ist. Es ist eben das, was von nichts abhängig ist. Es ist unbedingt nötig, dass ihr dies versteht und dieses „Ich“ in euch selbst erfasst. Aber das ist nicht so einfach. Und denkt daran, in einem Zustand „auftreten“ heisst bei Lin-chi, in Übereinstimmung mit diesem Zustand zu reden und zu handeln. Er spricht immer vom konkreten Tun.

Lin-chi braucht keine Begriffe wie Dharmakāya oder Tathāgatha, um den Buddhazustand zu charakterisieren. Er nennt ihn einfach „Zustand der Reinheit“. Im Buddhismus wird „Reinheit“ nicht im moralischen Sinn gebraucht, Reinheit ist ein Aspekt der Buddhaschaft. Wir können Buddhaschaft weder mit den fünf Sinnen noch durch Lernen erfassen, deshalb ist auch „Reinheit“ kein gutes Wort. Es gibt überhaupt kein passendes Wort dafür. Lin-chi weiss dies ohne Denken. Das ist sein Glaube. Die Wahl der Worte ist dann unbedeutend.

„Käme jemand mit Fragen über Bodhisattvas würde ich sofort im Zustand von Mitgefühl auftreten.“ Der Begriff Bodhisattva hat viele Bedeutungen. Hier steht er für das verkörperte reine Sein. Es ist wie das von einem einzigen Stromfluss erzeugte Licht, das Millionen von elektrischen Birnen zum Leuchten bringt. Das Wesen des Bodhisattvas ist in jedem Körper dasselbe, egal in welcher Funktion es zu Tage tritt. Der „menschliche“ Zustand unterscheidet sich vom „Bodhisattva“-Zustand dadurch, dass er Ego, Ideen und diverse Verlangen hat. Das Bodhisattva-Wesen verbindet sich mit dem menschlichen Wesen und hilft ihm. Seine Kraft ist Liebe und Mitgefühl. Im Buddhismus ist das die ideale Persönlichkeit.

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Wir Zen-Buddhisten betrachten das ganze Universum als eine Manifestation von Weisheit, Liebe und Mitgefühl, ohne dass wir darin eine personale Idee, einen schöpferischen Plan oder ein zielgerichtetes Schema sehen. Aus buddhistischer Sicht wurde das Universum nicht durch Willenskraft geschaffen. Es gibt kein Schema, keinen Plan; es gibt nur Sein. Es gibt keinen Gott, der denkt, er müsse dieses oder jenes tun, strafen oder belohnen.

„Käme jemand mit Fragen nach der höchsten Weisheit (Bodhi) würde ich sofort im Zustand des unergründlichen Mysteriums auftreten.“ Der Ausdruck „Höchste Weisheit“ bzw. „Bodhi“, bedeutet hier die innewohnende Intelligenz, die geistige Kraft der Erkenntnis, die für den Menschen ein Mysterium ist. Wie ihr wisst, besitzt jedes Lebewesen sein eigenes Wissen, mit dem es auf die Lebensimpulse reagiert. Es gibt z.B. eine Melonenart, die eine dicke Haut entwickelt, wenn ein kalter Winter bevorsteht.

Der Grönlandfuchs hat in einem milden Winter ein dünnes Fell und in einem harten Winter ein dickes. Wer die Natur sorgfältig beobachtet, findet dieses Mysterium überall. Seht, wie die Ranken des Efeus – diese kleinen Händchen an diesem blinden Pflanzenkörper –, jedem noch so geringen Lichtspalt folgend, das Sonnenlicht erhaschen und sich dabei bis dreissig Meter in die Höhe strecken können. Wir alle haben diese Kraft, sie ist uns angeboren, niemand kann sie einem beibringen.

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Wenn wir sehen, wie sich jemand mental oder körperlich abmüht, versuchen wir zu helfen. Es liegt in unserer Natur, das zu tun, niemand zwingt uns dazu. Wenn wir unter Vorstellungen, Eifersucht, Angst oder Wut leiden, hasten wir umher und versuchen, diese Pein loszuwerden. Niemand lehrt uns das. Der Buddhist befreit sich davon durch Meditation. Dank seiner innewohnenden Weisheit. Irgendwie wissen wir, dass wir diese mysteriöse, befreiende Kraft in uns haben. Dieses Wissen steht auch hinter dem vierfachen Gelöbnis eines Bodhisattvas, das sich jeder, der in den buddhistischen Glauben eintritt, zu eigen macht.

„Wenn jemand zu mir käme mit der Frage nach dem Nirvāna, würde ich sofort im Zustand der tiefen Stille auftreten.“ Auch das Wort Nirvāna hat verschiedene Bedeutungen. Hier kann es als das Ende sämtlicher Verstrickungen interpretiert werden. Bodhi hat Lin-chi an das andere Ufer – Nirvāna – getragen. Er befindet sich im ursprünglichen Zustand des Geistes. Er hat den Dschungel der Geistesinhalte verlassen.

„Obwohl es unzählige unterschiedliche Zustände gibt, der Mensch selbst ändert sich nicht.” Reinheit, Mitgefühl, Mysterium, Stille – die elementaren Zustände! Lin-chi nimmt jeden an und benutzt jeden. Aber es ist dieses nicht in Worte zu fassende EINE, das all dies tut. Es gibt kein anderes handelndes Wesen darin.

„Gemäss den Umständen manifestiert er eine Form, wie der Mond im Wasser.“ Der wahre Körper Buddhas ist wie der Himmel, aber wenn er sich den Umständen anpasst, ist er wie der Mond auf den Wellen. Dieser vielfältig geformte Körper wird Nirmānakāya genannt.

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„Brüder auf dem Weg, wenn ihr dem Dharma gemäss leben wollt, müsst ihr von grosser Entschlossenheit sein. Wenn ihr aber eure Tage ziellos verbummelt, ist das unmöglich. Ein gebrochener Krug ist nicht dazu geeignet, den göttlichen Nektar zu speichern. Um ein gutes Gefäss für das Dharma zu sein, darf man sich nicht von den Meinungen anderer in die Irre führen lassen. Wo immer ihr seid, seid ein Meister, und wo immer ihr steht, dort ist der Ort der Wahrheit. Ihr braucht nichts zu akzeptieren, was von aussen kommt. Ein Augenblick des Zweifels und schon schleicht sich der Teufel in euer Gemüt ein.

Wenn sogar ein Bodhisattva zweifelt, dann nutzt der Dämon von Leben und Tod die Gelegenheit zu seinem Vorteil. Lasst einfach ab vom Grübeln und begehrt nichts von aussen. Wenn etwas kommt, beleuchtet es. Glaubt fest an das, was in euch selbst aktiv ist; es gibt überhaupt nichts (anderes) zu tun. Eure eigene Geistesaktivität schafft die drei Welten und differenziert sich entsprechend dem Gesetz von Ursache und Wirkung in die sechs Sinneswahrnehmungen. Gibt es in dieser gegenwärtigen Geistesaktivität irgendetwas, das fehlt?“

In diesem Abschnitt steht das Wort Dharma für das innewohnende Wissen der Wahrheit. Es ist das Naturgesetz des Geistes; alle objektiven Dinge entstehen gemäss diesem Gesetz. Wir kennen es nicht auf Grund von intellektuellen Überlegungen und können es nicht beeinflussen; aber wir fühlen es. Wenn wir zu viel gegessen haben, fühlen wir uns krank, und wenn man etwas stiehlt, hat man ein schlechtes Gewissen. Auch der Instinkt folgt diesem Gesetz.

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Man muss äusserst ehrlich sein mit sich selbst und tief nachdenken, andernfalls kann man das wahre Gesetz nicht kennen, geschweige denn in ihm leben. Um richtig zu urteilen und entsprechend zu handeln, braucht es eine geistige Richtschnur, ein Axiom. Wie findet man dies? Nicht indem man aussen sucht, sondern indem man tief in sich selbst hinein hört und ein echtes menschliches Wesen ist. Geht keine Kompromisse ein, schmeichelt euch selbst und anderen nicht. Seid eindeutig, wie die Klinge eines Schwertes. Es ist eure eigene innere Intelligenz, die urteilt und handelt. Aber das geht nur, wenn man, wie Lin-chi sagt, von grosser Entschlossenheit ist. Es ist ein grosser Unterschied, ob man über das Schwimmen redet oder ins Wasser geht.

Um so zu leben, muss man alle Aspekte betrachten: das Gesetz des Universums, das Gesetz der Natur, das Gesetz des Selbst und die eigene Beziehung zwischen sich selbst und dem Universum. Gibt es im Universum ein grosses Bewusstsein vergleichbar mit dem Bewusstsein in einem selbst? Macht das Universum Pläne und entwickelt es sich? Oder ist die grosse Wirkungskraft des Universums vollkommen ohne Plan? Verhält sich dieses grosse, fliessende Universum chaotisch und zufällig wie unsere Träume? Alle solche Fragen müssen erledigt werden, bevor man dem wirklichen Weg der Wahrheit folgen kann.

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„Wenn ihr aber eure Tage ziellos verbummelt, ist das unmöglich. Ein gebrochener Krug ist nicht dazu geeignet, den göttlichen Nektar zu speichern.“ Wenn man das Prinzip des Gesetzes nicht kennt, ist es nutzlos, irgendwelchen Geboten zu folgen. Jedes buddhistische Gebot hat tiefe Wurzeln im Gesetz der Natur und im Gesetz des Universums. Deshalb erachtet man es im Buddhismus so wichtig, das Grundprinzip aller Gebote zu erfassen, und zwar in sich selbst, im eigenen Herzen und in der eigenen Seele. Was immer ihr unter deren Führung tut, tut es ohne Hintergedanken, ohne zu zögern und ohne Angst.

Wenn man das Prinzip nicht kennt, wird man von den menschlichen Trieben beherrscht, wenn man es kennt, kann man die menschlichen Triebe beherrschen. Wer das Gesetz anwendet, kennt Liebe und Mitgefühl. Aber ohne das Licht der Weisheit kann man es nicht anwenden. Es zu entdecken ist nicht einfach, aber es ist möglich. Man kann das Herz benutzen, um das Herz zu besiegen!

„Um ein gutes Gefäss für das Dharma zu sein, darf man sich nicht von den Meinungen anderer in die Irre führen lassen.“ Sagt nicht, euer christlicher Pfarrer habe dieses gesagt, euer indischer Guru habe jenes gesagt und euer japanischer Meister etwas anderes. Die ganze Wahrheit steht in euch selbst geschrieben. Kehrt zu euch selbst zurück und denkt tief nach!

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„Wo immer ihr seid, seid ein Meister, und wo immer ihr steht, dort ist der Ort der Wahrheit.“ An diesem Ort ist alles eins und das Eine offenbart sich in allen seinen Aspekten. Einige nennen es Gott, einige nennen es Allah, einige nennen es Brahma und einige nennen es Tao. Ob man Wasser trinkt, schreibt, arbeitet, einen Tempel betritt, was immer man tut, man ist am richtigen Ort. Findet diesen in euch selbst!

„Ihr braucht nichts zu akzeptieren, was von aussen kommt.“ Da der wahre Ort niemals aussen ist, erachtet Lin-chi es nicht für nötig, die äusseren Umstände wichtig zu nehmen. Zu sagen, man müsse die äusseren Umstände nicht akzeptieren, kann aber ein wenig gefährlich sein, vor allem dann, wenn man es wörtlich nimmt. Lin-chi sagt nicht, man solle alle äusseren Gegebenheiten ablehnen oder ignorieren, sondern nur, dass man sich nicht von ihnen beeinflussen lassen soll.

Er propagiert keine Weltverachtung, in der nur der Geist zählt und alles Materielle als verwerflich aufgefasst wird. Es gibt einen Frosch, der verändert seine Farbe in Übereinstimmung mit dem Ort, an dem er sich befindet. Er hat keine endgültige Farbe. In diesem Sinne soll man vollkommen selbständig sein und sich nicht von den äusseren Umständen einfangen lassen.

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Wenn der Mond auf das Wasser scheint, leuchtet das Wasser, bis der Mond verschwindet. Das Wasser ist wie ein Spiegel, es hält das Licht nicht fest. Gelbe Blumen, gelber Spiegel; blaue Blumen, blauer Spiegel. Der Spiegel hält überhaupt nichts fest, wandelt sich aber in jeder Situation. Das Bewusstsein ist wie so ein Spiegel, es tritt in alle Zustände ein, ändert aber sein Wesen nicht. Aber: „Ein Augenblick des Zweifels und schon schleicht sich der Teufel in euer Gemüt ein.

„Wenn sogar ein Bodhisattva zweifelt, dann nutzt der Dämon von Leben und Tod die Gelegenheit zu seinem Vorteil.“ Wenn z.B. ein Bodhisattva anfängt, an Buddhas Lehre von der Weisheit, die einen ans andere Ufer der Befreiung trägt, zu zweifeln, fragt er sich, ob es überhaupt so etwas wie Weisheit gibt. Gibt es ein solches Ufer? Gibt es Befreiung? Gibt es überhaupt jemanden, der vom Leiden erlöst werden muss? Der Buddha sagte doch, es gäbe niemanden zu erlösen.

Nun hat der Teufel der Täuschungen die Gelegenheit gepackt und sich des Denkens und der Emotionen bemächtigt. Die ganze Mission des Bodhisattvas, anderen zu helfen, Befreiung zu erlangen, ist in Frage gestellt. Und alle diese Zweifel gipfeln in der Frage: Gibt es dieses Bewusstsein tatsächlich oder nicht? Das ist die letztendliche Frage. Nun gilt es, die letzten Inhalte des kollektiven Bewusstseins (Alaya-Bewusstsein) auszulöschen und in die Leere (Parinirvāna) einzutreten. Dies ist ein fürchterlicher Moment des Zweifels, und fast nicht zu überwinden. Er kann den Geist tagelang trüben.

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„Wenn etwas kommt, beleuchtet es. Glaubt fest an das Licht, das in euch selbst aktiv ist; es gibt überhaupt nichts (anderes) zu tun.“ Was es auch ist – ein Mann, eine Frau, Geld, Nahrung, Freude, Leiden, Gedanken, – beleuchtet es mit dem Licht des natürlichen Gewahrseins und glaubt fest daran, dass dieser Akt des Wahrnehmens der eigentliche Schatz ist. Es gibt kein anderes Licht als das dieses Bewusstseins. Es spiegelt alles ohne Urteil und Meinung.

Sobald es aber von einer Idee oder Theorie besetzt wird, kann es nicht mehr spiegeln. Es ist nutzlos, die Quelle der Erleuchtung in der Welt der Dinge zu suchen – nur das Studium des eigenen Selbst öffnet diese Türe. Erleuchtung erfährt derjenige, der völlig losgelöst von den Umständen diese alle meistert.

„Eure eigene Geistesaktivität schafft die drei Welten und differenziert sich entsprechend dem Gesetz von Ursache und Wirkung in die sechs Sinneswahrnehmungen.“ Egal, ob man die drei Welten als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, oder als Begehren, Zorn und Unwissenheit versteht, sie werden auf jeden Fall nur in diesem, eurem eigenen Geist gebildet. Dieser Geist, der alle Welten erschafft und auf alle Umstände antwortet, ist der ursprüngliche, reine Geist. Er ist der Meister, der völlig frei ist von den Bildern, Gedanken und Erinnerungen, die in ihm auf Grund der wiederholten Sinneserfahrungen entstehen. Aber statt diese Welten als eigene mentale Erzeugnisse zu erkennen und zu meistern, macht ihr euch ihnen untertan und irrt wie blinde Würmer darin umher.“

„Gibt es in dieser gegenwärtigen Geistesaktivität irgendetwas, das fehlt?“ Ihr solltet verstehen, dass eurem Körper keine Grenzen gesetzt sind in der Anwendung der geistigen Kräfte. Alle sogenannten übernatürlichen Kräfte stehen euch zur Verfügung, aber nur, wenn ihr euer separates, persönliches Ich ablegt und eins werdet mit dem GROSSEN Leben, das die Kräfte hat.

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