Der Lebensbaum

Der Lebensbaum: AWH gesprochen Feb. 2023

Der Lebensbaum ist ein Symbol für die Ganzheit unseres Daseins. Ihr habt alle schon ein gewisses Verstehen, dass es in der Lehre des Buddha, dem sogenannten Buddha-Dharma und im Zen um diese Ganzheit geht.

Nämlich, um es kurz zu sagen …

Nein! So geht es nicht! – Niemand kann kurz sagen, was das Leben ist; man muss es selber entdecken!

Dann fangen wir am besten gleich damit an

Wahrnehmung

Was hören wir gerade jetzt? (Die Kirchenglocken läuten.) …

Natürlich haben wir alle ein Wort dafür und haben vermutlich im Kopf bereits geantwortet: «Glocken» …

Wenn man allerdings jetzt mit etwas ganz anderem beschäftigt wäre, würde man dies vielleicht überhaupt nicht hören. Aber im Moment sind wir nicht mit etwas anderem beschäftigt, also nehmen wir wahr, was an unsere Ohren tritt.

Aber auch wenn ihr sagt: «Wir hören Glocken», wissen wir nicht, was jeder wirklich hört. Denn unser Gehör ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Je nachdem, in welcher Verfassung das Sinnesorgan (Ohr) und das Verarbeitungsorgan (Gehirn) ist, werden Schallwellen unterschiedlich gehört.

Vielleicht ist die Hörschärfe nicht mehr so stark und das, was «ich» höre, ist sehr leise oder verzerrt. Einige hören vielleicht eine ganze Klangsymphonie mit Ober- und Untertönen, andere nur einen Ton. Für die eine mag es unangenehm sein, für die andere ist es Musik. Den einen erinnert der Klang vielleicht an angenehme Erlebnisse in einer Kirche, den anderen an unangenehme Erlebnisse am selben Ort.

Die vom vibrierenden Metall namens Glocke erzeugten Schwingungen treffen also auf das Hörorgan, mit dem wir alle ausgestattet sind, und wird dann zu einem absolut individuellen Erleben. Ein von aussen kommender neutraler Sinnesinput kann im Gemüt verschiedener Leute allerlei verschiedene Assoziationen und Reaktionen auslösen.

Das Wort Glocken sagt also überhaupt nichts aus über das, was wir in Wirklichkeit hören, nicht wahr?

Wort ≠ Wirklichkeit

Doch wir sind so sehr konditioniert, Worte für die Wirklichkeit zu halten, dass wir in der Regel gar nicht merken, was uns entgeht, wenn wir uns mit dem Wort zufrieden geben. «Ich höre Glocken, basta!» – Der einmalige, gegenwärtige Klang interessiert nicht.

Ebenso verfahren wir mit allen anderen Wahrnehmungen: Wenn wir einen Namen für etwas haben, meinen wir zu wissen, was es ist. Wir brauchen nicht mehr genau zu schauen, zu hören, zu fühlen, wir «wissen» alles schon und handeln entsprechend, egal ob es sich um einen Mitmenschen, ein Tier, eine Pflanze oder ein lebloses Ding handelt.

Doch was geschieht, wenn man sich nicht mit den gelernten Namen zufrieden gibt? Oder überhaupt keine Namen benutzt, wenn man auf ein Gegenüber trifft? Wer wäre zum Beispiel meine Mutter, wenn ich sie nicht «meine Mutter» nennen würde? Was wäre die Schnecke im Garten, wenn ich sie nicht «Schnecke» nennen würde?

Wie wir alle wissen, tauchen die Namen so blitzschnell auf, dass man kaum in der Lage ist, das Geschehen und die Namen auseinander zu halten. Aber genau das ist es, was man lernen muss und lernen kann, wenn man etwas Authentisches über sich selber und die Wirklichkeit erfahren will.

Dazu bedarf es nur vier grundlegender Schritte oder mentalen Positionen. Sie heissen:

Innehalten – wahrnehmen – erforschen – erkennen
Innehalten und wahrnehmen

Innehalten bedeutet, den rasenden Denkprozess anzuhalten und sich zu orientieren, wo und in welcher Geistesverfassung man gerade ist.

Setz dich hin, lege alle Beschäftigungen zur Seite; richte deine Aufmerksamkeit nach innen; nimm Kontakt auf mit dem Atem; verbinde dich mit dem Atem. Lass ihn ganz frei, gib ihm Raum und entspanne dich darin. Spüre, wie dein Körper in diesem weiten Raum sitzt, aus welchem die Luft in dich ein- und ausströmt. – ein, aus, ein, aus. Kümmere dich um nichts anderes, bis sich die Atemzüge verlangsamen und ihren eigenen Rhythmus gefunden haben. Weile in dieser stillen Präsenz und öffne dich ganz für das, was jetzt ist.

Wahrnehmen bedeutet zu bemerken, was geschieht. Man schaut und fragt: Was ist los? Was läuft gerade jetzt ab? Egal ob ein Geschehen die «Innenwelt» oder die «Aussenwelt» betrifft, die Wahrnehmung ist immer eine Aktivität des eigenen Geistes. Und deshalb sind auch die folgenden Schritte Bewegungen des eigenen Geistes.

Im wahrsten Sinn heisst wahr-nehmen auch, dass man das, was geschieht, nicht leugnet. Besonders bei unangenehmen Emotionen wie Wut, Neid, Traurigkeit usw. neigen wir dazu, sie unter einen virtuellen Teppich zu wischen, uns abzulenken oder innerlich wegzurennen. Tue dies nicht! Im Gegenteil, schau den aktuellen Fakten direkt ins Gesicht und nimm sie an: So ist es in diesem Augenblick!

Erforschen bedeutet, das gegebene Phänomen zu untersuchen: Was ist es? Wie ist es entstanden? Woher kommt es? …

Nun kommt es darauf an, sich nicht von den automatischen Antworten des Denkens und der Erinnerung in die Irre führen zu lassen: – «Ach das ist bloss eine Macke»; «Du hast halt zu viel getrunken»; «Das ist so wegen deiner Mutter, deinem Lehrer, deinem Chef». – Jeder hat ein ganzes Arsenal von derart voreiligen Antworten. Aber wenn diese uns aus den Verstrickungen helfen könnten, dann wären wir längst nicht mehr verstrickt, nicht wahr? Denn sie sind es, die den entscheidenden Schritt dieser Phase verhindern, nämlich das befreiende Erkennen.

Diese Art Erforschen ist nicht dasselbe, wie intellektuelles Analysieren und Vergleichen. Letzteres beruht auf angesammeltem Wissen aus der Vergangenheit, sprich gespeicherten Erinnerungen. Daran gibt es nichts Neues. Wenn man etwas wirklich erforscht, muss man unwissend sein und offen für das Unbekannte.

Erkennen bedeutet, dem wahrhaftigen Wesen der Phänomene auf die Spur zu kommen. Und was ist das wahrhaftige Wesen aller Wahrnehmungen?

Bisher haben wir alles, was in den obigen Schritten beschrieben wurde, wie aktuell vorhandene Objekte betrachtet. Und zwar so, als ob sie uns «aufgedrängt» würden und deren passive Opfer wir sind: Ich bin wütend, ich bin traurig, ich habe Schmerzen; mein Körper ist kalt, warm, krank, gesund usw. Ebenso verfahren wir mit äusseren Dingen: Du bist mein Freund; du bist mein Feind.

Aber haben wir uns schon einmal ernsthaft überlegt, wer oder was es ist, das alles Wahrnehmen und Erforschen «tut»? Was ist das für ein Auge, das die Gedanken, Gefühle, Erinnerungen usw. sieht? Wer ist es, der das eigene Leben wie einen Film betrachten und gleichzeitig gestalten kann?

Mensch = Mind = Geist

Wobei wir wieder bei der Frage sind: Was für ein Wesen bin ich? Was ist ein Mensch?

Das Wort Mensch hat dieselbe Wurzel wie das englische Wort mind. Beide gehen zurück auf das lateinische Wort mens und werden auf Deutsch mit Geist oder Bewusstsein übersetzt. Über seine Entwicklungsgeschichte gibt es natürlich viele verschiedene Theorien. Doch er wird immer durch seine Mind bzw. seinen Geist definiert.

Aber egal, welche Theorie man bevorzugt, eine Tatsache gibt es: Wir Menschen wissen intuitiv um unser eigenes Sein. Auch wenn wir das Selbstbewusstsein weder erklären noch ergründen können, so wissen wir doch, dass es ohne unsere Mind, unseren Geist nicht existiert.

In der Regel denkt man nicht weiter darüber nach, was Bewusstsein ist. Manchmal ist man geistesgegenwärtig, bewusst, manchmal geistesabwesend, unbewusst. Wenn das Bewusstsein wach ist, ist man sich selbst und der Welt gewahr. Wenn es schläft, weiss man von beiden nichts. Dann gilt man als unbewusst. Und wenn der Körper in einem Koma liegt, ist man scheintot.

Diese Erfahrungen lehren uns, dass das Bewusstsein nicht vom Körper getrennt werden kann. Daraus schliessen wir automatisch, dass das Ich und das Bewusstsein dasselbe ist und dass es, wenn wir dann tot sind, kein Bewusstsein mehr geben wird. Aber ist diese Schlussfolgerung wahr? Bin «ich» wirklich nur der Körper?

Bedeutet die Tatsache, dass unser Körper und unser persönliches Bewusstsein zusammen funktionieren – und nur zusammen – dass es kein Bewusstsein, keinen Geist gibt, der nicht an das Ich-Bewusstsein gebunden ist?

Um diesen Zweifel aufzulösen und die Wahrheit zu finden, ist es nötig, genauer hineinzuschauen und zu fragen: Was ist, wenn man sich nicht um den Körper kümmert? Was geschieht, wenn man sich selbst bei einer konzentrierten Tätigkeit völlig vergisst oder im Tiefschlaf nichts von sich selber weiss? Ist man dann tot?

Das lebendige, innere Wesen

Diese Art Beschäftigung mit sich selbst – mit dem eigenen Wesen – hat natürlich nichts mit unserer Karriere oder unserem sozialen Ansehen zu tun. Man kann kein Geld damit verdienen. Wohl deswegen ist das auch für die meisten völlig uninteressant. Auch kann man sich nicht damit brüsten, und, was noch viel schlimmer ist, man kann es niemandem erklären; man ist allein damit. Und so belächeln oder ignorieren «normal-denkende» Menschen diejenigen, die sich mit etwas derart Unnützem beschäftigen, das dem vernünftigen Verstand keinerlei Nutzen bringt.

Warum sitzen wir heute trotzdem wieder zusammen an einem Meditationsretreat?

In meinem Verstehen ist das ein Zeichen dafür, dass es in uns etwas gibt, das erkannt, gesehen, gehört, erlebt werden will und kann. Der Zen-Meister Bankei münzte dafür den Begriff «Das Ungeborene» In manchen Menschen gibt es etwas, das ihnen keine Ruhe läss und sie zur Auseinandersetzung mit der Wahrheit drängt. Das gilt nicht nur für Meditierende. Auch Musiker, Komponisten, Interpreten, Maler, Poeten und manche Wissenschaftler widmen ihr ganzes Leben der Suche nach einem Ausdruck von einer Art Wahrheit, um die sie intuitiv wissen.

Sie alle machen die Erfahrung, dass sich dieses Etwas nicht mit dem logischen Verstand einfangen lässt, sich aber in ganz bestimmten Momenten zu erkennen gibt: Oh! – Worte können es nicht ausdrücken, aber das Gefühl, das damit verbunden ist, wird etwa als grosse Erleichterung, Befriedigung, Wachheit oder als grundloses Glück beschrieben.

Solche Momente der Erkenntnis, Klarsicht und Offenbarung können auch völlig spontan und plötzlich auftreten. Viele Menschen haben schon erlebt, dass «es ihnen wie Schuppen von den Augen fiel» und die Welt danach in einem ganz anderen Licht leuchtete. Ob diese neue Sicht allerdings nachhaltig ist oder wie ein Strohfeuer sofort vergeht, hängt unter anderem von der geistigen Reife und dem Verständnis der betreffenden Person ab.

Bereitschaft

Auf Grund der zahlreichen Zeugnisse lässt sich feststellen, dass der Geist in einem ganz besonders empfänglichen Zustand sein muss, um ein solches «Wunder» zu ermöglichen. Und zwar im Zustand völliger Selbstvergessenheit, frei von ziel- und zweckorientierten Impulsen, in absoluter Hingabe und vollständigem Einssein mit dem gegenwärtigen Geschehen.

Manchmal ist dies auch bei grosser Not der Fall; wenn man am Ende ist mit «seinem Latein», nichts mehr weiss und nichts mehr kann. Deshalb wird oft gesagt, man müsse sterben, um die Wirklichkeit zu erkennen. Aber natürlich ist das, was sterben muss, nicht der Körper, sondern das Subjekt, das Ich, das sich einbildet, Mittelpunkt und Herr der Schöpfung zu sein und alles auf die eigene Person bezieht.

Die Menschheit hat diverse Mittel entdeckt, um seinen Geist in einen exaltierten Zustand der «Bewusstseinserweiterung» zu versetzen – Drogen, berauschende Getränke oder körperlich anstrengende Rituale. Auch Meditation wird oft unter diesem Deckmantel angepriesen. Doch solange man dabei auf einen Kick aus ist, auf Selbstoptimierung oder gar Erleuchtung, wird man in die Irre gehen.

Denn: Wie könnten Wille und Absicht einen absichtslosen Geisteszustand erzeugen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man muss ja bloss einmal eine halbe Stunde lang versuchen, nichts zu denken, indem man sich sagt:«Ich will nicht denken.» …

Um den absichts- und ichlosen Urzustand unserer wahren Geistesnatur freizulegen, muss das egozentrische Denken und die Identifikation mit dem Körper als einem separaten Ich vollständig zur Ruhe kommen. Das ist das Wesen jeder selbstlosen, achtsamen und schöpferischen Aktivität sowie der echten Meditation.

Meditation ist das Öffnen jenes Auges, dessen Blick sich nicht in den Bewegungen der Einzeldinge verliert. Es nimmt diese sehr wohl wahr, bleibt aber nicht daran haften. Denn es sieht jedes Einzelwesen als Teil des Ganzen und das Ganze in jedem Einzelnen. Diese Sicht wird passives Gewahrsein oder reines Gewahrsein genannt.

Der Lebensbaum

Ohne passives oder reines Gewahrsein ergeben «innehalten – wahrnehmen – erforschen – erkennen» keinen Sinn.

Lasst mich dies an einem Sinnbild veranschaulichen:

Fast alle Kulturen kennen das Bild vom Leben als einem grossen Baum, dem Lebensbaum. (https://www.namesforever.de/blog/der-lebensbaum) Dieser grosse Baum wird von Himmel und Erde genährt, getragen und beschützt. Somit ist er eins mit dem ganzen Universum und manifestiert das ganze Universum in seiner Gestalt.

Die Äste und Zweige, die sich dem Himmel zuwenden, gleichen dem Wurzelwerk, das sich in der Erde ausbreitet, haben dieselbe Funktion. Beide sind zuständig für den Austausch der lebensnotwendigen Elemente Wasser, Luft, Metalle, Wärme. Unzählige Lebewesen finden Nahrung und Schutz in ihnen. Darunter gibt es Nützlinge und Schädlinge, es gibt Schmarotzertum und Symbiose, Mangel und Überfluss, Geburt und Tod. Kurz: Der Baum ist ihre ganze Welt, sieht sich selber aber nie als Baum.

Dasselbe gilt für die Blätter. Jedes ist ein Einzelwesen mit seiner eigenen Individualität. Keines ist genau gleich wie das andere. Und keines sieht den ganzen Baum. Aber jedes trägt durch sein Da-Sein zum Stoffwechsel und damit zum Leben des ganzen Baumes bei. Keines ist zu viel, keines zu wenig.

Also ist kein Blatt getrennt vom Baum und dem Universum. Sie kommen und fallen, Farbe und Form verändern sich im Laufe ihrer Lebenszeit. Der Himmel über ihnen und die Erde unter ihnen jedoch bleiben. Und wenn ein Blatt abgefallen ist, kehren seine Lebenselemente dorthin zurück, wo sie hergekommen sind. Die Form zerfällt, das Leben bleibt.

Was hier von den Blättern gesagt wurde, gilt auch für uns Menschen. Wir, du und ich und alle anderen, sind die gegenwärtigen Blätter am universalen Lebensbaum. Wir hängen an verschiedenen Ästen und Zweigen, befinden uns in unterschiedlichen Vegetationsphasen – Frühling, Sommer oder Herbst – und werden irgendwann fallen. Und keiner von uns sieht den ganzen Baum.

Das Eine ist das unzertrennliche Ganze

Denn die Sicht unserer zwei Augen ist sehr limitiert. Auch das Gehör und die anderen Sinnesorgane decken nur ein kleines Stückchen des gesamten Lebensbereiches ab. Doch wir tragen den ganzen Lebensbaum in uns. Sein Wesen und unser Wesen sind dasselbe. Man kann uns nicht davon trennen. Und selbst, wenn wir fallengelassen werden, sind wir nicht von ihm getrennt. Aus dem Leben, das wir jetzt führen, wird neues Leben wachsen. Das ist vielleicht nicht in der gleichen Form, wie jetzt.

Vielleicht verbinden sich die Elemente tief in der Erde zu einer ganz anderen Form, je nachdem, welche Kräfte dann in ihnen wirksam sind. Das heisst: je nach dem, was wir in die Erde zurückbringen. (Siehe Buddhas Lehren von Karma und dem Kreislauf des Lebens, Bhavachakra.)

Wenn wir diese Sicht, dieses Verstehen des Ganzen im Kleinen und das Kleine als Ganzes in uns finden und danach leben, wo gibt es dann Angst und Leid?

Sind Angst und Leid nicht erst dann vorhanden, wenn ein Blatt sich vom Ganzen trennt und meint, es sei ganz allein? Und wenn es meint, sein Leben sei zu Ende, wenn der Winter kommt und der Baum es fallen lässt? Oder wenn es für immer Blatt bleiben will, aber nicht irgendein Blatt, sondern das Blatt, das alle anderen überragt? Wenn es sich zum Beispiel beklagt, dass es an einem Zweig hängt, der nicht so viel Sonne abbekommt wie die oberen Zweige?

Die wirklichen Blätter an einem wirklichen Baum kennen solches Leiden höchstwahrscheinlich nicht. Man weiss heutzutage zwar, dass Bäume eine Art soziales Bewusstsein haben – sie kommunizieren miteinander und mit anderen Lebewesen und können durchaus für ihr Eigenwohl einstehen – aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass jedes einzelne Blatt einen Eigenwillen hat und diesen durchsetzen will. …

Früchte des meditativen Lebens

Könnten wir uns dieses Leiden nicht auch ersparen, wenn wir das «Blatt-Sein» bewusst erleben, uns daran erfreuen und seine Erlebnisfähigkeiten nutzen würden – das Lichtspiel der Sonne; der Tanz von Wind, Sturm und Regen; die Jahreszeiten mit ihren verschiedenen Farben und Düften; die Beziehungen zu den Mitlebewesen? Wenn man auch die Rolle der sogenannten Schädlinge und Nützlinge und anderer Gegensätze im Ganzen erkennen und akzeptieren würde?

Lasst uns nicht stecken bleiben in träger Selbstgefälligkeit und kleinlicher Selbstbezogenheit. Öffnen wir unseren Geist mit seiner innewohnenden schöpferischen Intelligenz und Weisheit immer wieder neu zum grossen Da-Sein! Nehmen wir unser Leben an, so wie es ist und tragen damit unseren Teil zum Gedeihen des Ganzen bei!

Dann sind auch Worte kein Problem mehr. Denn, wenn man weiss, das auch Worte dem schöpferischen Geist entspringen, dann kann man sie frei benutzen und mit ihnen spielen.

Wie können Einwände und Zweifel zu Gewissheit führen? Wie kann man selbst herausfinden, ob das, was in Worten gefasst ist, etwas Wirkliches ist oder nicht? Nicht, indem man sich davon fernhält oder in abstrakten Gedanken wälzt. Im Gegenteil: Man muss das Wort, die Idee, den Gedanken, das Gefühl in die «Hand nehmen», untersuchen und testen. Was bist du, du «Wort»? Was bist du, du «Schmerz»? Was bist du, du «Idee»? Was bin ich? …

Die Früchte, die aus «innehalten – wahrnehmen – erforschen – erkennen» erwachsen, verleihen unserer Lebenskraft Stärke und dem alltäglichen Tun eine klare Ausrichtung. Ohne diese Verwirklichung im Alltag sind Meditation, Zen oder Buddha-Dharma bloss Worte und Philosophie. Davon kann man sich nicht ernähren und man wird niemals satt.


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