Das Thema Verlangen im Dhammapada
Das Thema Verlangen im Dhammapada – Der Buddhismus unterscheidet zwei Formen von Verlangen, Tanhā und Chanda. In Tanhā ist das Verlangen selbstzentriert, zentripetal mit „ich“ im Zentrum. Es ist eine Art schwarzes Loch, das alles aus seiner Umgebung für seine eigene Existenz aufsaugt. Man versucht, sich an vergangene schöne Erlebnisse zu klammern, sie zu verlängern, ohne zu realisieren, dass sie unbeständig sind. Man versucht, unschönen Erlebnissen aus dem Weg zu gehen, ohne zu realisieren, dass diese ebenfalls unbeständig sind. Chanda hingegen ist selbstloses Verlangen, zentrifugal, ohne „ich“ im Zentrum. Man engagiert sich in der Welt und versucht nicht, die Dinge zu Gunsten von sich selbst zu manipulieren.
Kalender Bilder – 2014
Durst
A. Es ist September. Hast du eine Idee für das Thema des Kalenders für 2014?
B: Ich bin dabei, das Dhammapada wieder zu lesen. Es ist eine wahrhaftige Schatztruhe. Die Gleichnisse, die der Buddha benutzt, um seine Gedanken zu illustrieren, sind nicht kompliziert und bringen die Sache gut auf den Punkt. Erstaunlich, was ein klarer Geist zum Ausdruck bringen kann, so einfach, so elegant. Sogar ein Kind kann das Gesagte verstehen.
A. Du weisst natürlich, dass das Dhammapada (dtsch. Wahrheitspfad) eine Sammlung von Versen ist, die aus diversen Lehrreden, die der Buddha auf seiner Wanderung durch das Gangestal und den Himalaja gehalten hat, ausgewählt wurden. Jeder Vers enthält eine Wahrheit (dhamma), eine Ermahnung, einen Rat. Hast du dich für einen Themenkreis entschieden?
B: Ich arbeite mit Auszügen aus dem Kapitel, das mit „Verlangen“ überschrieben ist. Manche Übersetzer brauchen das Wort „Begehren“. Max Müller, einer der ersten Übersetzer des Dhammapada aus dem Pali, nannte es „Durst“. Das Paliwort lautet Tanhā.
A: Tanhā steht gemäss einer gängigen Definition für den „Durst“, den Wunsch oder das Verlangen, an angenehmen Erfahrungen festzuhalten, sich von schmerzlichen, unangenehmen Erfahrungen fernzuhalten und neutrale Erfahrungen hinzunehmen. Aber dieser Punkt muss geklärt werden, denn die Leser könnten eine falsche Idee über das Verlangen bekommen. Zum Beispiel wünschen Eltern für ihre Kindern nur das Beste. Ist das ein falsches Verlangen?
°°°
Der Buddhismus unterscheidet zwei Formen von Verlangen, Tanhā und Chanda. In Tanhā ist das Verlangen selbstzentriert, zentripetal mit „ich“ im Zentrum. Es ist eine Art schwarzes Loch, das alles aus seiner Umgebung für seine eigene Existenz aufsaugt. Man versucht, sich an vergangene schöne Erlebnisse zu klammern, sie zu verlängern, ohne zu realisieren, dass sie unbeständig sind. Man versucht, unschönen Erlebnissen aus dem Weg zu gehen, ohne zu realisieren, dass diese ebenfalls unbeständig sind. Chanda hingegen ist selbstloses Verlangen, zentrifugal, ohne „ich“ im Zentrum.
Man engagiert sich in der Welt und versucht nicht, die Dinge zu Gunsten von sich selbst zu manipulieren. Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Das ist chanda, solange die Eltern diesen Wunsch nicht für ihre eigene Selbstverherrlichung,ihr eigenes Bestes hegen. Man mag das Verlangen nach Weisheit, Selbsterkenntnis, Erleuchtung verspüren. Dies ist chanda, es sei denn man missbraucht dieses Verlangen, um etwas anderes aus sich selbst zu machen, als was man ist – ein Guru, Meister, etwas „Besseres-als-du“ usw.
Das ist eine heikle Angelegenheit und man muss sich sehr bewusst sein, wer man in jedem Augenblick ist. Man soll sich nichts vormachen. Man kann mit grosser Wahrscheinlichkeit immer davon ausgehen, dass man das, was man tut, für sich selbst tut – bis das Gegenteil bewiesen ist. Und der Beweis wird nicht dadurch erbracht, dass man mit sich selbst einen Dialog darüber führt.
Es ist nie das, was man zu sich selbst oder jemand anderen sagt, was zählt, es ist immer das, was man tut. „Taten sprechen lauter als Worte“, ist eine gute Daumenregel auch in diesem Fall. Und wenn man der Welt um einen selbst herum auch nur ein bisschen gewahr ist, wird die Welt um einen herum einem auch das Mass liefern für das „Falsche“ im eigenen Tun.
°°°
Der Buddha identifizierte drei Arten von Tanhā: Sinnesverlangen, Verlangen nach Existenz und Verlangen nach Nicht-Existenz.
Sinnesverlangen
Sinnesverlangen wird auch als Verlangen nach „Sinnlichkeit“ oder „Sinnesfreuden“ bezeichnet. Es ist ein Begehren von sinnlichen Objekten, die einen mit angenehmen Gefühlen versorgen, oder die Gier nach sinnlicher Lust. Ausser den gewöhnlichen Verdächtigen wie Essen, Trinken, Sex, Drogen und Rock and Roll kann man auch Reichtum, Macht, das Festhalten an Ideen, Idealen, Ansichten, Theorien, Konzepten und Glaubenssystemen dazuzählen.
Verlangen nach Existenz
Verlangen nach Existenz wird auch Verlangen nach dem „Werden“ oder „Sein“ genannt. Das ist ein Verlangen, sich mit etwas zu identifizieren, sich mit einer Erfahrung zu vereinigen. „Ich will ___ sein, damit ich ___ kann“ ist die gängige Formel für dieses Begehren. Jeder kann hier seinen eigenen Seins-Wunsch eintragen. Ich will jemand sein, weil ich niemand bin, zum Beispiel. Das ist Geltungssucht. Oder wie es jemand einst sagte: „Das Bedürfnis, andere wissen zu lassen, wie selbstgefällig man ist.“
Verlangen nach Nicht-Existenz
Und wenn man es in den eigenen Augen nicht geschafft hat, etwas oder jemand zu werden, dann kommt das Verlangen nach Nicht-Existenz, auch bezeichnet als den Wunsch „nicht zu werden“, „nicht zu sein“ oder zu „verlöschen“. Es ist das Verlangen, die Welt nicht zu erleben und nichts zu sein. Diese Sehnsucht nach dem Tod basiert auf dem Wunsch, Schmerz, Leid, Enttäuschung, Verzweiflung und allgemeiner Negativität zu entfliehen.
A: Da gibt es viel zu verdauen. Guten Appetit!
B. Das ist nicht alles; der Buddha sagt, dass Tanhā auch die erste Ursache ist für dukkha. Wobei dukkha gewöhnlich mit „Leiden“ übersetzt wird. Dies führt uns zum Kern von Buddhas Lehre, die in den Vier Edlen Wahrheiten und dem Edlen Achtfachen Pfad zusammengefasst ist.
Vier Edlen Wahrheiten
Die Vier Edlen Wahrheiten sind:
- Die Wahrheit von dukkha.
- Die Wahrheit vom Ursprung von dukkha.
- Die Wahrheit vom Aufhören von dukkha.
- Die Wahrheit vom Weg, der zum Aufhören von dukkha führt.
Edle achtfache Pfad
Der Weg, der zum Aufhören von dukkha führt, ist der Edle achtfache Pfad. Die acht Komponenten heissen
- Rechte Sicht
- Rechtes Denken
- Rechte Rede
- Rechtes Handeln
- Rechter Lebensunterhalt
- Rechtes Bemühen
- Rechte Achtsamkeit
- Rechte Sammlung
Die Vier Edlen Wahrheiten beschreiben den bedingten menschlichen Zustand und der Edle Achtfache Pfad zeigt, wie dieser Zustand transzendiert werden kann, d.h. wie man den nicht-bedingten menschlichen Zustand verwirklicht.
Der bedingte menschliche Zustand ist gemäss dem Buddha der Weg von dukkha, Leiden. Wie man sich leicht vorstellen kann, spielen physisches und seelisches Leiden eine grosse Rolle in dukkha, aber da ist noch etwas Subtileres. Es ist der undefinierbare, wortlose, fast schattenhafte Seinszustand, in dem man das Gefühl hat, dass irgendetwas, das im Leben da sein sollte, fehlt.
Es ist wie ein Jucken, das man nicht kratzen kann, ein unstillbarer Durst, eine Melodie, die fast perfekt ist aber nicht ganz. Ich denke, wir alle erlebten Augenblicke, in denen eine vorübergehende Ahnung von diesem fehlenden Etwas unser Gemüt erfasste, bevor wir es jedoch fassen können, ist es schon weg und alles, was bleibt, ist eine Spur von Reue und Trauer. Es ist immer da, aber ausser Reichweite. Es ist etwas, zu dem wir hinlaufen, vor dem wir weglaufen und dieses Hin-und-her-Laufen nennen wir Verlangen.
°°°
Und mit den einzigen Mitteln, die wir haben – unseren sechs Sinnen – versuchen wir ständig, diesen Durst zu löschen, die Begierden mit ihren tausendfachen Manifestationen zu befriedigen, um unseren Geist zur Ruhe zu bringen. Immer in der Hoffnung, dass es diesmal endgültig sei. Dieses Mal ist es wahr! Dieses Mal ist es zum letzten Mal! Nur um dann festzustellen, dass nichts endgültig ist, nichts wahr und nichts zum letzten Mal. Nichts ist beständig. Wir stürzen uns in sinnlichen Überfluss und sinnliche Gier im Streben nach physischer und psychischer Erlösung für einen Zustand, der nur durch das Gegenteil von all dem, was wir gerade tun, um den besagten miserablen Zustand zu besänftigen, aufgelöst werden kann
Die moderne westliche Gesellschaft, die immer darauf aus ist Geld zu machen oder zu nehmen, nutzt diese menschliche Krankheit, indem sie ihre unzähligen Produkte und Dienstleistungen anbietet, die uns garantiert zum meist begehrten Individuum der Erde machen. Und so wandern wir durch die Welt, alle gleich aussehend, gleich riechend, gleich gekleidet, sich gleich verhaltend wie der Klon, der neben einem im Tram sitzt, der einzige Unterschied in der Farbe unseres ichPhones. Wir suchen alle nach diesem Etwas, das fehlt und wir sind überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis jemand eine App dafür schreibt.
°°°
Wir sind uns alle einige, dass das Leben ein Haufen Mist ist, aber wir haben nicht erkannt, dass wir die Autoren unseres Haufens Mist sind und dass nur jeder selbst diesen Dreck aus dem Stall schaufeln kann. Es ist immer der Andere, der die Sauerei zu verantworten hat, in diesen Refrain stimmen wir alle ein. Der Buddha, mit seiner Weisheit, „sah“ dies als die menschliche Kondition, lange bevor die Welt durch Mikrochips besiegt war. Und der Bodhisattva, der er war/ist, schaffte ein Set aus Richtlinien, das er den Edlen Achtfachen Pfad nannte. Dieses Werkzeug zur Überwindung von dukkha ist heutzutage genauso gültig wie zu seiner Zeit, selbst wenn es noch keine App ist.
Der Achtfache Pfad stellt keinen linearen Ablauf dar, der mit Rechter Sicht anfängt und bei Rechter Kontemplation endet (siehe oben). Es ist ein simultanes Geschehen. Wenn man rechte Sicht hat, folgen rechtes Denken, Reden und Handeln nach. Wenn deine Sicht selbstzentriert ist, ist auch dein Denken selbstzentriert und das zeigt sich in deinem Reden und Handeln. Um Rechte Sicht zu verwirklichen muss man bewusst auf das eigene Denken, Reden und Handeln achten. Dieses bewusste, passive Gewahrsein in Bezug auf das eigene Denken, Reden und Handeln ist Rechte Achtsamkeit durch Rechtes Bemühen. Es ist wie ein Teller mit Buchstabensuppe. Alles ist mit allem vermischt:

°°°
Es greift eins ins andere über und geschieht gleichzeitig: Wenn man versucht, es zu zerteilen, hat man nichts – wie wenn man versucht, die Suppe mit der Gabel zu essen. Rechte Sicht besteht darin, die Welt als das zu sehen, was sie ist und nicht als das, als was man sie sich wünscht oder will.
Das Wünschen und Wollen ist Begierde, das Verlangen nach etwas, von dem man denkt, es fülle die Löcher im eigenen Leben, etwas, das dukkha eliminieren soll. Und die Welt offeriert so viele Scheinlösungen, so viele Wege zum Glück, so viele Möglichkeiten, um auf unserem Dopamin-Trip zu bleiben. Wir alle haben dies so oft erlebt, wieder und wieder, und kehren zurück, um mehr vom Gleichen zu verlangen, aber in einer anderen Verpackung.
Wenn man versteht, dass die Sinne einen nicht vom Leiden befreien können; wenn man versteht, dass alles in diesem Leben unbeständig ist; wenn man versteht, dass Geburt die Ursache von Tod und Tod die Ursache von Geburt ist; wenn man versteht, dass dies die Realität dieser Welt ist, dann ist die Sicht korrekt. Dieses Verstehen kommt nicht durch einen schrittweisen Prozess zu Stande. Es ist kein intellektueller Prozess. Es ist nicht etwas, das man erwirbt in Indien oder Japan oder China oder wo auch immer die eigenen Gurus parkieren. Dieses Verstehen ist das Resultat von innerer Sammlung.
°°°
Dies kann man überall tun, jederzeit, allein oder in der Menge. Man muss nur die Tatsache akzeptieren, dass Buddha/Weisheit nicht ausserhalb des eigenen Wesens existiert. In dieser Akzeptanz gibt es keinen Glanz, keine Glorie, Niemanden durch Scharfsinn zu beeindrucken, Niemanden zum Twittern, rein gar nichts. Oh weh! So vergeude ich meine Zeit, meine Anstrengung, meine begrenzten Ressourcen auf der Jagd nach fremden Ideen, statt mich an die Arbeit zu machen mit Rechtem Bemühen. Und alles, was ich für meine Leistung bekomme, ist die Bestätigung eines anderen Narren und eine ganze Menge von dukkha.
Wie ein Affe im Wald
hüpfst du von Baum zu Baum,
ohne die Frucht je zu finden –
Leben um Leben
niemals Frieden findend.Dhammapada – Verlangen
Der Dalai Lama wurde gefragt, was ihn am meisten überrascht; er sagte:
„Der Mensch, denn er opfert seine Gesundheit, um Geld zu machen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen. Und dann ist er so ängstlich wegen der Zukunft, dass er die Gegenwart nicht genießt; das Resultat ist, dass er nicht in der Gegenwart oder in der Zukunft lebt; er lebt, als würde er nie sterben, und dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt.“
Verlangen – Dhammapada
If you sleep, Desire grows in you Like a vine in the forest. Like a monkey in the forest From life to life, If you are filled with desire But if you subdue desire This is good counsel For if the roots hold firm, 36 streams are rushing toward you! Powerful streams! Pull it out by the roots. Like a hunted hare you run, O seeker! You have come out of the hollow Desire is a hollow It is not iron that imprisons you Soft fetters, There are those who can, O slave of desire, Little spider, stick to your web. Cross over to the farther shore, Quieten your mind. You are free from desire „Victory is mine, „I want nothing. The fool is his own enemy. Honor the man who is without passion, |
Wenn Sie schlafen, Das Verlangen wächst in Ihnen Wie eine Rebe im Wald. Wie ein Affe im Wald Von Leben zu Leben, Wenn Sie von Sehnsucht erfüllt sind Aber wenn man das Verlangen unterdrückt. Das ist ein guter Ratschlag Denn wenn die Wurzeln fest bleiben, Sechsunddreißig Ströme strömen auf dich zu! Mächtige Ströme! Ziehen Sie es an den Wurzeln heraus. Wie ein gejagter Hase läuft man davon, Oh Sucher! Ihr seid aus der Senke gekommen. Die Sehnsucht ist eine Mulde Es ist nicht Eisen, das dich gefangen hält. Weiche Fesseln, Es gibt welche, die das können, Oh Sklave der Begierde, Kleine Spinne, bleib in deinem Netz. Geht hinüber ans andere Ufer, Beruhige deinen Geist. Du bist frei von Begierde. „Der Sieg ist mein, „Ich will nichts. Der Narr ist sein eigener Feind. Ehre den Mann, der ohne Leidenschaft ist, |
Dhyāna: Winter 2013
