Perspektiven

Perspektiven – Die aussergewöhnlichen Geschehnisse der letzten Monate (11.Sept.) hier und in der Welt haben bei vielen von uns spürbare Wellen im Bewusstsein erzeugt. Wir wurden einmal mehr an die Unbeständigkeit der von uns wahrgenommenen Realität erinnert.

Eine Zeit lang erwachte das betäubte Bewusstsein der ganzen Welt und nahm Anteil, doch dann, wie immer, kehrte ein guter Prozentsatz der Menschheit in seinen unruhigen Schlaf zurück.

Überwältigt vom Steinhagel des weit gehenden Unsinns, welcher heutzutage als „Nachrichten“ verbreitet wird, stumpft die Aufnahmebereitschaft schnell ab. Die aus ihrem Zusammenhang gerissenen Ereignisse purzeln durch die Sinnesorgane in ein Gemüt, welches von noch unverdauten Eindrücken vorangegangener Ereignisse aufgedunsen ist.

Die Menge und das Tempo der von Körper und Geist innerhalb eines „normalen“ Lebens wahrgenommen Ereignisse hätte in der Vergangenheit mehrere Lebenszyklen umspannt. Die in unserer Zeit übliche Aufnahme der vielen Bruchstücke durch die Sinnesorgane kann leicht zu einer Überladung des Geistes führen. Wenn dies geschieht, überträgt mancher aus lauter Selbstschutz seine Aufmerksamkeit auf ein anderes Objekt und verliert sich darin. Andere stellen einfach ab.

Oder der Geist reagiert mit einem „Aufruf zur Tat“. Energien werden darauf gerichtet, dass „etwas getan wird“. Auch wenn eine Idee noch so nobel sein mag, ihre Ausführung ist meistens mangelhaft. Mangelhaft deshalb, weil die Idee und die Ausführung der Idee den gleichen Denk- und Handlungsmustern entspringen, die das Problem überhaupt erst hervorgebracht und genährt haben.

Andere fühlen ein grosses Unbehagen im Gemüt. In einem Bewusstsein, das mehr Erfahrungen hat mit der weltweiten Verbundenheit aller Geschehnisse, Dinge und Lebewesen, tauchen viele Fragen auf. Fragen, die im gegenwärtigen Bewusstsein keine Antwort finden. Ohne Antworten verflüchtigt sich der „Aufruf zur Tat“ sehr schnell. Dann wandelt sich das grosse Unbehagen (un-ease) leicht in eine Krankheit (dis-ease).

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Wohin führt dies uns? In Verleugnung und Depression? In rasenden körperlichen oder geistigen Aktivismus? In das grosse Unbehagen? Ja, wahrscheinlich, es sei denn, man besinnt sich auf die Wurzeln des eigenen geistigen Weges und beginnt, die Fragen von dort aus zu stellen. Eine echte geistige Praxis, welcher Art auch immer, bietet einen Schlüssel zum Verstehen. Wenn man versteht, verschwinden viele Fragen, die einem vorher wichtig schienen.

So verschwindet z. B. die Frage, ob ein Apfel süss schmeckt, sobald man den Apfel gekostet hat. Wenn man die Frage wie der Apfel schmeckt stellt, bevor man ihn gekostet hat, nennt man es Unwissenheit. Unwissenheit ist akzeptabel. Dieselbe Frage zu stellen (ist der Apfel süss?), nachdem man ihn gekostet hat, nennt man Dummheit.

Diese Überlegungen treffen auch zu für die Fragen zum gegenwärtigen Zustand der Welt. Die meisten Fragen finden keine wahre Antwort, bis man die Unwissenheit bis zu einem gewissen Grad überwunden hat. Dann allerdings hören sie zu existieren auf, denn nun versteht man.

Wir erfahren zur Zeit das Beste und das Schlechteste, was der menschliche, bewusste Geist zu bieten hat. Und wenn man die Menschheitsgeschichte ein wenig studiert, stellt man fest, dass sich nicht viel verändert hat. Wir sind heute genau so gewalttätig wie in vergangenen Zeiten, nur wird uns dies vom TV heutzutage live vor Augen geführt und dauernd ins Gedächtnis gerufen. Es sollte jedem „denkenden“ Menschen einleuchten, dass die Art und Weise, mit welcher wir bisher handelten, zu nichts führt.

Es wird nie zu etwas führen, so lange wir unsere Existenz aus einer dualen Körper-Geist- bzw. materiellen Perspektive betrachten. Vor allem die westliche Gesellschaft ist mehr oder weniger dem Kult der Materie (Körper/Geist) verpflichtet und wird deshalb keine anhaltenden Lösungen für die anstehenden Probleme finden.

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Solange eine Gesellschaft am materiellen Standpunkt von Körper und Geist festhält, sind alle vorgeschlagenen Lösungen auch materieller Natur. Es kann gar nicht anders sein. Denn alle Lösungsvorschläge sind durch die gegenwärtigen Konzepte im Bewusstsein der Menschen begrenzt. Wir sprechen hier von Konzepten wie Liebe – Hass, Frieden – Krieg, Mann – Frau, Glück, Gott, Mensch. Man frage sich einmal, wie oft man seine Ansicht in Bezug auf „Liebe – Hass“ im Laufe einer „Beziehung“ schon gewechselt hat.

Oder wie oft hat sich in letzter Zeit die Bedeutung der Worte und „Krieg –Frieden“ für einen verändert, während man die „neusten“ Nachrichten gehört hat? Wie könnte also irgend jemand auf der Basis des unsicheren Bodens mentaler Konstrukte eine anhaltende Lösung finden? Vielleicht ist es Zeit für eine Änderung der Perspektive.



Wie wäre es?

Wie wäre es, wenn wir die Geschichte dieser Welt als Mittel betrachten, um zu verstehen, wer wir in Wirklichkeit sind? Ist dies ein unsinniger Gedanke?

Es ist völlig unsinnig, wenn man das Leben aus der materiellen Perspektive von Körper und Geist definiert. Der Kult des Materialismus, charakterisiert durch die „endlose Jagd nach Sinneseindrücken zur Befriedigung der Bedürfnisse des verlangenden Geistes“, schliesst in seiner Selbstzentriertheit jegliches Wissen um ein SELBST aus. Ohne Gewahrsein des wahrhaftigen Selbst, bleibt unsere Existenz auf die materielle Ebene mit ihren Launen begrenzt.

Welchen Wert hat dann das Festhalten am materiellen, dualistischen Standpunkt von Körper und Geist? Man legt dasselbe Verhalten an den Tag, wieder und wieder, aus lauter Ignoranz. In diesem ewigen Karussell drängt sich die Frage auf: „Wie steige ich aus?“

Man steigt aus dem Karussell, sobald man sich ernsthaft fragt: „Wer bin ich?“ Je häufiger man diese Frage stellt, desto länger bleibt man dem Karussell fern. Hört man auf zu fragen, ist man flugs wieder im sich drehenden Rad.

Die Frage „Wer bin ich“ formt die spirituelle Praxis, die man pflegt. Jede geistige Praxis birgt diese grundlegende Frage in sich, und die grundlegende Antwort ist in jeder Praxis gleich. Damit ist gesagt: Das Werk ist dasselbe, die Werkzeuge sind dieselben, nur die Worte und Symbole, mit denen das Werk und die Werkzeuge beschrieben werden, mögen nicht dieselben sein. Wenn die Praxis nichts zur der Frage des wahren Selbst beiträgt, sollte man die Perspektive, aus welcher man sie betreibt, überprüfen.

Wer bin ich?

Die Frage, „Wer bin ich“ reicht zurück in die vorgeschichtliche Zeit. Vor etwas 4500 Jahren lebten in den indischen Wäldern erleuchtete Menschen, Rishis (Seher) genannt. Ihre Aufgabe bestand darin, dem „Göttlichen“ in Form von Fersen Ausdruck zu verleihen. Die Aufzeichnungen ihrer Worte sind bis heute erhalten unter dem Namen Veden. Darauf aufbauend entstand die Vedanta-Philosophie.

Die Veden tragen in sich die Grundlagen, auf denen die meisten grossen Religionen aufbauen, und die Vedanta-Philosophie ist der Ursprung der meisten westlichen philosophischen Systeme. Die aus ihr hervorgegangene Wissenschaft des Yoga ist die auch Wurzel der meisten Meditationsmethoden. In unserer Zeit wurde die Vedanta „zufällig“ wieder entdeckt im Zusammenhang mit der Quanten- und der Teilchen-Physik. Dort wird „Bewusstsein “ mathematisch gemäss dem Konzept des Nullpunkt- Vakuumfeldes definiert, einem Feld, dass grob als „alles und nichts zur gleichen Zeit“ umschrieben wird, einem Konzept, das der vedischen Sicht sehr nahe steht.

Wer nach einem Sinn dieser Welt im Allgemeinen und des individuellen Lebens im Speziellen sucht, täte gut daran, die Vedanta für selber neu zu entdecken. Bisher gaben sich viele damit zufrieden, ihre Botschaft aus zweiter Hand zu erfahren. Sie verlassen sich darauf, dass ihnen Leute mit Titeln wie „Doktor“, Swami“, „Guru“, „Priester“ „Roshi“, die Wahrheit sagen.

Doch viele dieser Titelträger haben Vedanta selbst nicht persönlich erfahren und verbreiten nur eine intellektuelle Interpretation davon, sei es ihre eigene „gebildete“ Interpretation oder, noch schlimmer, eine wiedergekäute Version der intellektuellen Interpretation eines anderen „Experten“. Wie es ist mit uns menschlichen Wesen, wir nehmen automatisch an, dass die Worte eines „Experten“ wahr sind und übernehmen sie unbedacht. So können wir uns das eigene Denken ersparen. Unser Intellekt ist befriedigt, wenigstens vorübergehend, und dann machen wir uns auf zu einem anderen Vortrag oder einem anderen Lehrer. Lasst uns einmal von diesem Karussell absteigen!



Vedische Sicht

Shankara, der eigentliche Begründer der indischen philosophischen Schule namens Advaita (Ad-vaita: nicht dual; 8. Jh.) fasste die Lehre der Veden in drei Aussagen zusammen:

  • Die letztendliche Wirklichkeit allein ist wirklich.
  • Das Universum ist nicht wirklich.
  • Das individuelle Selbst ist nicht anders als die letztendliche Wirklichkeit.

Der Wahrheitsbeweis dieser Aussagen liegt in der Selbst-Erkenntnis und jeder Mensch ist persönlich dafür verantwortlich, wie er die Erkenntnis dieser drei Aussagen verwirklicht.

Die Evolution „weist unsere gegenwärtigen Fesseln und Beschränktheit zurück“ und der Mensch entwickelt sich zu seiner „Vollendung, Selbstwertung, Unsterblichkeit“.

Der physische Körper und das Ich-Bewusstsein sind die Vehikel, deren sich das wahre Selbst bedient, um mit dieser Welt zu interagieren. Richtig verstanden, helfen die beiden beim Erreichen von Selbst-Gewahrsein, wenn nicht richtig verstanden, schaffen sie das, was man gewöhnlich unter „Hölle auf Erden“ versteht.

Bedeutet dies, dass man, um mit den täglichen Geschehnissen zurecht zu kommen, zuerst voll erleuchtet sein muss? Nein, ganz und gar nicht! Denn wenn man voll im Prozess der Selbsterkenntnis engagiert ist, zeigt sich das Tagesgeschehen von selbst in einem anderen Licht, weil sich die Perspektive erweitert. Man ist nicht länger eingeschränkt durch den begrenzten Blickwinkel eines Geistes, der dauernd von der materiellen Ebene beeinflusst wird.

Ein Wendepunkt ist erreicht, wenn man durch den Gebrauch der Erkenntniskraft und durch die geistige Übung realisiert, dass das Selbst nicht der physische Körper und nicht das bewusste Denken ist. Diese Erkenntnis kann durch den Prozess des Eliminierens geschehen, d.h. man stellt fest, was man nicht ist. Das, was bleibt, wenn man alles, was man nicht ist, eliminiert hat, ist das „Selbst.“

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‚Wenn die, die euch führen, zu euch sagen: ‚Siehe das Reich ist im Himmel‘, so werden euch die Vögel des Himmels zuvorkommen. Wenn sie euch sagen: ‚Es ist im Meere‘, so werden die Fische euch zuvorkommen. Aber das Reich ist in euch und es ist ausser euch. Wenn ihr euch erkennt, dann werdet ihr erkannt werden und ihr werdet erkennen, dass ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Wenn ihr euch aber nicht erkennt, so seid ihr in Armut und ihr seid die Armut. „

Evangelium nach Thomas

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Im Dhammapada wird es so gesagt:

„Kommt, schaut euch die Welt an, sie ist wie eine verzierte Königskutsche. Narren versinken darin; wer Bescheid weiß, haftet nicht daran.“

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Sri Aurobindo schreibt in „Doctrine of the Mystics“ über die Veden:

„Man findet eine Sprache von Poeten und Erleuchteten, für die alle Erfahrungen wirklich, lebendig, vernünftig, ja sogar gegenständlich sind. Es ist noch nicht die Sprache der Denker und Systematiker für welche die Wirklichkeit des Geistes und der Seele zu Abstraktionen geworden sind. Ein System, eine Lehre ist durchaus vorhanden, doch ihre Struktur ist weich, ihre Begriffe konkret, ihre Gedankenformen praktisch und experimentell; sie ist vollendeter Ausdruck eines alten und sicheren Wissens, nicht eines Wissens, das grob und voller Zweifel ist, da es noch im Werden ist.

Es handelt sich um die uralte psychologische Wissenschaft und die Kunst des geistigen Lebens, welche in die Philosophie der Upanishaden münden und später in der lntellektualität und im logischen Dogma von Vedanta, Sankhya und Yoga resultieren. Wie alles Leben und wie alle Wissenschaften, die noch vital sind, fehlt den Veden die gepanzerte Starrheit des logisch denkenden Intellekts.

Trotz ihrer gefestigten Symbole und heiligen Formeln sind sie noch immer weit, frei, biegsam, flüssig, weich und subtil. Sie enthalten den Fluss des Lebens und den grossen Atem der Seele. Und während spätere Philosophien Bücher der Erkenntnistheorie darstellen und Befreiung zum höchsten Gut erklären, handelt es sich bei den Veden um ein Werk des Wissens, das unsere gegenwärtigen Fesseln und Beschränktheit zurückweist und ihr die Hoffnung auf Vollendung, Selbstwertung, Unsterblichkeit entgegensetzt.“

Das Problem

„In Unwissenheit habe ich viele Geburten durchlebt auf der Suche nach dem Erbauer dieses Hauses. Immer wieder aufs Neue zu suchen ist schmerzhaft. Nun bist du erkannt, Häuserbauer. Du wirst mir kein neues Haus bauen können, all deine Eckpfeiler sind zerbrochen, dein Dachfirst ist zerstört. Mein Geist ist losgelöst von allem und hat dem Verlangen ein Ende gesetzt.“


Dhammapada

Das Ich-Bewusstsein fährt fort, neue Häuser zu bauen, mit demselben Material und denselben Mitteln, wieder und wieder. Jedes neue elegante Design befriedigt den verlangenden Geist für eine Weile, dann lässt die Begeisterung nach und es stellt sich ein fader Geschmack ein bis sich der nächste grosse Entwurf herauskristallisiert, entsprechend dem „letzten Schrei der Mode“. Ohne Ende, immer aufs Neue!

Das zuvor „erfolgreiche“ Design wird modifiziert in Abhängigkeit der wechselnden Launen des Geistes. Jede neue Kreation steigt wie eine Spielzeugrakete in die Luft, mit viel Licht, Rauch und Krach, die Augen blendend und die Ohren betäubend. Nur um alsbald abzusinken, schnell vergessen – viel Lärm um nichts.

Jedes Mal, wenn man vom hellen Glanz der Rakete geblendet wird, ist man im eigenen „Spiel es noch einmal“ gefangen. Dieselben alten Tonbänder, sprich Gewohnheiten, werden wieder und wieder abgespielt. Und Jedes Mal sagt man zu sich selbst: „Wieder ist etwas schief gegangen, wann werde ich es endlich lernen?“ Was „wieder schief gegangen ist“, ist, dass man sich statt von seiner Praxis von seinen alten Gewohnheiten leiten liess.

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Leider wird die spirituelle Praxis bei vielen von uns ihrer führenden Aufgabe nicht gerecht, aus dem einfachen Grunde weil wir selbst unserer spirituellen Übung nicht gerecht werden. Wir „denken“, das Leben bestehe aus dem, was sich um uns herum abspielt. Also soll sich der geistige Weg unserem materiellen Lebensstil anpassen. Es ist gerade umgekehrt. Wir wissen das. Wir legen ein Lippenbekenntnis dazu ab und vergessen es dann schnell. Wir wandern in die entgegengesetzte Richtung, von der Wahrheit weg, und wundern uns, warum „die spirituelle Praxis nichts nützt.“

Es ist nun mal so, dass es nicht genügt, einmal in der Woche mit einer Gruppe zu sitzen oder ab und zu einen Meditationsretreat einzulegen oder einen Lehrer ein- bis zweimal im Jahr zu sehen oder gar in der Welt herum zu rennen, um in der Gegenwart eines „Erleuchteten“ zu weilen, wenn man in der Zwischenzeit alles vergisst und sich von der sogenannten Dringlichkeit des sogenannten „wirklichen“ Lebens vereinnahmen lässt.

Was man in diesem Fall für wirklich und wichtig hält, ist aus dem Blickwinkel des wahren Selbst alles andere als die Wirklichkeit. Man stelle sich vor, ein Gärtner würde mit der selben Sprunghaftigkeit für seinen Blumengarten sorgen. Dieser wäre bald mit Unkraut überwuchert, die Blumen fänden einen schnellen Tod. So verhält es sich auch mit unserer Praxis, wenn wir sie nicht regelmässig pflegen.

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„Es war ein reicher Mann, der viel Vermögen hatte. Er sagte: ‚Ich werde mein Vermögen verwenden, um zu säen, zu ernten, zu pflanzen und meine Vorratskammer mit Früchten zu füllen. Das ist es, was er in seinem Herzen dachte. Und in jener Nacht starb er.“


Evangelium nach Thomas

Das geistige Leben ist nicht Teil und steht nicht im Dienst unserer materiellen Existenz. Unsere materielle Existenz ist Teil des geistigen Lebens. Solange man dies selbst nicht erkennt, wird einem das Leben zur Hölle.



Das Prozess

„Entleere dich und ich werde dich füllen“.


Evangelium nach Thomas

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Entleere deinen Geist von allen Vorstellungen über wirklich und unwirklich. Entleere deinen Geist von der Vorstellung, dass du der materielle Körper und das Denken bist.

„Zu erkennen, dass der Geist leer ist, bedeutet, den Buddha zu sehen. Das Denken zu benutzen, um die Wirklichkeit zu finden, führt zur Täuschung. Das Denken nicht zu benutzen, um die Wirklichkeit zu finden, führt zum Gewehrsein.“


Bodhidharma

Bodhidharma machte Zazen einer kahlen Wand zugekehrt, auf welche er seinen Geist projizierte, damit er ihn untersuchen konnte.

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Auf das „Entleeren“ des Geistes kommt es an, ob man es Kontemplatives Gebet nennt oder Meditation oder Yoga oder Zazen….

„Es geht darum, die Bewegungen des Geistes anzuhalten.“


Patanjali

Die Methode

Werdet Vorübergehende.


Evangelium nach Thomas

Der Geist ist wechselhaft, kaum in die Schranken zu weisen, er folgt seinen Wünschen, wie es ihm beliebt. Es ist gut, diesen Geist zu beherrschen, ein disziplinierter Geist bringt Frieden und Glück.


Dhammapada

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Yoga ist der Prozess, die Bewegungen des Geistes anzuhalten. Dann lässt sich der Beobachtet (in uns) in seinem eigenen Wesen nieder. Andernfalls kommt es zur Identifikation mit den Geistesbewegungen. Das Anhalten dieser Bewegungen ist möglich durch unaufhörliche Selbst-Gewahrsein und Nicht-Anhaften. Selbst-Gewahrsein bedeutet, im Zustand des Nicht-Reagierens gegenüber den Sinneseindrücken zu bleiben. Wenn das Selbst-Gewahrsein über lange Zeit ehrlich und ununterbrochen im Handeln angewendet wird, gewinnt es einen tiefen Boden.

Patanjali



„Entleere deinen Geist“ und „Werdet Vorübergehende“

„Entleere deinen Geist“, indem du die Kraft und Methode deiner Praxis benutzt, um das Gewahrsein dessen was du wirklich bist, ständig zu nähren und zu stärken. Benutze dein Mantra, dein Koan, dein Gebet, um dich dauernd daran zu „erinnern“, wer du in Wirklichkeit bist. Halte dieses Selbst-Gewahrsein dauernd aufrecht. Durch dieses nicht nachlassende Bemühen wird es mit der Zeit natürlich, sich nach der eigenen „Buddha-Natur“, dem eigenen“ Selbst“, dem „Das bin ich“ zu richten.

„Werdet Vorübergehende“ ist ein Aufruf zum Nicht-Anhaften. Das bedeutet, nichts und niemanden in Besitz zu nehmen. Nicht-Anhaften ist niemals physisch gemeint, es bedeutet nicht, die Frau oder den Mann sitzen zu lassen, Familie, Freunde und Geld aufzugeben und in ein abgelegenes Kloster zu fliehen im Namen des Nicht-Anhaftens.

Man soll nicht Vorstellungen von Nicht-Anhaften verfallen, die einen von alle Mitmenschen entfremdet. Nicht-Anhaften bedeutet, überhaupt keiner Vorstellung anzuhaften, dazu gehören z.B. auch, alle Vorstellungen aufzugeben darüber, wie ein Ehemann, eine Ehefrau oder andere Menschen denken, sein oder handeln sollten oder könnten sowie die Vorstellungen, wie die eigenen Familie sein sollte oder hätte sein sollen oder hätte sein können. All dies gehört ins Land der Fantasie! In der Wirklichkeit gibt es nichts namens „Ehefrau“ oder „Ehemann“.

Meister Krishnamacharya sagte:

„Denke immer daran, dass das, was du hast, nicht das ist, was du bist.“

Titel wie „Ehemann“ und „Ehefrau“ gehören in die materielle Welt. Sie bringen die üblichen mit dieser Welt verbundenen Gedankenspiele mit sich.

Sie sind Teil der Welt des „Habens“. Die Welt des „Seins“ ist die Welt des Selbst. Aus dieser Es ist die Funktion von Körper und Geist, dem Selbst in dieser Realität zur Manifestation zu verhelfen. Wer dies versteht, versteht, warum wir „nicht das sind, was wir haben“.

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Gemäss der Yoga-Lehre von Patanjali führt das ehrliche Bemühen im Nicht-Anhaften zu Resultaten folgender Art:

• Das Begehren, Menschen und Dinge zu besitzen, wird ersetzt durch das Wissen, wie man mit Menschen und Dingen umgehen kann gemäss dem, “was sie sind“, und nicht gemäss dem, was wir denken das sie „sein sollten“.

• Die Nützlichkeit eines Gegenstandes ist nicht länger persönlich geprägt. Sie liegt in seiner Funktion. Etwas nur um seiner selbst „haben zu wollen“, ist Anhaften.

• Es gibt kein Bedürfnis mehr, die eigene Zukunft zu kennen. Im eigenen Zentrum stehend und in seiner eigenen Natur ruhend, versteht man, dass Vorstellungen wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur in der Welt des „Habens“ eine Bedeutung zukommt.

• Es gibt kein Bedürfnis mehr, anderer Leute Meinung über einen selbst zu kennen. Im eigenen Zentrum stehend und in seiner eigenen Natur ruhend, erkennt man, dass die Meinungen nicht mehr sind als Störungen im Äther, verursacht von einem gestörten Geist.

• Verantwortung wird weder gefürchtet noch begehrt. Im eigenen Zentrum stehend und in seiner eigenen Natur ruhend, alles überblickend, macht man sich keine Sorgen um die Früchte des eigenen Tuns. Verantwortung wird zum selbstloses Handeln. (Das kleine Selbst stellt sich in den Dienst des grossen Selbst.)

• Der Tod wird weder gefürchtet noch begehrt. Im eigenen Zentrum stehend und in seiner eigenen Natur ruhend, entdeckt man, dass man nie geboren wurde und deshalb nie sterben kann, und dass das, was geboren wurde, ganz sicher sterben wird.



Der Hölle entkommen

Der Hölle zu entweichen setzt voraus, dass man erkennt, dass man darin ist. Sobald man dies tut, ist man draussen. Das ist einfach, sicher! Ist es leicht? Vielleicht. Das hängt von der Perspektive ab. Die Methode, die man benutzt, um der Hölle zu entkommen, ist im Übungsweg enthalten, dem man folgt, sei es Zen, Ch’an, Yoga, Kontemplation usw.

Am besten bleibt man bei dem Weg, den man kennt. Die verschiedenen Praktiken sollten nicht miteinander vermischt werden. Denn, obwohl ihr „Ziel“ dasselbe ist, können die verschiedenen Methoden und die Philosophie, die dahinter steckt, verwirrend sein. Die alten Übungswege wurden über Jahrhunderte getestet und verfeinert von Menschen mit einem schärferen Geist als dem unsrigen. Vertraut darauf, benutzt sie!

Es ist allerdings Vorsicht geboten mit modernen Versionen alter Weisheitslehren. Denkt an die berühmte Geschichte der Blinden, welche aufgefordert wurden, einen Elefanten zu betasten und dann zu sagen, was ein Elefant ist. Einige der heutigen „Gurus“ haben nur ein einzige Stelle des Elefanten berührt. Andere haben mehr als eine Stelle angefasst und nehmen daraus die Autorität, ihre eigene Kreation zu verbreiten (à la Christliches Zen, Yoga-Zen, Yoga-Tanz). Benutzt euer Unterscheidungsvermögen, stellt Fragen, überprüft alles, wirklich alles. Die Antworten sind da, es braucht nur Ausdauer und Geduld!

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Wenn du einen besonnenen Begleiter findest,
einen weisen Gefährten und liebenden Freund,
dann gehe mit ihm und überwindet alle Gefahren.
Wenn du keinen besonnenen Begleiter,
weisen Gefährten und liebenden Freund findest,
dann gehe allein voran,
wie ein König,
der auf ein erobertes Reich verzichtet,
wie ein grosser Elefant,
der im tiefen Wald umherstreift.

Dhammapada

Und nun gehe und tue etwas!

Dhyāna Winter 2001

perspektiven
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